vonSchröder & Kalender 01.10.2006

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

Mehr über diesen Blog

Wir sind in Köln und wissen daher nicht, wie der Bär flattert.

doris-hella.jpg
Das Bild ›Doris / März‹ (Acryllack auf Leinwand) ist eine Arbeit des Malers Berndt Höppner aus dem Jahr 1970. Höppner gehörte zur Kölner Künstlergruppe Exit und war mit Rolf Dieter Brinkmann und Ralf-Rainer Rygulla befreundet. Er gestaltete auch den Schutzumschlag für Brinkmanns Gedichtband ›Gras‹ und illustrierte ›Gummibaum. Hauszeitschrift für neue Dichtung‹ (Hrsg. von R.D. Brinkmann Nr. 1 und 2). Das Bild ›Doris / März‹ von Berndt Höppner hängt seither in den jeweiligen Büros des März Verlags.

Jörg Schröder benutzte das Bild mit Einverständnis von Höppner als Umschlagmotiv für das in Antiquariatskreisen respektlos »Mösenbuch« genannte Werk des Fotografen Gunter Rambow. Aus dem Textentwurf von Jörg Schröder für die Annotation eines Antiquariatskatalogs: »›Doris / März‹ erschien 1970 im März Verlag Frankfurt a. M., Anreger war Maurice Girodias, Verleger der Olympia Press New York. In seinem Pariser Verlag waren S. Beckett, W. S. Burroughs, J. Genet, Henry Miller und Nabokows ›Lolita‹ erschienen. Mit den Gewinnen von ›Lolita‹ gründete Girodias den Nachtclub ›La Grande Severine‹, in dem Artisten und Musiker auftragen wie Memphis Slim, Hazel Scott und eine unbekannte Avantgardeband namens The Beatles. Der Club wurde 1964 wegen einer Bühnenadaption von de Sades ›La Philosophie dans le boudoir‹ von der Sittenpolizei geschlossen. 1967 übersiedelte die Olympia Press nach New York. Girodias versuchte an seine früheren Erfolge anzuknüpfen, was ihm aber nicht gelang. 1969 schlug Jörg Schröder Maurice Girodias vor, eine Dependance in Deutschland einzurichten. Schröder hatte gerade den März Verlag gegründet.«

Gunter Rambows Fotobuch ›Doris‹ entstand aus einem Mißverständnis: Girodias hatte 1969 die Idee eines »cunt books«, das er als internationale Koproduktion vertreiben wollte. Von diesem Plan berichtete Jörg Schröder dem Frankfurter Fotografen Gunter Rambow. Man schloß einen Verlagsvertrag für die Olympia Press Deutschland. Als Girodias während eines Besuches in Frankfurt Rambows erste Fotos sah, erklärte er kategorisch, daß dies kein Buch für den Erotikamarkt sei. Daraufhin schloß Jörg Schröder mit Gunter Rambow einen Verlagsvertrag für den März Verlag, in dem das Buch dann 1970 erschien. Als Einbandillustration benutzte Schröder das Höppner-Bild.

Monbijou klein.jpg
»August 2000 bis April 2001, der Nachfolger des 103 / Friedrichstraße im ehemaligen Telegrafenhauptamt. Club mit Flur: beim Eintritt hörte man nicht den geringsten Ton. Drei große Räume, eine Bar in jedem, und ein sehr geräumiger Wandelgang mit Sitzbänken darin.« Über den Club 103 / Monbijoustrasse sagt Alise: »Hard to be there without being hysterically cool.« Nachzulesen in ›Temporary Spaces‹ von Martin Eberle (Fotos) und Heinrich Dubel (Text). Dieses Buch dokumentiert das Design des nomadischen Clublebens in Berlin-Mitte. So viel wie Ende der Neunziger ging vorher nicht und ging danach nie wieder. Martin Eberle, selbst Mitbetreiber der legendären Galerie berlintokyo, fotografierte die inzwischen zumeist untergegangenen Clubs von außen und innen. Heinrich Dubel schrieb kurze Clubsteckbriefe und notierte Eingebungen und Statements der Besucher. Richard Kämmerlings schrieb über ›Temporary Spaces‹ in der FAZ: »Der Band ist mehr als eine Dokumentation der flüchtigen Partykultur der Neunziger: Er gibt Einblicke in die Innenarchitektur des Untergründigen.« Zu beziehen ist das Buch bei Die Gestalten Verlag.

103klein-1.jpg
Martin Eberle, 103 / Montbijoutstraße innen, 110 x 90 cm, Colour print auf Alu gerahmt, Auflage 3 + 2 Artist print. Interessenten, welche die Arbeiten von Martin Eberle im Original sehen möchten, bitten wir um vorherige telefonische Terminabstimmung (030 – 85 40 97 73). Bitte keine unangemeldeten Besuche!

Zur Kölner Ausstellung ›Außerordentlich und obszön. Rolf Dieter Brinkmann und die POP-Literatur‹ haben wir zahlreiche Bilder, Fotos und andere Materialien eingeliefert. Dem MÄRZ Verlag ist in der Ausstellung ein eigener Raum gewidmet. Für die Zeit, in der die Leihgaben in Berlin an den Wänden fehlen, hat uns der Fotograf Martin Eberle einige Arbeiten ausgeliehen. Diese werden wir in den nächsten Wochen in einer ›blog exhibition‹ vorstellen, kontrastiert von unseren Kölner Exponaten.

POP-Vignette.jpg
Das Plakat zur Ausstellung sowie die begleitenden Drucksachen entwarfen Barbara Kalender und Jörg Schröder. Ausstellung: Kunsthaus Rhenania, Bayenstrasse 18, 50678 Köln, vom 29.09 – 19.11.2006, Freitags: 18 – 22 Uhr, Samstags und Sonntags: 12 – 18 Uhr.


Die beiden Autoren von ›Temporary Spaces‹: links Heinrich Dubel (Text), rechts Martin Eberle (Fotos) im September 2006 in der Galerie endart in Kreuzberg.

Vita Martin Eberle: Geboren 1966 in Augsburg, Studium (Fotodesign) an der FH Dortmund, Mitbetreiber der Galerie berlintokyo in Berlin, Mitarbeiter Erratik Institut Berlin und bei PAKT – Zeitschrift für Fotografie und Medienkunst, Lehrauftrag Fotografie am Fachbereich Design der FH Potsdam, zahlreiche Ausstellungen, zuletzt: 2003: Haus am Waldsee, Berlin; 2004: KunstWerke, Berlin und Neue Dokumente, Berlin; 2005: Frankfurter Kunstverein, Frankfurt; 2006: General Public/Club Transmediale, Berlin. Buchveröffentlichung: ›Temporary Spaces‹ (s.o.)

(Copyright für die Abbildungen: Berndt Höppner und Martin Eberle.
Text und Fotos: BK / JS)

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/schroederkalender/2006/10/01/auserordentlich-und-obszon-bildertausch-2/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert