vonWolfgang Koch 23.04.2012

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

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Von dem Meditierenden Max Glashoff, Präsident der Dachgesellschaft deutscher Buddhisten 1960-84, stammt der bemerkenswerte Ausspruch: »Nach langer Beschäftigung mit der Lehre des Buddha bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass ich kein Buddhist bin! Ich habe mir die Empfehlungen des Erleuchteten zur Richtschnur für mein Dasein genommen, um dem selbst geschaffenen Leiden möglichst ein Ende zu bereiten«.

 

oooooOOOOOoooooo

 

Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen. Da wollte einer Buddhist sein, weil er es nicht war, oder umgekehrt, er wollte Nichtbuddhist oder Unbuddhist sein, weil er Buddhist war. So etwas konnte nur Zen-Praktikern einfallen.

 

Meine Lehrerin dachte nach, nahm einen Schluck aus der Teetasse. Dann wandte sie sich an mich:

 

»In den Fragen des richtigen Weges regiert in Europa der heilige Ernst. Für Asiaten ist dieser ganze Bekenntnisfimmel – ich bin dies, ich bin das, und das da bin ich sicher nicht! – nur der Ausdruck einer grundlegenden psychischen Schwäche der westlichen Persönlichkeit«.

 

ICH: Was meinen Sie damit?

 

LEHRERIN: Wenn ich sage, ich bin dies, ich bin das, ich bin Buddhist, Taoist oder Quäker, dann handelt es sich immer um eine theoretische Formulierung, um eine reine, in der Schwebe gehaltene Illusion. Dass ich mich demonstrativ von anderen unterscheide, ist sicher kulturell und politisch da & dort notwendig. Wir erkennen damit gegenseitig unsere Zivilisiertheit an. Doch Bekenntnisse bleiben Einbildungen, die wir für den Fremdbedarf produzieren.

 

ICH: Für die anderen? Beziehen wir denn nicht auch Selbstachtung aus unserem Bekennertum? Drückt sich darin nicht auch das Bewusstsein der eigenen Kultur aus?

 

LEHRERIN: Richtig; doch zugleich behandelt wir die anderen verächtlich damit. Indem wir uns zum Konsens einer Gruppe bekennen, werten wir auch den Rest ab. Um das zu vermeiden, sprach der Buddha nur davon, dass er einen alten Weg wiederentdeckt hat. Er wollte keine neue Praxis auf die Beine gestellt haben; er sei, sagte er, nur auf einen alten, zugewachsenen Pfad gestoßen. Dieser Pfad durch den Urwald sei schon vor ihm von vielen begangen worden, von Mönchen und Nonnen, aber nicht nur von diesen, und er wird heute immer noch beschritten.

 

ICH: Der Namen dafür soll Schall & Rauch sein?

 

LEHRERIN: In der Tat, das soll er. Das wird niemand schmeicheln, besonders die organisierten Funktionäre von Gemeinschaften nicht, aber so ist es. Der Name für das, was wir tun, sei Schall & Rauch. Auf nichts anderes läuft die Verweigerung der eindeutigen Antwort von Glashoff hinaus: Bekenntnisse sind immer voreilig. Sie entwickeln einen eigenen Zauber, eine Zwangslogik gegen andere Positionen und täuschen uns über die eigene Randständigkeit hinweg. Lassen wir sie einfach fort.

 

© Wolfgang Koch 2012

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https://blogs.taz.de/wienblog/2012/04/23/warum-der-buddha-kein-buddhist-war/

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kommentare

  • Der Buddha hat zwar viel „Theorie“ gelehrt, aber immer Yoga/Tantra vorausgesetzt und es wurde in seinem Orden obligatorisch auch von ihm gelehrt.

  • Der historische Buddha war übrigens hauptsächlich Yoga(Tantra damals)lehrer.

    +++++++++++++++++++

    Bin nicht sicher, ob Stephen Batchelor damit einverstanden wäre. Aber, bitteschön.
    W.K.

  • Es handelt sich übrigens bei dem Beitrag, ausgehend vom Zitat des Präsidenten Glashoff, um eine „Homage“ an die Schopenhauer-Deussen-Nietzsche-Verdienst-Linie der deutschen Indologie. Nietzsche charakterisiert dort den Buddhismus durch „strenge Rückführung auf die Person“ – unter anderem. Die ist natürlich entpolitisierend und daher ziemlich den „Werten“ der Linken entgegengesetzt. Es handelt sich da dann um bewusste Provokationen, die als befreiende „höhere Einsicht“ „verkauft“ werden. Sitz im Leben ders Nietzsche-Buddha-Zitates ist die fundamentale Bedeutung des eigenen „Leibes“ für das eigene Leben. Nietzsche weist überdeutlich darauf hin, dass die nichtkoloniale indische Gesellschaft jegliche Dynamik bewusst ausschliesst, eine Analyse, die er mit Marx und fast der gesamten westlichen Orient-Soziologie teilt. Nur das „Bejahende“ dieses extremen politischen Konversatismus ist von geradezu perplexierender Provokation, besondes für Linke. Diese Schopenhauer-Deussen-Nietzsche-Linie hat auch die Ansicht der Überlegenheit indischer Philosophie/Religion über das Christentum extrem stark befördert und überraschen problemlos bei „freien Geistern“ (vom Christentum) „durchgesezt“. Daher ist das mit der „aktiven Auswahl“, auch was indische Weisheit angeht, wichtig. Realgrund dieses leichten Sieges der indischen Weisheit ist nämlich das yoga/Tantra. Da wird meist auf Meditation verkürzt bzw. durch „Weisheit“ theoretische Art zu substituieren versucht. Dem hat leider die Nietzsche-Linie auch Vorschub geleistet, weil sei Yoga/Tantra kaum erwähnt. Der Buddhismus insgesamt ist etwas „Asana („köperliche Übungen“) „vergessen“. Der politische Spielraum zum Erreichen des eigenen Glücks, Ziel gerade auch der östlichen Weisheit, ist im Westen viel größer und sollte daher stringent genutzt werden.

  • Hmm… gilt das nur, wenn man sich ZU einer bestimmten Religion bekennt oder auch, wenn man sich – wie ich es tue – für einen Agnostiker hält? Erhebe ich dadurch automatisch diesen Glauben zum Dogma und werte den „Rest“ ab?

    Ok, das war offenbar eine rhetorische Frage – denn genau das tue ich, wenn ich ehrlich bin. Für mich können denkende Wesen ausschließlich Agnostiker sein, sofern sie konsequent und ehrlich zu sich selbst sind. Wobei Agnostiker selbstverständlich durchaus nach Prinzipien leben können, die sich zumindest teilweise mit denen einiger Religionen decken. In meinen Augen belügt sich der- / diejenige selbst, der sich zum Schutze seiner Religion weigert, Fragen bis zum möglicherweise bitteren Ende zu durchdenken.

    Namaste!

  • Es stimmt nicht. „Tat nam asi“ – „Das bist du“ (in der Regel Brahman oder der atman) und „Neti, Neti“ (das bist du nicht – in der Regel „dumme, unbewusste Angewohnheiten“) sind im indischen und damit asiatischen Denken das wichtigste „Kleinod der Unterscheidung“. Praktisch sind im Hinduismus und auch im Buddhismus die Auseinandersetzungen zwischen den „Sekten“ und Linien mindestens genauso schwerwiegend wie hier. Die Markierungen von Differenzen und Übereinstimmungen sind natürlich etwas anders in den Gefilden. Asien ist alt und groß und hat viel prägende mehrfache Kolonialvergangenheit. Da muss man ein „aktive Auswahl“ treffen um Spreu von Weizen bei der immensen Fülle zu trennen. (Post)moderne Philosophie ist philosopschisch den besten „Buddhismen“ mindestens ebenbürtig. Nur das praktische Yoga/Tantra muss man selber machen. Da gibt es allerdings schon besseres aus Asien als 1 mal die Woche…

  • Sehr lange kann sie aber nicht nachgedacht haben, die Lehrerin. Sonst wäre ihr eingefallen, dass es auch Asiaten mit „Bekenntnisfimmel“ (schönes Wort übrigens) gibt.

    Zum Beispiel: China. Die dortigen „organisierten Funktionäre“ sind spätestens seit der Qin-Dynastie (um 230 v.Ch.) Bekennende im Sinne einer Staatsdoktrin. Seit dem 6. Jahrhundert „sind“ sie außerdem Buddhisten. Wie sich die Zugehörigkeit zu einer Schule und die Unterwerfung unter einen Meister mit der buddhistischen Weisheit verträgt, deren Name „Schall & Rauch“ ist, weiß ich nicht. Das Lexikon aber behauptet immerhin, die Philosophie des Chan (Chinesische Form des Buddhismus) hätte sich schon immer als „Philosophie des Paradoxen und Weg der radikalen Freiheit des Geistes“ verstanden. Es kann also durchaus sein, dass selbst jene Leute, die den „Bekenntnisfimmel“ („ich bin dies, ich bin das, und das da bin ich sicher nicht!“) für eine „grundlegende psychische[…] Schwäche der westlichen Persönlichkeit“ halten, überzeugt sind, sie selber würden keinerlei „Zwangslogik gegen andere Positionen“ anwenden und sich „über die eigene Randständigkeit hinweg[täuschen]“.

    Hm. Und was sagt uns das nun? Mir sagt es, dass er ja vielleicht nicht ganz grundlos zugewachsen war, der Pfad, auf dem Buddha unterwegs gewesen sein will…

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