Auf dem Höhepunkt ihrer Protest-Bewegung sind Capitol-BesetzerInnen in Wisconsin auf die Idee gekommen, eine Wahl zum Obersten Gericht ihres Bundesstaates für ihre Zwecke zu nutzen. Sie unterstützten die Kandidatin JoAnne Kloppenburg. Um mit ihr die bisherige Mehrheit in dem Gremium (vier Konservative gegen drei Fortschrittliche) umzukehren.
Seit ihrem Auszug aus dem Capitol haben die Linken von Wisconsin für die „erfahrene, unbestechliche und unabhängige Richterin“ geworben. Dabei hatten sie immer das „Haushaltsgesetz“ von Gouverneur Scott Walker im Sinn. Das Gesetz – ein Frontalangriff auf Gewerkschaften und Mitbestimmung im Öffentlichen Dienst – ist vorerst wegen Formfehlern per richterlicher Verfügung ausgesetzt. Aber früher oder später wird es vor dem Obersten Gericht von Wisconsin landen.
Die Rechnung könnte aufgegangen sein. Mit einem Ergebnis, das kaum knapper sein könnte: Die erste Auszählung der 1,5 Millionen Stimmen, die bei der Wahl am Dienstag abgegeben worden sind, ergab einen Vorsprung von 204 Stimmen für JoAnne Kloppenburg.
Die bis vor wenigen Wochen weitgehend unbekannte Richterin Kloppenburg hätte damit 50,01 Prozent der Stimmen bekommen. Gegen 49,99 Prozent für den langjährigen Amtsinhaber David Prosser, einen politischen Freund von Gouverneur Scott Walker, der ohne das Haushaltsgesetz umstandslos wiedergewählt worden wäre.
Der unterlegene Kandidat will das Ergebnis anfechten. Und vermutlich wird es in den nächsten Tagen eine zweite Stimmenauszählung in Wisconsin geben. Unabhängig von dem Ausgang dieser zweiten Stimmenauszählung ist das Signal an Tea-PartierInnen, die versucht sind, dem Beispiel von Scott Walker zu folgen, klar.
Wisconsin zeigt, dass
* es riskant ist, das Recht auf betriebliche Mitbestimmung anzugreifen.
* die Gewerkschaften ungeahnte Kräfte mobilisieren können – obwohl ihre Mitgliederzahlen heute so niedrig sind, wie am Anfang des 20. Jahrhunderts.
* eine soziale Bewegung binnen weniger Wochen politische Mehrheitsverhältnisse umkehren kann.
Am gefährlichsten ist es für Gouverneur Scott Walker. Schon jetzt laufen in Wisconsin Abberufungsaktionen gegen republikanische ParteifreundInnen von ihm, die seit mehr als einem Jahr im Amt sind. Die nötigen Unterschriften liegen vor. Im Sommer werden in mehreren Wahlkreise Neuwahlen stattfinden. Anfang kommenden Jahres droht Walker dasselbe Schicksal.
Ganz nebenbei haben die WählerInnen in Madison am Dienstag auch eine Botschaft an das Oberste Gericht in Washington gesandt. Das hat 2009 entschieden, dass Konzerne unbegrenzt viel Geld für Werbung für politische KandidatInnen ausgeben dürfen. Eine rechte Bürgerinitiative mit dem irreführenden Namen Citizens United hatte das unter Berufung auf die Meinungsfreiheit erklagt.
Madison hat darauf mit einem Referendum – mit symbolischer Bedeutung – reagiert: Am Dienstag kreuzten 78 Prozent der WählerInnen auf ihren Stimmzetteln an, dass nur Personen (nicht aber Konzerne) den Schutz der Verfassung geniessen sollen und dass Geld keine Meinung ist.