vonKarim El-Gawhary 16.12.2010

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„Man muss sagen, Ägypten hat in den letzten Jahren mutige Schritte unternommen, um eine Kultur der Menschenrechte auf allen Ebenen der Gesellschaft zu fördern“.


Stammt dieser Satz:

A: vom ägyptischen Regierungssprecher

B:  von einem Zitat aus einer Erklärung der Arabischen Liga

C: vom iranischen Außenminister bei seinem letzen Besuch in Kairo

D: vom Botschafter der EU-Delegation in Kairo


…die Auflösung findet sich auf diesem Link.

Der Belgier Marc Franco, seines Zeichens Botschafter der EU-Delegation in Kairo, schrieb letzte Woche diesen bemerkenswerten Artikel für die englischsprachige ägyptische Tageszeitung Al-Ahram Weekly. Ägypten besitze „drei sehr mächtige Agenten des Wandels im Bereich der Menschenrechte“, erläutert er  und  zählt auf: den „National Council for Human Rights“, den „National Council for Women”  und den „ National Council for Childhood and Motherhood“. Der EU-Vertreter vergisst dabei zu erwähnen, dass es sich bei allen dreien um abhängige staatliche Institutionen handelt, nicht NGOs sondern GOs sozusagen.

Ägypten, führt er weiter aus,  habe in den letzten Jahren den rechtlichen Status der Frauen und Kinder verbessert, das Mindestheiratsalter von Mädchen von 16 auf 18 Jahre erhöht, die Frauenbeschneidung offiziell verboten oder es den Müttern ermöglicht eine Geburtsurkunde zu erhalten, ohne den Namen des Vaters aufzulisten,  usw.  Alles sicherlich Errungenschaften.

Aber Herr Franco, leben wir im gleichen Land? Kann man als EU-Repräsentant nur wenige Tage nach den ägyptischen Parlamentswahlen, bei denen sich die Regierungspartei, wie auf diesem Blog dokumentiert, durch massiven Wahlbetrug den absoluten Griff auf die ägyptische Legislative sicherte, eine solche Lobeshymne auf den ägyptischen Staat  singen?

Geht wählen! Al-Masy Al-Youm, Doaa Eladl

Ach ja, Sie vergaßen nicht zu erwähnen, dass die EU seit 2002 über 120 Millionen Euros zur Verbesserung der Regierungsführung und für Reformen im Menschenrechtsbereich in Ägypten ausgegeben hat!? Das scheint nicht genug gewesen zu sein, leider werden immer noch Menschen auf offener Straße von der Polizei zu Tode geprügelt oder aus den oberen Stockwerken der Polizeiwachen geworfen.

Irgendwie kommt mir das Alles sehr europäisch verlogen vor. Ich habe  vor Ort über zwei Parlamentswahlen berichtet, überdie iranischen vorletzten Sommer in Teheran und über die ägyptischen diesen Herbst in Kairo. Der Unterschied in der internationalen Wahrnehmung könnte extremer nicht sein.

Auf den Wahlbetrug des ersten hat man sich gestürzt, weil es opportun ist, das iranische Regime weltweit zu isolieren. Über den Wahlbetrug der mit dem Westen verbündeten ägyptischen Regierung hat man dagegen bestenfalls nur kurz versteckt mit dem Kopf geschüttelt.

Und dann gingen Alle wieder zur diplomatischen Tagesordnung über, wie sie Herr Franco mit ihrem anbiedernden Artikel, nur eine Woche nachdem die Urnen in Ägypten mit en gros ausgefüllten Wahlzetteln für die Kandidaten der Regierungspartei vollgestopft wurden.

Lieber Gott, warum hat der Mensch nur 2 Hände: Masry Al-Youm, Abdallah
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https://blogs.taz.de/aegypten_als_mutiger_foerderer_der_menschenrechte_raten_sie_mal_wer_das_gesagt_hat_/

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