vonChristian Ihle 18.06.2009

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Als die Horrors vor gut zwei, drei Jahren zum ersten Mal ins Blickfeld rückten, geschah zweierlei: zunächst war man sich – auch hier – bewusst, dass diese Band enormes Potential hat, andererseits aber auch verunsichert, wie Außendarstellung und Soundkostüm eigentlich zusammen passten. Denn auch schon auf dem Debütalbum (und vor allem live!) spielten die Horrors einen sehr kompromisslosen, obskure Legenden verehrenden Garagenpunk, der so gar nicht zu dem Image als Gothic-Herzensbrecher schwarzgekleideter 14jähriger passen wollte. Dass das erste, selten dämliche NME-Coverbild jeglicher Credibility den Garaus machte, war da nur folgerichtig.

Dennoch! Auf der Habenseite waren nun einmal eine hervorragende Debütsingle, ein gutes Album und überraschend beeindruckende Liveshows zu verzeichnen, so dass sich das Popblog noch nicht dem allgemeinen Horrors-Verdammen hingeben wollte. Wie gut, wie gut! Denn mit „Primary Colours“ gelingt den Londonern um Faris Rotter (falls er den Künstlernamen heute noch trägt?) etwas ganz, ganz erstaunliches – wann ist es zuletzt einer klassische „Hype-Band“ gelungen, die kommerziell gnadenlos gefloppt war und von ihrem Label geworfen wurde, mit Album Nummer Zwei derart selbstbewusst, stilsicher und, ja, besser, größer, wichtiger zurückzukommen?

horrors

„Primary Colours“ behält die Kompromisslosigkeit bei, deretwegen wir sie bei ihrer „Sheena Is A Parasite“ – Single damals schätzen gelernt hatten, entwickelt aber den Mut, mehr als eine Hommage, ein Pastiche wie das Vorgängeralbum sein zu wollen.
„Primary Colours“ ist ein metallisch glänzendes, kühles, brutales Werk. The Horrrors bewegen sich gut 15 Jahre in die Zukunft, also circa nach 1979/80 und spielen Outsider-New-Wave, der von deutschem Kraut-Rock beeinflusst ist. Einen ähnlichen Schritt ging John Lydon nach den Sex Pistols, als er Public Image Ltd gründete, nur dass die Horrors auf Dub-Basslinien verzichten, sondern mehr der elektronischen Kühle der Julian Cope’schen Teardrop Explodes zur Zoo Records Zeit fröhnen. Atmosphärisch liegt wohl kein Album so nah wie „Unknown Pleasures“ von Joy Division, ohne dass „Primary Colours“ auch nur in einer Sekunde nach der bombastischen Düsternis klänge, die Joy-Division-Epigonen von White Lies bis Editors, von Interpol zu She Wants Revenge dieser Jahre zitieren. Nein, es ist eher die Idee der Martin-Hannett-Produktion, die sich in „Primary Colours“ wieder findet als die musikalische Ausgestaltung durch Hookys Bass und Curtis’ schwermütiges Dröhnen! Musik für eine neue Eiszeit, in der Tat.

Als wenn all dies noch nicht genug wäre, um sich vor Lob zu überschlagen, finden sich zudem noch die besten 30 Sekunden des Jahres auf dieser Platte. In „Who Can Say“, dem besten Lied das die Horrors bis heute geschrieben haben, findet in all dem kalten Teardrop Explodes meets Neu! meets Unknown Pleasures Krach ein Break statt, das die ganze Musik auf Schlagzeug und Gitarre reduziert bis Faris darüber seine Zeilen eines Beziehungsendes spricht:

And when I told her I didn’t love her anymore /
She cried.
And when I told her, her kisses were not like before /
She cried.
And when I told her another girl had caught my eye /
She cried.
And I kissed her, with a kiss that could only mean goodbye.

Phil Spector wird im Gefängnis lächeln, hört er diese halbe Minute
(Christian Ihle)

Anhören!
* Who Can Say
* New Ice Age
* Scarlet Fields
* Sea Within A Sea

The Horrors im Popblog:
* I Predict A Riot 2007

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=yNjcSgU0Nrg[/youtube]
„Who Can Say“

Im Netz:
* Indiepedia
* MySpace

Hier übrigens das Video zur ja öfter im Text angesprochenen Debütsingle „Sheena Is A Parasite“, gedreht von Chris Cunningham (dem Aphex-Twin-Hausregisseur) mit Hauptdarstellerin Samantha Morton (oscarnominierte, beste Schauspielerin ihrer Generation):

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=gZMrwZItOGE[/youtube]

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https://blogs.taz.de/album_des_monats_mai_platz_2_the_horrors_-_primary_colours/

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