„Gut, dass es Geert Wilders gibt! Er ist ein Ventil für alle Niederländer, die mit der Verleugnung des Islamproblems im eigenen Land nicht einverstanden sind. Die werden nicht gewalttätig, sondern wählen eben PVV. Vom Islam in den Niederlanden geht eine größere Gefahr aus als von Geert Wilders.“ Es war gestern nicht das erste Mal, dass Bürgerrechtlerin Ayaan Hirsi Ali ihre Theorie zu Mozart-Joker Wilders äußerte, aber in dieser Situation (nach dem Fall der Regierung) lag das schon bleischwer im Magen der Nation.
„Bei allem Respekt: das ist Blödsinn!“, reagierte dieser Tage der renommierte Schriftsteller Geert Mak in der Niederrheinischen Zeitung. Wilders sei nicht gut für die Niederlande, weil er die Integrationsprobleme auf den Islam reduziere. „Wenn junge Marokkaner Probleme bereiten, dann kann man das doch nicht nur auf deren Religion begrenzen. Die jungen Leute sind doch häufig gar nicht gläubig oder gehen gar nicht in die Moschee.“
Wie dem auch sei, Journalisten stehen Schlange, wenn die seit vier Jahren in den USA lebende Hirsi Ali auf Stippvisite im Land ist – diesmal, um ihr neues Buch ‚Nomade ‘ zu promoten – die Fortsetzung ihrer Biografie ‚Mein Leben, meine Freiheit‘, die auch in Deutschland ein Bestseller war. Gestern in Schipol gelandet, ist Ayaan im Moment die meist gefragte Kommentatorin zur innenpolitischen Lage. Und dazu noch eine, die die ‚Fesseln des Islams‘ aus eigener Kraft abgeschüttelt und sich vom Flüchtling aus Somalia zur emanzipierten und streitbaren Politikerin, und schließlich zur internationalen Publizistin aufgeschwungen hat. Im Gegensatz zu Wilders‘ Plattitüden wird ihre Islamkritik in den Niederlanden geschätzt, selbst wenn sie auf den ersten Blick wie Wasser auf die Mühlen von Blondie Geert daherkommt.
„Moslems müssen sich anpassen, schließlich sind sie freiwillig im Land“, sagte Hirsi Ali gestern in einem ersten Interview mit dem niederländischen Rundfunk NOS. „Sie müssen ihre Religion nicht völlig aufgeben – nicht das Beten, das Feiern des Ramadans und andere spirituelle Seiten des Islam. Aber die sozial-politische Seite des Islams müssen sie aufgeben, das Thema des Jihad, das Einfordern der Scharia in welcher Form auch immer in Holland, die Unterdrückung der Frau, Intoleranz gegenüber Homosexuellen, Intoleranz gegenüber Menschen, die als Moslem geboren sind, aber etwas anderes leben wollen”. Das sei allerdings ein langwieriger Prozess, dem man nicht mit unrealistischen Vorschlägen wie Wilders Kopftuchsteuer beikomme. „Ich habe gelernt, dass man als Politiker seine Visionen in ausführbare Maßnahmen umsetzen muss. Und das sehe ich bei Wilders nicht.“ Na Gott sei Dank, da sind wir ja beruhigt!
„Die eine Antwort“ hatte Ayaan, heute Mitarbeiterin des konservativen Think Tanks American Enterprise Institute und Freundin des Hauses bei Bush’s Ex-Vize Dick Cheney, allerdings auch nicht. Sie empfehle langfristig eine Resozialisation der islamitischen Immigranten durch verpflichtete Kurse, Vereinsarbeit, kurzum den intensiven Kontakt mit Einheimischen, so dass sie die Normen und Werte der Niederländer übernähmen. Also umpolen – sanfter Brainwash statt brutaler Rausschmiss à la Wilders. Guter Plan, bei Ayaan selbst hat’s ja schließlich auch geklappt. – Nur, ist das wirklich nötig? Bei der überwiegenden Mehrheit der in Holland lebenden Moslems hat man das Gefühl, dass sie schon ganz gut integriert sind.
Was auch immer in Sachen Integration passiert, der Mann, der’s richten wird – in dem Punkt sind sich Ayaan Hirsi Ali und Geert Mak einig – ist wiedermal Job Cohen, der trotz seiner erbitterten Twitter-Verweigerung vom Volk geliebte Spitzenkandidat der sozialdemokratischen PvdA. „Die Herausforderung für ihn wird sein, mit Geert Wilders zu debattieren, und zwar nicht über die Person Wilders, sondern über die Inhalte seiner Politik“, sagte Hirsi Ali gestern.
Zu guter letzt beraubte sie uns noch eines vielgehätschelten Wilders-Klischees: Geert’s Engstirnigkeit rühre ganz bestimmt nicht daher, dass er auf Schritt und Tritt von seinen Bodyguards verfolgt werde – sie lebe schließlich auch seit Jahren mit ständigem Begleitschutz, und leide nicht unter dem Scheuklappensyndrom! – Sagt’s und schwebte kryptisch lächelnd zum nächsten Interview.