vonMargarete Stokowski 10.10.2014

Buchmesseblog

taz-Autor*innen bloggten live von den Buchmessen in Leipzig und Frankfurt. Ein Schmöckerladen für Buchliebhaber*innen.

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Von der Lesung von Julia Trompeter und Silke Scheuermann will ich noch erzählen, die war am Mittwoch bei Open Books, zur Feier des 20jährigen Jubiläums von Schöffling & Co. Es haben auch noch andere gelesen, aber die hab ich nicht mitbekommen.

Ich war vor allem wegen Julia Trompeter da (Foto, rechts) , die da hat das tolle Buch „Die Mittlerin“ geschrieben. Die Mittlerin ist eine Literaturagentin, und diese Agentin will die Erzählerin dazu bringen, einen Roman zu schreiben. Sie sagt, „Sie brauchen einen Plot“ und „denken Sie sich eben etwas aus“, aber in der Erzählerin sträubt sich so vieles, sie will nämlich eigentlich gar keinen Roman schreiben, sie ist „mit halbem Arsch Philosophin, mit halbem Onlineredakteurin“ und weiß auch nicht so richtig.

Daraus entspinnt Julia Trompeter eine ziemlich witzige Geschichte über Kreativität und die Frage, wie sehr sich eine Künstlerin eigentlich selbst genug sein kann. Es geht um die Entstehung von Literatur, um Marktförmigkeit und die Suche nach einem Platz im Literaturbetrieb.

Julia Trompeter schreibt schöne, bildhafte und schlaue Sätze. „Die Schokolade und die Bücher sind seit dieser Zeit für mich irgendwie untrennbar miteinander verbunden, weshalb das Lesen bei mir nicht nur das Wachstum der benutzten Hirnareale, sondern die Ausdehnung des ganzen Körpers beeinflusst hat. Ich habe nicht, sondern ich bin ein relativ breites Wissen.“

Im Laufe der Erzählung rutscht nicht nur die Erzählerin immer tiefer in den Literaturbetrieb, sondern auch die Erzählung selbst in eine Metaebene.

„Nach diesem literarischen Ausflug in unsere Lieblingsbücher nämlich, bei dem wir sicher siebzig bis fünfundsiebzig –‚ach was fünfundneunzig‘, höre ich im Geiste die Verlagslektorin sagen, der die Mittlerin mein Manuskript vielleicht einst in die Hand drücken wird –, ja nahezu hundert Prozent der Leserinnenschaft für immer verloren haben, und ich sage wir, weil es vermessen wäre, dieses hier mein Manuskript zu nennen, […] auch wenn es vielleicht nur meine Hände sind, die da etwas in die Maschine tippen, etwas, das aber eben längst nicht nur meine Gedanken allein sind …“

Als die Erzählerin einen Mann kennenlernt, den bear, schreibt sie über das Kennenlernen, das Verlieben, den Heiratsantrag und die Trennung und schreibt dann:

„‘Warum überspringen Sie hier den erotischen Part?‘, wird mich die Verlagslektorin sicher fragen, wobei sie mit ihrem Kugelschreiber ungeduldig auf den Rand des Manuskripts pochen wird, so dass viele ameisengroße blaue Pünktchen darauf entstehen, und ich gebe ihr schon hier, im Geiste und auf dem Papier, zaghaft zu verstehen, dass es an dieser Stelle nichts zu überspringen gibt.“

Warum sie den erotischen Part denn nun überspringe, fragt dann auch die Moderatorin der Lesung, und Julia Trompeter sagt, sie findet es interessant, Erwartungshaltungen, die beim Lesen entstehen, anzuschauen, und Spannungen, die sich aufbauen, eben auch zu durchbrechen.

Und eigentlich wollte ich danach gehen, aber weil ich nicht schnell genug meine Sachen zusammenpackte, geriet ich noch in die Lesung von Silke Scheuermann, denn ich wollte nicht rausrumpeln, während jemand Gedichte vorliest, also blieb ich und hörte wunderschöne Lyrik.

Silke Scheuermann las aus ihrem Buch „Skizze vom Gras“, unter anderem ein Gedicht an die Wandertaube Martha, die 1914 als letzte ihrer Art starb und die 2020 im Labor wiedergeboren werden soll – „Und doch, du weißt es selber am besten: / Es ist nichts mehr wie früher.“

Und erst dann ging ich raus, froh, vorher nicht schnell genug draußen zu sein, denn das war schön, sogar doppelt schön.

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https://blogs.taz.de/buchmesse/2014/10/10/julia-trompeter-silke-scheuermann-schoen-doppelt-schoen/

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kommentare

  • Mist, wurde das mit der Zeit vorhin knapp. Bei dem Wort Weisheiten hatte ich zu früh mit dem Nachdenken aufgehört und die Kurve zu meiner Botschaft nicht mehr gekriegt (dafür aber den letzten Bus zu meiner Spätschicht). Ähm, was ich meinte war, dass ich eigentlich am liebsten was von dem Philosophiestudium abbekommen möchte. Also von dem Gelernten, was Sie/du/die Bloggerin/eigentlichpasstduambesten im Umgang mit gesellschaftlichen Konflikten wie bei den frauenunfreundlichen Bauhäusern besser können als ich. Ich gehe in solche Läden halt einfach nicht mehr hin (dafür zur Konkurrenz), wenn mir viermal überdeutlich erklärt wird, wo sich eine Werkzeug befindet, obwohl ich es beim ersten Mal verstand und das rückmeldete. Mir fehlt es dann an dem Verständnis für nachhaltiges, intelligentes Gegenhalten, aufdass sich etwas ändert. Schlimmer geht ja immer …

    Master finde ich, hört sich in Bezug auf das Studium wenig schön an. Das wird dem nicht gerecht, was in dem Studium inhaltlich gelernt, vollbracht und an Kompetenz erworben wurde. Wirkt wie ein Preis an einer Dienstleistung, der wie nach Karl Marx verkehrt, worum es eigentlich geht. Haha, jetzt muss ich wieder rennen … Familienärger bei zu spätem Erscheinen beim Abendbrot. Geht wohl nicht anders. Schönes Weekend

    • Ja, danke für die Erläuterung. Ich glaube, du kriegst automatisch was von meinem Philosophiestudium ab, nur eben eher indirekt und in nichtakademischer Sprache. Man kann das nicht 17 Semester studieren, ohne dass es sich aufs Denken und Schreiben auswirkt, auch wenn man am Ende nicht in jedem Satz Nietzsche erwähnt. Eines der wichtigsten Dinge, die man da lernt, ist meiner Meinung nach, zu sehen, welche Arten von Argumentationen es geben kann: wie sie funktionieren und wann sie angebracht sind, wo ihre Tücken sind und wie man auf Gegenargumente reagieren kann. Das klingt erstmal bisschen leer, ist aber gut gegen Sprachlosigkeit und Verwirrung. Was beides auf Dauer keine schönen Zustände sind. Schönes Wochenende, gleichfalls!

  • Ist die Bloggerin wie die eine literarische Figur nicht auch Philosophin bzw. als solche ge(hoch)schult? Als eine – frag mich gerade, welches Personalpronomen am wenigsten schlecht passt, ach, lieber ein Artikel – der LeserInnen habe ich das oft beim Lesen der Kolumnen, Twitter, Texte über Gleichberechtigung usw. etwas mit im Blickfeld. Aber nicht konkret. Würde mich schon sehr interessieren, wenn ich ab und zu explizit Verweise zu aktuellen philosophischen Streits, Kontexten, Weisheiten … bla, jetzt nich Sofies Welt oder so ja, halt … ok sorry, ich muss rennen, meinen Bus in 14 Minuten bekomme ich sonst nicht mehr. Tschü

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