Der Tag beginnt mit Gertraud Klemm auf dem Blauen Sofa, interviewt von Luzia Braun. Gertraud Klemm ist toll, ich habe sie im Januar mit Fatma Aydemir in Wien interviewt (und Luzia Braun ist auch toll). Hier das Interview.
Klemms Buch heißt „Aberland“ und handelt von zwei Frauen, Mutter und Tochter, die beide auf verschiede Art mit den Rollen hadern, die ihnen zufallen, weil sie Frauen sind. Es geht ums Kinderkriegen, ums Arbeiten und Geldverdienen, ums Wäschewaschen und Windelnwechseln und ums Schönmachen und um Sex und um Katzenkacke im Sandkasten.
Das Interview zum Buch hat sich, wie man so sagt, geil geklickt. Auf der Facebookseite der taz haben es über 1.000 Leute geliked, das ist viel. Es gab aber auch viele negative Reaktionen, Leute, die sich angegriffen fühlten, wie auch schon bei Klemms letztem Roman, „Herzmilch“.
„Ich verstehe, dass diese Frauen sich von mir angegriffen fühlen“, sagt Klemm jetzt auf dem Blauen Sofa, „ich stelle ja ihr Lebensmodell in Frage.“ Sie kommt aber klar mit der Kritik: „Das ist der Preis, den man zahlt, wenn man seine Meinung sagt.“ Sie selbst hat zwei Kinder adoptiert und dabei gemerkt, wie sehr es eine „soziale Mutterschaft“ gibt, die ganz ohne Schwangerschafts- und Geburtshormone auskommt und sie doch so sehr an die Kinder bindet und vom Arbeitsmarkt runterdrängt. „Witzigerweise hab ich auch genau neun Monate gebraucht um mich auf das Tempo einzustellen, das das Kind vorgibt“, erzählt Klemm.
Luzia Braun fragt, was an Klemms „feministischer Unterhaltungsliteratur“ denn genau das Feministische ist. Feminismus hat für sie, sagt Gertraud Klemm, viel mit Wut zu tun. Und mit dem Gefühl, von Dingen auch persönlich angegriffen zu sein. Wobei das, ergänzt sie, auch etwas sehr Österreichisches ist.
Ob „wir Frauen“, fragt Braun, uns jetzt mal aus diesen Erwartungen herauslösen müssten, immer schön und jung und sexuell verfügbar zu ein. Ja, klar, findet Klemm – „aber wenn man sich aus etwas herauslöst, muss man sich auch in etwas anderes hineinbegeben.“ Und wo es wenig befriedigende Alternativen gibt, bleibt man lieber bei alten Rollen. „Männer können berufliche Macht besser konsumieren“, sagt Klemm. „Bei Frauen muss immer Liebe und Zuneigung fließen.“
Das „Aberland“ aus dem Titel des Romans ist für sie die kleine Kapsel der Möglichkeiten für Frauen, die immer sagen müssen: Ich will arbeiten, aber ich hab die Kinder. Ich will weggehen, aber ich hab nachts Angst, wenn ich unterwegs bin. Männer dagegen leben im Wennland: Wenn ich groß bin, dann will ich Raketen steuern.
Nach dem Gespräch kommt ein Mann mit fünf Buchexemplaren zum Signiertisch, Gertraud Klemm unterschreibt alle. Ich frage ihn, für wen die sind. „Für Freundinnen und Bekannte“, sagt er. „Gestern war ich bei Martin Suter, elf Bücher unterschreiben!“ Er lacht und geht, einen großen Rollkoffer hinter sich her ziehend.
Gertraud Klemm: Aberland. Droschl 2015, 184 Seiten, 19 €.