Weiter geht es mit Sibylle Berg, ebenfalls auf dem Blauen Sofa, ebenfalls mit Luzia Braun. Ich hab das neue Buch besprochen, es heißt „Der Tag, als meine Frau einen Mann fand“, hier die Besprechung. Neulich erst war Premiere im Gorki-Theater, da haben wir uns getroffen und es war schön.
„Beziehungsliteratur“ hat mir taz.de in die Dachzeile zur Besprechung geschrieben, und das Neue Deutschland mokierte sich darüber. Na ja.
Luzia Braun fragt, was denn der Unterschied zwischen den beiden Erzählperspektiven im Buch sei: Rasmus, der gescheiterte Regisseur, und Chloe, die Frau an seiner Seite. Er der Mann, sie die Frau. Beide zusammen fahren ihre Ehe gegen die Wand. „Die Unterschiede sind nicht so groß, wie man denken könnte“, sagt Sibylle Berg, „das Paar hat ja einen Grad an Symbiose erreicht wie Hund und Besitzer. Eigentlich geht es denen gut miteinander.“ Aber? „Das Problem ist sexueller Natur.“
„Ich fand Chloe eine sehr traditionelle Frauenfigur“, sagt Luzia Braun, „von der ich eigentlich dachte, dass es die nicht mehr gibt.“ „Ich wollte das erst andersrum schreiben“, erzählt Berg, „also so, dass sie eine erfolgreiche Regisseurin ist, und er der Mann an ihrer Seite. Aber dann hab ich gemerkt: Das ist so unglaubwürdig. Das ist gut für eine Welt in fünfzig Jahren, aber für heute geht das nicht. Ich kenne zwei Fälle, wo der Mann der Frau den Rücken freihält. Und ich kenne hunderte, wo es andersrum ist.“
Was soll das mit den Namen, fragt Luzia Braun. „Rasmus, das hört sich an wie zusammengestauchter Rassismus.“ Der ist halt Finne, sagt Sibylle Berg, oder zumindest fühlt er sich als Finne. Und Chloe? „Chloe hab ich mir immer Sächsisch ausgesprochen vorgestellt“, sagt Sibylle Berg, „Chlöä.“
Sie besteht darauf, dass es den beiden als Paar nicht schlecht geht. „Wenn ich ganz kurz widersprechen darf, die ist nicht frustriert. Die haben einfach ein ganz normales zufriedenes Leben wie wir alle.“ Irgendwer im Publikum steht auf und will gehen. „Jetzt hab ich Sie weggeredet hier“, ruft Berg. „Kommen Sie, bleiben Sie, jetzt geht’s um Sex! Mit allen Körperöffnungen. Und dann nimmt er seinen großen, großen Penis… “ Alle lachen.
„Was wolltest du bei den Sexszenen unbedingt vermeiden?“, fragt Luzia Braun. „‘Meine Knospe schwoll seinem Liebespfeil entgegen‘“, sagt Sibylle Berg, „sowas wollte ich nicht. Aber vulgär sollte es auch nicht sein. Auch nicht: ‚Fick mich mein Knecht‘. Das wollte ich auch nicht. Ich hoffe, es ist was dazwischen geworden.“
Neben all dem Sex und Witz und der Boshaftigkeit sei aber auch Vergänglichkeit ein sehr wichtiges Thema für Sibylle Berg, findet Luzia Braun. „Ab wann hat dich das Thema beschäftigt – schon als du klein warst?“ Ja, sagt Sibylle Berg. „Mit fünf schon, als ich Edgar Allan Poe gelesen hab.“ „Mit fünf hast du Edgar Allan Poe gelesen?“ – „Ja, was hast du denn gelesen mit fünf? Nee, im Ernst, es kann immer vorbei sein. Die Endlichkeit ist immer dabei.“
Und dieses Twitterzeug? Warum bist du immer online, fragt Luzia Braun. „Hast du nicht das Bedürfnis nach Ruhe?“ Nö, sagt Sibylle Berg. Sie kann eh nicht acht Stunden am Tag durchschreiben. „Stell dir vor, man müsste spazieren gehen, um abzuschalten. Ich geh halt im Intenet spazieren. Ist doch besser.“
Am Ende findet Luzia Braun noch Sibylle Bergs Schuhe komisch. Dicke, schwarze Stiefel. „Du bist ja schon bisschen ne Kunstfigur, oder?“ Ja, sagt Sibylle Berg. „Das ist alles Plastik. Also die Beine, die sind aus Metall.“ – „Wie wichtig ist es dir, so auszusehen?“ – „Ich seh so aus. Ich bin mit diesem Gesicht geboren und mit diesen Haaren. Und ich vermeide es Farben anzuziehen.“
„Sie haben gesehen“, sagt Luzia Braun, „Sibylle Berg wird immer als gnadenlos beschrieben, aber in Wirklichkeit ist sie lieb.“ „Nein“, sagt Sibylle Berg. „Ich bin böse.“