Heute ist hier im Blog Blaues-Sofa-Tag. Nicolas Mahler ist mit „Lulu und das schwarze Quadrat“ zu Gast auf dem Blauen Sofa. Dachte ich. Wünschte ich. Also ich um 17:30 Uhr am Sofa ankomme, läuft das Gespräch aber nur noch ganze acht Minuten, irgendwie wurde früher angefangen und dann auch entsprechend früher aufgehört, dafür gibt es hinterher Wein und Brezeln, und so verfressen und versoffen ich bin, ich hätte lieber mehr von Mahler gehört, weil Wein und Brezeln haben wir am taz-Stand auch selber.
So kriege ich nur wenig mit, Mahler redet ein bisschen über sein Malmaterial, und über Charlie Hebdo und Meinungsfreiheit. „Es ist einfach ein Fakt, dass viele Leute Zeichnungen gar nicht entschlüsseln können“, sagt er, und: „Der Mut hinter solchen Zeichnungen ist auch, dass man völlig falsch verstanden werden kann.“ Die Zeitungsredaktionen hätten zu wenig Vertrauen in Zeichner, die politisch zeichnen.
Mahler sieht aus wie Brecht. Finde ich. Ein bisschen. Oder? Finde schon. Na ja. Egal. Er zeichnet unter anderem Literaturadaptionen, es gibt von ihm schon „Der Mann ohne Eigenschaften“ und „Alice im Wunderland“ (bzw. bei ihm „Alice in Sussex“) und „Alte Meister“ in Comicform, und jetzt neu: „Lulu und das schwarze Quadrat“, nach Wedekind. Lulu wird gemalt, ihr Mann platzt rein, er stirbt an einem Herzanfall. Das ist sehr schlicht und sehr, Achtung, haha, mahlerisch. Am Ende trifft sie, blöde Sache, Jack the Ripper. (Hier ist ein schönes Porträt von meinem Kollegen Michael Brake über Mahler.)
Außerdem hat Mahler einen neuen Gedichtband, und den finde ich fast besser als Lulu, er heißt „dachbodenfund“. Oder nein, ich finde ihn nicht „fast besser“ als irgendwas, ich finde ihn ganz, ganz wunderbar.
Die Gedichte sind, schreibt der Verlag, „aus dem Wortschatz alter Spielzeugauktionskataloge montiert“. Sie gehen so:
zwerg puck
grün
gelb
roter
filzanzug
gelbe
plüsch
mütze
langer
weißer
bart
stark
abgeliebt
tanzfigur
clown
mit geige
dreht beim aufziehen
etwas durch
1 plastikschuh
fehlt
hund als handtasche
selten
Das ganze Buch geht so. Ich bin ein bisschen verliebt in dieses Buch. Es geht um Vergänglichkeit, sagt der Moderator auf dem Blauen Sofa. Ja, sagt Mahler, die Kinder, die das angefasst haben, sind wahrscheinlich heute schon dement.
Ich muss die Tagesspiegel-Print-Beilage zur Buchmesse finden, Mahler hat sie bebildert.
Mahler/Wedekind: Lulu und das schwarze Quadrat. Suhrkamp, 139 Seiten, 12 €
Mahler: dachbodenfund. Luftschacht Verlag, 96 Seiten, 14,50 €