vonMargarete Stokowski 22.10.2016

Buchmesseblog

taz-Autor*innen bloggten live von den Buchmessen in Leipzig und Frankfurt. Ein Schmöckerladen für Buchliebhaber*innen.

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Buchmesse-Samstag und endlich mal Zeit um über andere Bücher zu reden: zwei Bücher, von denen ich dachte „Jemand müsste mal so ein Buch schreiben“, beide sehr unterschiedlich. Das eine ist „Ein Zimmer im Hotel“ von David Wagner (Rowohlt) und das andere „Vergewaltigung“ von Mithu Sanyal (Edition Nautilus).

David Wagner habe ich vor fünf Jahren kennengelernt, weil er mir eine lustige Facebooknachricht geschickt hat, da wusste ich noch gar nicht, was für schöne Bücher er schreibt. Ich glaube, ich hab ihn seit da bei jeder einzelnen Buchmesse getroffen und dazwischen meistens an Orten, an denen es viel Weißwein gab. Zwischen diesen Treffen scheint David die meiste Zeit in Hotelzimmern verbracht zu haben, anders ist das Zustandekommen von „Ein Zimmer in Hotel“ nicht zu erklären. Es ist eine Art Tagebuch, geschrieben in sehr vielen verschiedenen Hotelzimmern an sehr verschiedenen Orten.

Ich dachte neulich erst, als ich in einem Kölner Hotel untergebracht war, das aussah wie ein buddhistischer Edelpuff – alles gold-rot mit Buddhastatuen um einen Whirlpool herum – , ich würde gern mal ein Buch über diesen Quatsch in Hotels lesen, wie zum Beispiel: Duschhauben. Ich kenne niemanden, der oder die diese Dinger benutzt, und sie liegen in jedem Hotel-Badezimmer. Seife verstehe ich. Duschhauben nicht. Es gäbe so sinnvolle Dinge, die man in so ein Bad legen könnte: Aspirin, Kondome, Zahnbürsten, alles das, aber nein, es gibt Duschhauben.

David Wagner jedenfalls hat also dieses Buch geschrieben und guckt sich darin sehr gründlich da um, wo man oft nur kurz zum Schlafen ist. Er macht sich Gedanken über Wanddekoration und Kunstwerke an Zimmerwänden („Muss ich das nun interpretieren?“). „Zierkissenpest im Zimmer 216“, schreibt er in Salzburg. Mal schämt er sich fürs Seifeklauen aus einem Wagen auf dem Flur (schon Schlimmeres erlebt, David!), mal findet er in einem kathedralenartigen Zimmer in Venedig mit Ölgemälden und Wandteppichen einen Ikea-Sessel. Ein Hotel in Bologna sieht für ihn aus „wie ein Hotel, in dem ein Verbrechen passieren könnte“, und er stellt fest: „Italien kann auch das hässlichste Land sein.“ Und in einem Hotel in Frankfurt schreibt er: „Der Zugang zum Internet soll eine Extra-Gebühr kosten, ich verstehe das nicht. Wieso wird dann nicht auch fürs Fernsehen Geld verlangt?“

Manchmal ist das auch ziemlich lustig: In einem der Hotels hängt ein Zertifikat, das bescheinigt, dass im Leitungswasser keine Legionellen sind. „Diese Unbedenklichkeitserklärung macht mir Angst. Ich lasse das Wasser nun extra lange laufen und bilde mir trotzdem einen leichten Brechreiz ein. Putze mir mit Mineralwasser die Zähne.“ Er stellt fest, dass Hotels, in denen Bleistifte auf dem Zimmer liegen, meist besser sind als die, in denen ein Kugelschreiber liegt. Die Zimmer mit Bleistiften haben oft Holzböden, die anderen Teppichböden. (Dem muss ich ein bisschen widersprechen. Im August war ich in einem Hotel in Helsinki, dessen Namen ich hier nicht verraten werde, aber es war das beste Hotel überhaupt und es gab Kugelschreiber. Außerdem werden jetzt, wo David dieses Buch geschrieben hat, wohl nicht wenige Billighotels eine Tausenderpackung Bleistifte kaufen und naja…)

Ich wollte David noch fragen, ob sich einige der Hotels, die er da beschreibt, inzwischen bei ihm gemeldet haben. Hab ich vergessen. Außerdem hab ich das Wort „Frontispiz“ neu gelernt.

Ein Buch, aus dem man sehr andere Dinge lernen kann, ist Mithu Sanyals Buch „Vergewaltigung“, und das werde ich hier nicht ausführlich beschreiben, weil es inhaltlich gerade nicht in meine halbverkaterte Stimmung passt, aber so viel: ein unglaublich gutes und wichtiges Buch. Während ich mein Buch, „Untenrum frei“, geschrieben habe, dachte ich: Jemand müsste mal etwas schreiben, das so eine Art Kulturgeschichte sexualisierter Gewalt wäre: Wie wird über diese Dinge geredet, welche Mythen gibt es darüber, welche Bilder verbinden wir damit, wie hat sich das über die Zeit geändert? Ich hätte es nur nicht selbst schreiben wollen und Mithu Sanyal hat das gemacht.

Ich wusste nichts von dem Buch, bis im Missy Magazine im September eine Anzeige und Postkarte von meinem Buch drin war und auf der Seite gegenüber war ein Text über Mithu Sanyals Buch und ich dachte: Oh, das ist das, was ich wollte. Mithu und ich wurden dann von der Zeit und von ZDFneo in den letzten Wochen zusammen interviewt. Wie cool sie ist! Beim Lesen von ihrem Buch hab ich auf jede zweite Seite ein Post-it geklebt. Danke dafür.

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https://blogs.taz.de/buchmesse/2016/10/22/gute-buecher-danke-dafuer/

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