Hallo. Das ist meine erste Buchmesse.
Ich bin 34 Jahre alt und war bis Freitagabend auf der Frankfurter Buchmesse 2018, oder #FBM18, wie ich sage, weil mein Referenzsystem eher Instagram als das Gespräch ist.
Der Aufwand, einen Messestand aufzubauen, ist etwa vergleichbar mit dem Umzug einer 3-Personen-WG. Kolleginnen sind einen Tag lang mit einem Sprinter durchs Land gegurkt, dann haben wir zwei Tage lang aufgebaut, ich verkündete in den sozialen Medien, dass der taz-Stand nach 38 Jahren Frauenquote im Betrieb von einem reinen Frauenteam aufgebaut worden war.
Dann ging’s los mit Buchmesse. Meine erste. Nicht wegen meiner Debüt-Graphic-Novel da zu sein, verwunderte mich kurz, aber dann fiel mir wieder ein, dass „Unzucht und Abkehr“, die unglaubliche Geschichte eines Kindes, das in einer Ritterburg aufwächst und von Interpol gesuchte Betrüger als Babysitter hat, ja plangemäß erst 2034 erscheinen wird, zu meinen 50. Geburtstag. Früher arbeitete ich oft als Messe-Hostesse, deswegen kann ich mitteilen, dass die Besuchenden der #FBM18 im Vergleich zur CeBIT, Hannover Messe, Invest oder „Jagd und Hund” richtig nett sind. Falls Sie da waren: Kompliment! Weitere Unterschiede zu anderen großen Messen: Abwesenheit von teuren Anzügen und Show-Elementen. Fredi Bobic erzählt nichts über Altersvorsorge mittels Multi-Asset-Investments. Und ich habe überhaupt keine Werbegeschenke dabei.
Wegen meines aktuellen Jobs als Social-Media-Redakteurin oder kurz und uncool „Tätigkeitsbereich SozMed” saß ich allerdings viel „hinter der Bühne“, belauschte Veranstaltungen wie „DDR, mon amour“ oder „Werte Georgiens“ auf der Leseinsel der unabhängigen Verlage, die direkt neben dem taz-Stand aus etwas herausragen will. Sowas nervt mich immer: Insel. Inmitten von was? Einem Meer von Büchern etwa? Können wir das noch ausgenudelter verbildlichen?
Die Rettungsschwimmerin schleppt den von bedrucktem Papier bedeckten und nur noch schwach röchelnden Besucher der #FBM18 an den Strand der Leseinsel. Durch seine bläulichen Lippen, die wie zwei Gorgonzola-haltige Nacktschnecken einander an Mund und Anus festhaltend aussehen, haucht er: „zu … viele … Messestände … mit … Büchern … brauche … Pause … davon.” Verstehen Sie? Insel impliziert zu viel Drastik und diese sprachliche Unsensibilität halte ich der #FBM18 für unangemessen.
In einer Welt voller Marketing-Aktionen plädiere ich für Orte der Ruhe: eine podestlose Bühne mit acht Bänken wäre etwa auch ohne Namen absolut benutzbar. Die unabhängigen Verlage könnten sich eine gemeinsame Fläche für Veranstaltungen gönnen, die „Bühne 1“ heißt oder „blaues Quadrat im Hallenplan“. Anyways.
Einmal stand Deniz Yücel plötzlich vor mir, als sei dies ein Thriller mit gewollt verblüffenden Wendungen. Deniz wegen wünschte ich einst, bei der taz arbeiten zu dürfen und ich habe es ihm immer persönlich sagen wollen: als er Kollege war, während seiner Abschiedsfeier, als er zur Welt wechselte, als er in Gefangenschaft war, in diesem Moment. Aber warum andere Menschen damit belasten, dass sie einem auch als Symbol gelten? Dann kann man sich danach nicht mehr anständig unterhalten. Das war jedenfalls ein ganz ganz schöner Moment und ich bin froh, dass es diesen plötzlich gab.
Ich hab also geschleppt, aufgebaut, mir so meine Gedanken zum allgemeinen Zustand der Welt gemacht und Deniz Yücel getroffen, aber: Der Hauptgrund, warum ich zur Buchmesse wollte, war natürlich die irrige Annahme, da bekäme ich Bücher geschenkt, weil ich für eine Zeitung arbeite.
So, Fazit: die CLV, Christliche Literatur Verbreitung, schenkte mir eines auf der Treppe Richtung S-Bahn, darin lese ich, dass Gott mich nicht drängt, eine Beziehung mit ihm einzugehen, denn er kann warten und möchte, dass unsere Beziehung von Liebe geprägt ist und ich denke: Yoooo, so mache ich das auch mit Dingen, die ich in meinem Leben haben möchte: Ich lasse sie langsam rankommen, und bin plötzlich zufrieden damit, mir keine Schrottbücher nach Hause zu tragen, sondern mir die, die ich will, von meinem mageren taz-Gehalt zu kaufen, denn das sind sie mir wert wie L’Oréal-Pflegespülung.
DONATA KÜNßBERG, taz-Mitarbeiterin