vonFalk Madeja 20.09.2010

taz Blogs

110 Autor*innen | 60 Blogs
Willkommen auf der Blogplattform der taz

Mehr über diesen Blog

Gemischte Gefühle plagen mich, wenn ich am Montag die Schlagzeilen rund um Ajax Amsterdam lese. Gestern haben wir in Amsterdam am Rembrandtplein gesehen, wie Ajax in Rotterdam gegen Feyenoord in einem teilweise harten Derby (paar mal Rudelbildung) 2:1 gewann – der Sieg hätte viel höher ausfallen können, es gab noch ein halbes Dutzend Chancen.

Feyenoord kann zur Zeit (und das noch Jahre) kaum Widerstand bieten, 36 Millionen Schulden, kein Geld für Transfers – sieben Spieler aus der eigenen Jugend standen auf dem Feld. Und auf der Tribune stand mit schmerzhaftem Gesicht ein Mann namens Leo Beenhakker (früher auch mal Ajax-Trainer und heute soll er für Feyenoord Spieler einkaufen, allerdings ist die Kasse total leer). Immerhin will Feyenoord ein neues Stadion bauen, für 70.000 Zuschauer, vielleicht 80.000. Die Pläne werden dieser Tage präsentiert.

Bei Ajax sieht die Sache nicht ganz so schlimm aus. O.k. – vergangenenes Jahr 21 Millionen Euro Verlust, o.k. – vergangene Woche eine chancenlose Niederlage bei Real Madrid. Aber immerhin spielen bei Ajax auch Leute wie Suarez und El Hamdaoui und ein paar andere Talente – und Ajax steht an der Tabellenspitze. Mein Tipp: das Team von Trainer Martin Jol wird dieses Jahr zum ersten Mal seit 2004 Meister.

Aber es gibt einen Mann, der äusserst unzufrieden ist. Und, das ist natürlich ein Problem, der Mann heisst Johan Cruijff. Und der schiesst am Montag in seiner Kolumne in “De Telegraaf” gegen Ajax eine volle Breitseite ab. Wenn es an ihm liegt, dann werde die gesamte Ajax-Leitung gefeuert. Aufsichtsrat Uri Colonel, Direktor Rik van den Boog und Trainer Martin Jol – die müssten alle weg. Das ist irgendwie so, als wenn Franz Beckenbauer in Bild schreibt, dass beim FC Bayern München Louis van Gaal, Karl-Heinz-Rummenigge und Uli Hoeness rausgeworfen werden müsste. Wofür es natürlich keinen Anlass gibt, denn der FC Bayern macht jedes Jahr Gewinn und Ajax jedes Jahr Verlust.

Vielleicht fing das Ajax-Unglück Mitte der 90er an. Ajax spielte noch im Klitzeklein-Stadion De Meer und im Europapokal im Olympiastadion. Ich habe noch gesehen, wie Ajax-Trainer Louis van Gaal Journalisten zusammenfaltete, gegen den FC Bayern 5:2 gewann und schliesslich die Champions League eroberte. Finale in Wien, und als sie zurückkamen, drehte das Flugzeug ein paar Runden über unseren Köpfen. Dann folgten Börsengang und der Bau des neuen Stadions, der Arena. Das Personal wuchs von einem Dutzend auf gefühlte 200 – und konnte national ab und zu was reissen und international so gut wie nichts mehr. So ungefähr 200 Mal musste der Rasen ausgewechselt werden, denn das Stadion ist offensichtlich eine Fehlkonstruktion. Es ist in etwa so wie die Arena auf Schalke, aber der Rasen kann nicht rausgerollt werden und wei zu wenig Licht an die Pflanzen kommt sterben sie immer wieder ab.

Johan Cruijff urteilte gnadenlos, dass die heutige Mannschaft die “schlechteste seit 1965” (meinem Geburtsjahr) sei, gegen Real Madrid hätte man “8- oder 9:0” verlieren können. “Der Fußball und die Einstellung” seien “Nichts” gewesen. Ein Schuss aufs Tor, die Spieler könnten den Ball “keine dreimal hinterinander zuspielen”.

Er ist, das gibt er zu, stinkend sauer. Das alles “ist kein Ajax mehr”. Und dann rufe “Direktor Rik van den Boog, dass die Ausbildung prima ist, werden drei dieselben Typen Angreifer gekauft und gibt es keine Aussenspieler mehr”. Ja, und Aufsichtsrat Uri Coronel habe zwei vor zwei Jahren noch eine finanzielle Analyse gemacht und sei nichts passiert (21 Millionen Euro Schulden in einem Jahr). Über Martin Jol lese ich nichts konkretes, aber – steht auf der Titelseite – müsse auch weg. “Mit dem Besen durch Ajax” heisst es da.

Cruijff erwähnt noch einmal, dass er vor einigen Jahren selbst die Jugend-Ausbildung erneuern wollte – der ganze Reformeifer von ihm dauerte übrigens nur ein paar Wochen. Ich erinnerte mich, wie die Fan-Vereinigung sich über ihn lustig machte. Am Anfang ihres Programm-Heftes (was nicht das offizielle ist) wird Johan Cruijff begrüßt und am Ende gleich wieder verabschiedet. “Es waren ein paar schöne Wochen”, höhnten die Fans. Johan Cruijff sagt nun noch einmal, ja, die damals Verantwortlichen wollten ja seine Pläne nicht ausführen. Worin die genau bestanden, weiss eigentlich kaum jemand.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/chaos_bei_ajax/

aktuell auf taz.de

kommentare