vonJakob Hein 22.12.2009

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Wir machen Musik!

Kollege Heiko Werning hat zurecht darauf hingewiesen, dass der wichtigste Grund, dass die so genannten Klimaskeptiker pausenlos überall eine Stimme erhalten, wohl eine eingeschliffene Pro-Contra-Kultur ist, die überaus mächtige Konvention, dass man zu jeder Stimme auch eine Gegenstimme präsentieren muss. Andererseits ist das wohl nur halb richtig. Wenn die Malediven, Tuvalu und die östlichsten Viertel von Shanghai im Meer versunken sind, dann wird es wohl schwer, einen Klimaskeptiker vor die Kamera zu bekommen. Dass diese Menschen so laute Stimmen für ihre so dünnen Argumente bekommen, hängt mit Sicherheit auch damit zusammen, dass ihre Meinung gern finanziert wird. Als Vollpfosten mit einer absurden Meinung musste man früher mit Transparenten durch die Fußgängerzonen ziehen, heute bekommt man dafür ein gutes Gehalt, Einladungen, Fernsehauftritte und einen Anzug. Die Zeiten haben sich geändert.

Aber es gibt noch einen anderen Grund: Wir wollen so gern glauben, was diese Menschen uns da erzählen. Wir wollen gern glauben, dass es kein Problem ist, wenn wir zehn Mal im Jahr in den Kurzurlaub fliegen, wir wollen gern glauben, dass wir jeden Tag Fleisch essen können, wir wollen gern glauben, dass wir mit einem gigantischen Auto über die Autobahn heizen und dabei die Klimaanlage laufen lassen können, um hinterher unterm Heizpilz Wasser aus Neuseeland zu trinken. Wir wollen doch gern hören, dass das, was wir tun, letztendlich in Ordnung ist, gerade weil wir ahnen, dass es zu schön ist, um wahr zu sein. Jetzt kommen ja auch die Bücher heraus, die klarstellen, dass Übergewicht im Grunde ebenso gesund wie Alkohol ist, wenn man sich nur die Zahlen in Ruhe ansieht.

Es ist der vielfach gerühmte Klang des Titanic-Bordorchesters, der süß in unseren Ohren klingt, wenn sich die Wasserlinie langsam und schräg auf den Bullaugen abzeichnet, wenn uns der Drink auf dem Tisch zu verschütten droht, und wir ihn deswegen lächelnd in uns hineinkippen.

Ich werden im neuen Jahr die Agentur für außergewöhnliche Meinungen gründen. In der AfaM vermitteln wir Diskutanden für alle möglichen Arten von Problemen. Neben ein paar Klimaskeptikern und Kreationisten wollen wir auch Menschen in Talkshows bringen, die nicht dem Mainstream folgen, wenn es um die Frage geht, ob Kinder durch Geschlechtsverkehr verursacht werden. Wir wollen einen neuen Schwung in die deutsche Diskussionskultur bringen. Melden Sie sich, wenn Sie überzeugend die Meinung vertreten können, dass nicht Waffen Menschen töten, sondern nur Menschen Menschen töten. Rufen Sie an, wenn Sie auch die Nase voll davon haben, dass Ärzte, Priester und Politiker uns immer einreden, man müsse am Ende des Lebens sterben. Hallo? Hal-lo? Ich meine, merkt noch überhaupt irgendeiner etwas? Daran verdienen die Firmen und die Krankenhäuser und die ganze Industrie das ganze Geld! An so genannten Krankheiten, Platzwunden und Lebensversicherungen. Wenn man das alles konsequent nicht machen würde, keine Impfung, keine Sicherheitsgurte, keine Winterjacken, dann würde man einfach ewig leben. Das ist ein Fakt! Wird zwar totgeschwiegen, aber es – ist – so!

Und dass die Erde sich um die Sonne dreht. Ich meine, da muss man ja nur einen Tag lang aus dem Fenster gucken, um zu sehen, dass das Quatsch ist. Melden Sie sich bitte bei der AfaM, wenn Sie bisher den ganzen Tag aus dem Fenster gesehen haben. Wir bringen Sie da weg.

AfaM – neue Meinungen für ein neues Deutschland.

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