Als sich vor mehr als dreißig Jahren Comicautor und -zeichner Frank Miller mit The Dark Knight Returns daran machte, den Batman-Mythos auf eine sehr eigenwillige und unkonventionelle Weise neu zu erzählen, da war gerade Ronald Reagan als Präsident der Vereinigten Staaten im Amt bestätigt worden. Ein Mann, der sich insbesondere durch starke Sprüche auszeichnete und um die Bedeutung öffentlicher Medienauftritte in einer präsidialen Demokratie sehr genau Bescheid wusste. Der heutige Präsident der USA verfügt ganz bestimmt über kein diplomatischeres Naturell als der damalige Amtsinhaber, und im Kampf um die Deutungshoheit im öffentlichen Raum scheint auch er immer einen Schritt weiter zu sein als seine Gegner. Karl Marx‘ kryptisch anmutende Sentenz, dass sich Geschichte stets als Farce wiederhole, versteht sich unter solchen Umständen plötzlich wie von selbst. Es stellt sich daher die Frage, ob Miller, Co-Autor David Azzarello und Zeichner Andy Kubert mit der Fortsetzung The Dark Knight III über die Welt diesseits und jenseits des Superheldenkosmos noch etwas neues zu erzählen haben oder ob die Weiterführung der wohl bedeutendsten und auch jenseits des klassischen Comicpublikums anerkannten Batman-Reihe irgendwann einmal selbst zur Farce geraten muss.
Wem eine solch einleitende Bezugnahme zu historischer und zeitgenössischer Tagespolitik für die Besprechung eines Superheldencomic etwas weit hergeholt scheint, sei kurz noch gesagt, dass der erste Teil der Reihe aus dem Jahre 1986 eine mehr als nur angedeutete Kritik an Reagans außenpolitischen Hasardeurentum enthielt und wohl auch deswegen weltweit gefeiert wurde. Der Auftritt von US-amerikanischen Politik- und Mediengrößen zieht sich ebenso durch die vorliegende Fortsetzung der Saga um den Dunklen Ritter. Dabei erweist sich Frank Miller ein weiteres Mal als skeptischer Beobachter der Wechselwirkung von Politik und Medien, etwa wenn ein aufgebrachter Mob den Kopf Batmans fordert und eine namenlose, aber Donald Trump wie aus dem Gesicht geschnittene Figur dieser Hetzjagd per Fernsehansprache indirekt seinen Segen erteilt. Die im Comichelden- und Abenteuergenre doch sonst recht belastbare Grenze zwischen Fakt und Fiktion, Phantastischem und Realistischem wirkt an solch einer Stelle zum Zerreißen dünn.
Doch wer jagt eigentlich warum nach Batmans Kopf? Eine Sekte von Kryptoniern (Krypton war Supermans Heimatplanet) bedroht die Erde, und weil Superman aus verschiedenen Gründen zunächst indisponiert scheint, muss der gealterte und gebrechliche Bruce Wayne ins Batmankostüm schlüpfen und den Kampf gegen die mit Superkräften ausgestatteten Fanatiker anführen. Um den Widerstand zu brechen, fordern die Angreifer die Auslieferung Batmans und drohen ansonsten mit der Zerstörung des Planeten Erde.
Nicht immer schließt der äußere Feind die inneren Reihen einer Gemeinschaft, v.a. wenn dieser über alle Trümpfe zu verfügen scheint und ein (Menschen-)Opfer die Gefahr zu bannen vermag. Doch wo dem Mann im Fledermausanzug die (meisten) Normalsterblichen die Unterstützung versagen, da stehen ihm zahlreiche Superhelden wie Wonderwoman, Green Lantern, The Atom und schließlich auch Superman zur Seite. Tatsächlich gerät der Comic mit zunehmender Handlung aufgrund der zahlreichen Auftritte von Heroen aus anderen Serien zum Mega-Crossover. Solche ›Gastauftritte‹ befreundeter Helden erfolgen nicht zuletzt auch aus Marketinggründen und sind Teil des Corporate Design der US-amerikanischen Comicverlage DC und Marvel. Es gilt dabei, den/die Leser*in auch auf andere Serien des jeweiligen Verlages aufmerksam zu machen und über die Herstellung einer Äquivalenz (Superheld*in A und Superheld*in B gegen Antagonist*in X) neue Identifikationspotenziale auszuschöpfen. Die Zusammenarbeit der zahlreichen Heroes in The Dark Knight III hat jedoch tiefer liegende Motive als dasjenige der schnöden Leserbindung. Es geht wohl um nichts weniger als eine Neubewertung des Superheldengenres im fortgeschrittenen »postheroischen Zeitalter«.
Dieser Begriff ist meines Wissens nach vor etwa zehn Jahren von dem Geschichts- und Politikwissenschaftler Herfried Münkler in die identitätspolitische Debatte geworfen worden. Er hätte aber auch schon bei Erscheinen von The Dark Knight Returns vor etwa dreißig Jahren verwendet werden können. Miller überführte damals ganz bewusst das zyklische Modell der erzählten Zeit des Batman-Kosmos in ein lineares: Bruce Wayne wurde älter, zeigte sich äußerlich wie innerlich verletzlich, und da schließlich auch sein Tod in die Nähe des Möglichen rückte, stellte sich die Frage, wer bzw. ob überhaupt jemand nach ihm kommen sollte. Statt der seriellen, d.h. wiederholenden Bestätigung des (alten) Mythos – der Rächer des Guten siegt über den bösen Feind – sondierte der Autor kontingentes Terrain und entzog Batman kurzerhand seinen Heldenstatus. Und auch in der vorliegenden aktuellen Fortsetzung der Dark Knight-Reihe brechen Autoren und Zeichner bewusst mit Konventionen des Genres, zu denen auch eine relative Zurückhaltung bei der Darstellung von Gewalt, insbesondere deren Folgen, gehört: Stattdessen werden Körper durchlöchert, zertrümmert, zerstückelt und zerquetscht, wie es in einem ›normalen‹, monatlich erscheinenden Batmanheft kaum möglich wäre. Viel Blut wird fließen, und zwar insbesondere das der scheinbar so unverwundbaren Superhelden.
Wenn dieser extrem hohe Blutzoll aber nicht mehr bedeutet als ein weiteres selbstreferentielles Spiel mit den Dos und Dont’s des Genres, bliebe das Ganze tatsächlich eher eine Farce. Allerdings hat Frank Miller zu alter Stärke zurückgefunden und mit The Dark Knight III einen Batmancomic geschaffen, der so politisch scheint wie schon lange nicht mehr. Während bereits die ersten Seiten der Erzählung explizit Bezug nehmen auf die aktuellen Debatten um Rassismus und exzessive Polizeigewalt in den USA, kommt den fanatisch-religiösen Kryptoniern die Rolle des verworfenen Anderen einer Gesellschaft zu, in der Helden gar nicht mehr zählen sollen: Auch die liberale und (welt-)offene Gesellschaft wird wohl nicht alle von ihren Vorzügen überzeugen können und produziert aufgrund ihrer kulturellen Dominanz ihre Feinde (Identitäre, religiöse Fundamentalisten, Waffenfetischisten, Maskulinisten usw.) förmlich wie von selbst. Um sich vor solch inneren wie äußeren Bedrohungen zu schützen, benötigt selbst der Postheroismus ein Mindestmaß an Entschlossenheit, Opferbereitschaft und damit nichtzuletzt eben doch – wenn auch ambivalent besetzte und in ihren Motiven zu hinterfragende – Helden.
Frank Miller, Brian Azzarello, Andy Kubert u.a.: Batman, The Dark Knight III – Die Übermenschen, übersetzt von Bernd Kronsbein, Panini Comics (DC) 2018.´Softcover, 380 Seiten. ISBN: 978-3-7416-0735-6