vonMario Zehe 08.11.2023

[ˈkɒmik_blɔg]

Der Comic – einst das Schreckgespenst des Bildungsbürgers, heute dagegen der (heimliche) Liebling des Föjetong.

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Seit nun mittlerweile zwei Wochen ist der vierzigste Band aus der Asterix-Reihe erhältlich. Angesichts einer Startauflage von mehr als fünf Millionen Exemplaren ist auch das Feuilleton in Funk und Presse zum Erscheinungstermin eifrig dabei, den neuen Band zu sichten und zu bewerten. Seit 2013, als Jean-Yves Ferri (als Szenarist) und Didier Conrad (als Zeichner) die Serie von Albert Uderzo übernahmen, fielen die Kritiken eher durchmischt aus. Während sich die einen den anarchischen Humor des Asterix-Erfinders René Goscinny zurückwünschten und den im Vergleich zu früheren Heften fehlenden Detailreichtum beklagten, meinten andere, die beiden Comicmacher würden an die Qualität der frühen Bände anknüpfen und den Asterix-Kosmos dabei behutsam modernisieren. Für das ganz neue Abenteuer, das anstatt von Ferri diesmal von Comiczeichner und -autor Fabcaro getextet wurde, gibt es dagegen bisher fast ausschließlich Lob.

Es geht darin um einen politischen Berater Caesars namens „Visusversus“ [!], der mit einer Mischung aus positivem Denken und Gesundheitsbewusstsein den aufgrund ständiger Eroberungskriege ermatteten römischen Soldaten wieder Moral und Kampfgeist einhauchen will. Zugleich erkennt er, dass sich mit dieser Methode, die er „Die weiße Iris“ nennt, auch die Widerstandskraft der renitenten Gallier um Asterix & Co. erlahmen lassen könnte. (Der sich hier auftuende Widerspruch in der Zielsetzung seiner Methode wird übrigens im weiteren Verlauf der Handlung nicht wirklich aufgelöst.) Nun ja, jedenfalls folgt auf das Gesagte sobald das Getane: Visusversus schleicht sich in das gallische Dorf, umschmeichelt dessen Bewohner und predigt gewaltfreie, achtsame Kommunikation und Fleischverzicht. Und zwar mit der Wirkung, dass nicht nur die Dorfbewohner ihre Neigung zur handfesten Austragung von Meinungsverschiedenheiten vergessen, sondern auch der ewige Buhmann und Prügelknabe Troubadix und die sonst arg unter Stress gesetzten Wildscheine sorglos und unbekümmert ihrer Beschäftigungen nachgehen können. Nur Miraculix und Asterix ahnen, dass hinter dem Agieren des römischen Gurus und dem veränderten Verhalten der Dorfbewohner eine feindliche Absicht stehen muss.

Wie man es auch aus anderen Bänden kennt, greift also DIE WEISSE IRIS mit der Melange aus Achtsamkeit und Positiver Mentalität ein strittiges gesellschaftspolitisches Thema auf: Seit längerem stehen achtsames und positives Denken im Verdacht, eine manipulative Methode zu sein, mit der sich im Sinne von Herrschaftserhaltung und Machtsicherung bösartige Absichten verschleiern sowie gesellschaftliche Konfliktlagen und Machtverhältnisse verunklaren lassen. Mit dieser Form der – durchaus berechtigten – Ideologiekritik hat Fabcaros Geschichte aber rein gar nichts gemein. Positives Denken führt ihm zufolge geradewegs in die „Verweichlichung“, dies- und jenseits der Palisaden des gallischen Dorfes. Das gefällt den Kritikern, vor allem denen der konservativen Gazetten Die Welt und NZZ, die ernsthaft behaupten, im neuesten Asterixband werde mit Wokeness und politischer Korrektheit abgerechnet.

Woke, im Sinne von wachsam gegenüber politischen und sozialen Missständen, sind aber weder Visusversus noch die von ihm bekehrten Gallier bzw. Römer. Diese erscheinen vielmehr als ein Haufen selbstbezüglicher Hippies, die nun auch weniger aus weltverbessernden Motiven denn aus Gründen der Selbstoptimierung vegetarisch-regionaler Kost frönen. Letztendlich scheitert der Anspruch der beiden Comicmacher, Tendenzen gesellschaftlicher Regression spöttisch zu beschreiben und karikieren, weil die Geschichte selbst aus den Stereotypen- und Klischeevorrat der Regressiven zurückgreift. Bei alledem bleibt immerhin anzuerkennen, dass sich Fabcaro und Conrad hinsichtlich ihres Gespürs für Wort- und Bildwitz nicht vor ihren großen Vorgängern verstecken brauchen, und trotz aller Befürchtungen gibt es auch im neuen Asterixband wieder Prügelorgien epischen Ausmaßes.

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