Im Zustand einer völligen Ermattung, verbunden mit Angstgefühlen und schierer Verzweiflung beim kleinsten Gedanken an den Arbeitsplatz, zeigt sich endlich klar und deutlich, was sich vielleicht schon über einige Zeit in zunehmender Gereiztheit, sozialem Rückzug und der Vernachlässigung eigener Bedürfnisse schrittweise ankündigte. Unter dem Begriff „Burn-Out“ lassen sich verschiedene körperliche und mentale Reaktionen in beruflich bedingten Krisensituationen versammeln.
Es handelt sich dabei um keine eigenständige psychische Erkrankung, sondern um ein Symptombündel (Syndrom), dessen rasant angewachsenes Aufkommen in einer Vielzahl von Abhandlungen beschrieben wurden, die von der prinzipiellen Infragestellung des Burnout-Syndroms als vom Zeitgeist getragenen „Modediagnose“ bis hin zur individuellen Ratgeberliteratur reichen. In der werden dann Achtsamkeit und eine ausgewogene Work-Life-Balance als Gegengift anempfohlen.
Von ganz anderer Art ist der Sachcomic BURNOUT. ARBEITEN BIS MAN DEN VERSTAND VERIERT vom Danièle Linhart und Zoé Thouron, erschienen in der Reihe „Die Comicbibliothek des Wissens“ (Jacoby & Stuart). Thouron ist eine Comickünstlerin, die regelmäßig für verschiedene französische Periodika aus dem Comicbereich zeichnet und für ihren karikierenden, cartoonhaften Stil bekannt ist.
Linhart ist eine renommierte, mittlerweile emeritierte französische Arbeitssoziologin, die sich Zeit ihres Berufslebens in zahlreichen Veröffentlichungen zur Modernisierung der Arbeitswelt und ihren Folgen für Mensch und Gesellschaft geäußert hat. Ihre hierbei immer wieder vorgetragene Grundthese lautet, dass moderne Managementstrategien zur Vereinzelung der Arbeitnehmer*innen geführt haben, verbunden mit einem zunehmenden Gefühl von Unsicherheit und Unbehagen am Arbeitsplatz.
Diese These durchzieht denn auch den Comic, der in der Hauptsache ein Gespräch zwischen der Soziologin selbst und ihrem Vater mit einigem Augenzwinkern in Szene setzt, in dem wiederum die gemeinsam geteilten Sorgen über deren (Enkel-)Sohn im Mittelpunkt stehen. Jener ist nämlich völlig fertig angesichts eines schlecht verlaufenen Bewertungsgesprächs mit seinem Arbeitgeber, dessen vage formulierte Zielvorgaben eigentlich unerreichbar erscheinen. Und obwohl er diese völlig überzogenen Ziele dennoch erreicht hat, bleibt der Chef unzufrieden, ohne den Grund hierfür konkret benennen zu können bzw. überhaupt zu wollen.
Diese Form der Überforderung und Verunsicherung hat, so die Autorin im fiktiven Gespräch, mittlerweile Methode: Arbeitnehmer*innen werden heutzutage immer öfter mit ständig wechselnden Arbeitsaufträgen und permanenten Umstrukturierungen von Abteilungen einerseits und der nur scheinbaren Abflachung von Hierarchien bei gleichzeitiger Auflösung solidarischer Beziehungen im Kollegium andererseits in einem wörtlichen Sinne in die Irre geführt.
Anhand zahlreicher Beispiele aus verschiedenen Berufs- und Arbeitsfeldern wird diese Methode, die Danièle Linhart „subjektive Prekarisierung“ nennt, sowie ihre schädlichen Auswirkungen auf die mentale und psychische Verfassung der unselbständig Arbeitenden beschrieben. Dabei bezieht sich die Autorin nicht nur auf die Gegenwart, sondern unternimmt auch Streifzüge durch die jüngere Geschichte der Arbeitsbeziehungen, um das Entstehen dieser Misere zu erklären.
So war es ausgerechnet die 68er-Generation, die mit ihren Forderungen nach individueller Anerkennung und mehr Selbstverwirklichungsmöglichkeiten den Arbeitgebern die Möglichkeit gab, das kollegial-solidarische Band zu kappen und das einst so mächtige Arbeiter*innen-Kollektiv zu zerstreuen. Nicht zuletzt lautet deswegen Linharts Resümee (bzw. das ihres Avatars), dass man sich nicht individuell aus solch sozial bedingten Krisen- und Erschöpfungszuständen, wie es das Burnout eben ist, befreien könne, sondern dass es ein „kollektives Ziel“ sein müsse, welchem eine „kollektive Intelligenz“ zugrunde liegt. Arbeitnehmer*innen aller Länder, vereinigt euch!