Tú nunca habrías hecho lo que yo hice por tenerte. Pero eso no fue hecho por otra cosa, fue un amor violento de alma y cuerpo. (G. M.)
Yo me pongo en el viento y en la lluvia tierna, para que estos, viento y lluvia, puedan abrazarte y besarte para mí. (D. D.)
Lo subterráneo es lo que no digo. Pero te lo doy cuando te miro y te
toco sin mirarte. (G. M.)
Dass die bis zu ihrem Tod unverheiratete Lucila Godoy – so Mistrals bürgerlicher Name – in Wirklichkeit kein asexuelles Wesen war, dessen Liebe lediglich der Literatur galt, diese These darf man spätestens jetzt, mit der Veröffentlichung des Bandes „Niña Errante“, zu den Akten legen. Es handelt sich um den Briefwechsel Mistrals mit Doris Dana, ihrer Sekretärin und Nachlassverwalterin. Von Liebe ist darin die Rede, von Leidenschaft, von Berührungen. Ob die 30 Jahre ältere Gabriela Mistral bisweilen das männliche Genus für sich in Anspruch nimmt („tuyo“), um ein Verhältnis der Dominanz oder aber des „väterlichen Beschützers“ auszudrücken, wie Herausgeber Pedro Pablo Zegers glaubt, bleibt den LeserInnen überlassen.
Die Chilenin und die US-Amerikanerin hatten sich 1946 kennengelernt und waren bis zu Mistrals Tod 1957 in New York enge Freundinnen. Wie eng, darüber wurde schon länger spekuliert, aber die Dichterin als Lesbe zu bezeichnen, blieb tabuisiert – über alle politischen Fraktionen hinweg. Der Schriftsteller Volodia Teitelboim, der jahrelang Chiles Kommunistische Partei leitete, bezeichnete vor zehn Jahren den Plan, Mistrals Leben auf Basis der Lesben-These zu verfilmen, als „Versuch, das Andenken einer großen Chilenin und Lateinamerikanerin in den Schmutz zu ziehen“.
Heute ist man vielleicht ein bisschen weiter. Das Interesse an den Briefen aus dem Nachlass, den eine Nichte der 2006 verstorbenen Dana dem chilenischen Staat zukommen ließ, ist groß, und es sieht eher so aus, als machten die neu aufgetauchten Dokumente das Bild der Dichterin in den Augen der Chilenen menschlicher, facettenreicher und liebenswerter. All jenen, die dagegen jetzt versuchen sollten, das biografische „Detail“ herunterzuspielen, hält Rolando Jiménez, Vorsitzender des schwul-lesbischen Verbands Movilh, entgegen: „Gabriela Mistral war keine gute Schriftstellerin, weil sie lesbisch war oder nicht. Aber ohne jeden Zweifel wären ihre schriftstellerische Qualität und Sensibilität andere gewesen ohne die von der Gesellschaft verurteilte lesbische Liebe.“