vonChristian Ihle 20.09.2010

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Als Heist-Movies gelten Filme, in deren Mittelpunkt der meisterhaft ausgeklügelte Raubzug steht. Die aktuelle Ausgabe des OPAK Magazins beleuchtet die wichtigsten Heist-Movies der Filmgeschichte, ich selbst arbeitete mich an den beiden Extrempunkten ab: von Stanley Kubricks „The Killing“ (1956) zu Bruce Willis Kinderfantasie „Hudson Hawk“ (1991)…

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=KQXokRldBUo[/youtube]
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Zentrales Element aller Heist-Movies ist der minutiös geplante, straff ausgeführte Raub, der keine Abzweigungen oder unnötiges Beiwerk zulässt, will er sein Gelingen nicht gefährden. In diesem Sinn ist Stanley Kubricks The Killing wohl das Meisterwerk des Genres, entspricht die Struktur des Films doch selbst der Struktur des perfekten Raubzugs. Kennt man nur ausufernde Kubrick-Werke wie „2001“ oder „Barry Lyndon“ mag es schwer fallen zu glauben, dass die größte Stärke des jungen Kubrick gerade die Prägnanz und Verdichtung auf das absolut Notwendigste war.
Jede Einzelheit, ob in der Charakterzeichnung oder in der Darstellung, ist einem Zweck unterworfen. Wie der im Mittelpunkt stehende Raub bei einer Pferderennbahn ausgefeilt geplant ist und minutiös abläuft, so ist es auch der eigentliche Film. Sterling Hayden als Bandenboss Johnny Clay kommt dabei die Rolle des Auteur/Regisseurs zu: er schreibt das Drehbuch, nach dem der Raub ablaufen soll, er besetzt seine Mannschaft, der er verschiedene Rollen zuweist, und leitet als Strippenzieher das gesamte Projekt bis zu seinem scheinbar glücklichen Ende – ja, selbst der dicke Produzent, der außer Geld nichts für das Gelingen des Projekts beiträgt, findet in der Rolle des Marvin Unger seine Entsprechung!

Die Klarheit, das Exemplarische in der Anordnung von The Killing ist auch dafür verantwortlich dass von Reservoir Dogs bis Panic Room (die Schlussszene) Jahrzehnte später sich immer wieder Filme an Kubricks Heist-Movie-Blaupause bedienten.

Ist The Killing ein Heist-Movie ohne jedes Beiwerk, so ist Hudson Hawk das Gegenteil, nur Beiwerk. Eine krude Kinderfantasie, in der alles, was denkbar scheint, auch umgesetzt wird und so die Idee des perfekten Raubzugs, die allen Heist-Filmen zu Grunde liegt, zu dem überzeichnet wird, was sie ist: ein einziger Wahnsinn. Geht Hudson Hawk nun auf Diebestour, so stimmt er mit seinem Partner die zur Verfügung stehende Zeit nicht etwa per Uhr ab, sondern in dem ein Lied in bestimmter Länge als Duett gesungen wird.

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Warum? Weil es denkbar ist und Bruce Willis als Hudson Hawk eben gerne singen möchte. Wenn Hawk nun im Vatikan einen seiner absurden Raubzüge vollführt, dann ist das keinesfalls weiter hergeholt als Tom Hanks’ Detektivspiel in „Sakrileg“ – nur Hudson Hawk weiß darum.
Im Grunde war das Projekt selbst ein einziger Raubzug durch Kinowelt und Filmgeschichte! Bruce Willis, nach den beiden ersten Stirb-Langsam-Teilen das heißeste Ding in Hollywood, bekam carte blanche, um einen Film ganz nach seinen Wünschen zu verwirklichen. Und Willis ließ sich nicht zweimal bitten: sein eigenes Drehbuch eines durchgeknallten Meisterdieb-Films ließ er für sage und schreibe 65 Millionen Dollar verfilmen – dem letztendlich ein US-Einspiel von 17 Millionen gegenüberstand und letzter Sargnagel für das produzierende Studio wurde.

Hudson Hawk ist eine Kinderfantasie, ein Raubzug durch die Filmgeschichte, ein Meta-Filmdieb-Film. Wo The Killing Vorlage für viele andere wurde, nahm sich Hudson Hawk, was immer die Filmgeschichte zu bieten hatte.

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=ThtSuh5E2pc[/youtube]
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Ursprünglich erschienen in OPAK MAGAZIN #6. Im Zeitschriftenhandel erhältlich.

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