vonAchmed Khammas 30.03.2012

Der Datenscheich

Erneuerbare Energie, Science Fiction, Technikarchäologie und Naher Osten – verifiziert, subversiv, authentisch.

Mehr über diesen Blog

Da ich in den letzten drei Wochen wirklich viele Bücher verschlungen habe, möchte ich die geneigte Leserschaft auf die interessantesten, spannendsten und vielleicht auch wichtigsten dieser Druckwerke hinweisen… mit den besten Empfehlungen.

Chronologisch geordnet fange ich mit zwei Meisterwerken von John Brunner an, die ich das letzte Mal von 30 Jahren gelesen hatte. Und die ich nun so frisch und so aktuell fand, wie am ersten Tag. Sogar sprachlich sind die Romane absolut up-to-date, was mich dann doch schon etwas verblüfft hat. Es handelt sich um Schafe blicken auf (von 1972), einen Öko-Thriller, sowie um das Buch Der Schockwellenreiter (von 1975), bei dem es um das Thema der elektronischen Vollüberwachung geht. Ich finde, beide Romane sollten DRINGEND neu aufgelegt werden, denn sie scheinen nicht für die 70er, sondern für uns HIER und HEUTE geschrieben worden zu sein! Details darüber finden sich im Netz genügend, daher weiter…

Von 1987 datiert der Thriller Operation Beirut von David Ignatius (von dem auch das später verfilmte Buch “Der Mann, der nie lebte” stammt). Im Gegensatz zu vielen anderen Veröffentlichungen dieses Genres wird hier nicht die ganze Zeit über geballert was das Zeug hält, vielmehr hat mich überrascht, mit welcher Genauigkeit die subtilen Verhältnisse im Libanon der 60er und 70er Jahre beschrieben werden, die schier unglaublichen Verflechtungen und Abhängigkeiten … und die Naivität, um nicht zu sagen Dummheit der höheren US-Geheimdienstchargen, die eigentlich nur noch von ihrer Menschverachtung übertroffen wird. Ein Tip für Kenner, andere sollten lieber die Finger davon lassen.

Immer mehr begeistert mich die Arbeit des Berliner Golkonda-Verlags, aus dessen Oevre ich mir die beiden Kurzgeschichten-Bände Der Spieler von Paolo Bacigalupi sowie Die Hölle ist die Abwesenheit Gottes von Ted Chiang geholt – und mit großem Genuß “verspeist” habe. In Stil und Inhalt völlig verschieden, haben dennoch beide Sammlungen einiges gemeinsam: Die fast nicht zu überbietende Phantasie ihrer Autoren, die hohe stilistische Qualität und den riesigen Spaß, der mit der Lektüre verbunden ist. Nicht zu vergessen die exzellente Übersetzungsarbeit und das geschmackvolle “Design” dieser Buchausgaben. Bacigalupi, dessen Roman Biokrieg zu den großen Entdeckungen des letzten Jahres gehörte, berichtet auch in seinen Stories mehrfach aus dieser “harten neuen Welt”, in welcher die fossilen Energien aufgebraucht und durch eine akribische Aufrechnung von Kalorien, ihre Generierung mittels monopolisiertem Saatgut und ihre Speicherung in Hochleistungs-Federwerken ersetzt worden sind. Ebenfalls in Bacigalupis naher Zukunftswelt angesiedelt ist der als Jugendbuch bei Heyne erschienene Roman Schiffsdiebe, den ich aus ganzem Herzen empfehlen kann (im Gegensatz zu den unsäglichen, gehypten Panem-Romanen von Suzanne Collins, die ich als Verbrechen betrachte – ebenso wie die Entscheidung, ihnen einen Jugenbuchpreis zu verleihen – und die ich daher mit keinem weiteren Wort mehr erwähnen werde…!).

Chiangs Storys erinnerten mich dagegen ein wenig an den guten alten Stanislav Lem, denn sie bewegen sich im Grenzbereich von Philosophie, Religion und Phantastik. Chiang besitzt eine Bildsprache, die lange in den Gehirnwindungen hängen bleibt, und die beachtliche Fähigkeit, sich in andere Welten, Zeiten und Stile hineinzudenken, so wie ich sie schon lange nicht mehr erlebt habe. Meine Lieblingsgeschichte, bei der es um Zeitsprünge geht, heißt Der Kaufmann am Portal des Alchemisten, spielt in Bagdad und Kairo, und ist stilistisch eine perfekte Fortsetzung der mehrfach ineinander verschachtelten Märchen aus 1001 Nacht. Einfach nur grandios!

Eine Zukunft ohne Bienen?! Den Horror aller Ökos schildert auf unnachahmliche Art Douglas Coupland in seinem Roman Generation A (Nein, eben NICHT Generation X!) – aber mit soviel Esprit, Witz und schwarzem Humor, daß man selbst dann lachen muß, wenn es einem gleichzeitig kalt den Rücken herunter rieselt. Auch dieses Buch, erschienen unter dem (berechtigten!) Label Heyne Hardcore, kann ich nur mit breitem Grinsen empfehlen. Es wird Spaß machen, ist aber absolut nichts für Warmduscher. Also Vorsicht!

Im Schnelldurchlauf möchte ich noch Piter von Schimun Wrotschek erwähnen, der im Metro 2033 Universum von Glukhovsky spielt: Hart, heftig und spannend; dann den Kurzgeschichtenband Willkommen auf Aurora von Heidrun Jänchen: Nun ja, eben deutsche Kurzgeschichten, die auf internationalem Niveau derzeit nicht mithalten können; und schließlich Planetenkrieg – Feindliche Übernahme von John Ringo (den ich bislang eigentlich nicht besonders mochte), der hier aber den fulminanten Start einer neuen Action-Saga vorgelegt hat, die im Stil des späteren Heinlein einfach nur begeistert… wenn sich nämlich die etwas verottelten Irdischen endlich zusammennehmen und den bösen Aliens den Arsch aufreißen – um einmal Klartext zu reden!

Den Rest meiner Lektüre erspare ich Euch, sonst kommt Ihr ja gar nicht mehr hinterher… 🙂

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/datenscheich/2012/03/30/literatur-gehauft/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert