vonAchmed Khammas 21.01.2019

Der Datenscheich

Erneuerbare Energie, Science Fiction, Technikarchäologie und Naher Osten – verifiziert, subversiv, authentisch.

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Und siehe da, auch diese Woche klappt es. Und Auswahl genug gibt es wahrlich. Auch wenn ich zwischenzeitlich schon wieder ein halbes Dutzend neuer Bücher zu liegen habe, die noch gelesen werden wollen. Das jüngste erforderte kaum zwei Tage … zwischendurch, d.h. beim Frühstück, warten auf und fahren mit der S-Bahn, usw.

NANOS – Sie bestimmen was du denkst von Timo Leibig (2018) ist ein thematisch interessantes Debüt, das in Deutschland spielt und eine Fortsetzung benötigt, da es quasi mitten drin aufhört. Das Gesamtgeschehen auf den 500 Seiten ist etwas zurückhaltend und die Charaktere wirken noch nicht ganz ausgereift. Das Szenario der Massenbeeinflussung erinnert ein wenig an die Schöne neue Welt, und ich bin gespannt darauf, wie der Autor sein selbstgefärbtes Garn weiterspinnen wird.

Peking falten von Hao Jingfang (2012/2017) ist ein schmales Bändchen der jungen Autorin, die 2016 den Hugo Award für ihre Novelle gewann, in welcher sie eine Lösung für den in China knapp bemessenen Lebensraum umsetzt. Die entstandenen drei Zonen, von denen periodisch immer nur eine dem Licht ausgesetzt ist, sind streng voneinander getrennt – und natürlich geht es im Kern um eine Grenzüberschreitung, die in einem angenehm fremden Form daherkommt.

American War von Omar El Akkad (2017/2918) spiegelt die Globaltemen Terrorismus, Folter und Drohnenattentate auf die USA zurück, die durch einen blutigen Bürgerkrieg in drei Teile zerfallen – und durch den Anstieg des Meeresspiegels und andere Umweltkatastrophen in die Knie gezwungen worden sind. Das, was anderswo auf der Welt – leider – tägliche Realität ist, bekommt ein anderes Gesicht, wenn es plötzlich mitten in der ehemaligen Wohlstandszone geschieht, was der aus Ägypten stammende Autor meisterhaft spannend zu beschreiben vermag.

Der Erschaffer von Andrew Bannister (2018) ist der 3. Teil der Spin-Trilogie und nur etwas für jene, welche schon die ersten beiden Bände überstanden haben. Dann sonst wird man kaum den Anschluß an die neuen Variationen des Konflikts finden, und vieles wird im Unverständnis untergehen. Das nun abgeschlossene Gesamtwerk spielt zwar mit einer ganz eigenen Form der Galaxis und ist auch spannend geschrieben, wird sich aber kaum einen Platz neben anderen Zukunftsentwürfen wie Banks Kultur oder diversen Ring-, Scheiben- und sonstigen Welten behaupten können, vermutlich, weil die ganze Chose zu technokratisch abgehandelt wird. Trotzdem hat das lesen Spaß gemacht.

Das Imperium der Stille von Christopher Rucchio (2018) erinnert ein wenig an Roma Nova von Judith Vogt, wobei es auf den fast 1.000 Seiten wirklich ordentlich zur Sache geht, denn der Krieg zwischen den Menschen und den Cielcin setzt Welten in Brand und löscht ganze Sonnensysteme aus. Geschrieben als Lebensbeichte von Hadrian Marlowe, dem größten Helden und Verbrecher gleichzeitig, hat das Debüt die Kraft, den Leser für viele Stunden zu fesseln und dabei sehr, sehr weit weg zu führen. Eine Space Opera vom feinsten.

Packeis von Clive Cussler und Paul Kemprecos (2005/2006) wird hier aufgeführt, da sich der Thriller mit dem Thema eines künstlich herbeizuführen Polsprungs befaßt – und das ist reine SF. Ich meine nicht die Technik selbst, sondern das literarische Behandeln dieser. Was, wie bei dem Autorenduo üblich, mit rasantem Stift geschieht und über mehrere Kontinente führt. Ein neues einsaugendes Abenteuer der NUMA (die es übrigens tatsächlich gibt!).

The Shape of Water von Daniel Kraus Guillermo del Toro (2017/2018) wurde im Grunde erst durch seine – mir bislang noch unbekannte – Verfilmung bekannt und ist eine berührende Liebesgeschichte zwischen einem aquatischen Fremdwesen und einem normalen, wenn auch tauben Erdenmädel. Einen gewissen zusätzlichen Reiz bekommt das Thema, da es in der Vergangenheit, genauer gesagt im Jahr 1963, spielt. Zudem kommt der Roman sehr gut ohne die sonst oft überbordende Action aus.

Die politische Anmerkung:

Nun werden die Kurden ein weiteres mal verarscht. Ist wahrlich nichts Neues, und zu einem nicht unbeträchtlichen Teil auch ihnen selbst zuzuschreiben. Denn wenn der Slogan lautet, „Ein Land für ein Volk ohne dieses“, dann müssen sich unsere (als Syrer gesprochen) Mitbürger erst einmal tatsächlich als ‚Volk‘ begreifen – wie sie sich gerne nach Außen hin darstellen – und endlich ihre destruktiven Sammesloyalitäten aufgeben oder zumindest abstufen. Dann hätten vielleicht auch ihre demokratischen Versuche eine Chance.

Leider lassen sich jedoch die einen Clans seit Hundert(en) Jahren gegen die anderen ausspielen, ohne daß die Strippenzieher jemals ein gegebenes Versprechen gehalten hätten. Zu glauben, daß sich die Amerikaner oder gar die Türken nun plötzlich anders verhalten würden, als auf dem Brett ‚meinen Kurden gegen deinen Kurden‘ hin und her zu schieben, bei gleichzeitigen deftigen Kollateralschäden, ist so blauäugig… wie kurdisch.

Sie sind liebenswerte Menschen (wie die meisten auf diesem Planeten), arbeitsam, anspruchslos, mutig und stark – aber auch völlig planlos, chaotisch, und so extrem dickköpfig, daß der westliche Kalte-Kriegs-Begriff ‚Betonköpfe‘ viel zu milde ist und den tatsächlichen Härtegrad eines kurdischen Dickschädels auch nicht annähernd beschreibt. Immerhin wird von den irakischen Kurden – die vermutlich den Härtegrad von Granit besitzen – gesagt, daß sie sogar das Prinzip der Alternative kennen, was bei ihnen dann allerdings „tucho – au kser mukho‘ heißt: Erschieß‘ ihn oder knack‘ seinen Schädel. Kein Wunder, daß sich die Amis lieber heute als morgen aus dem Gebiet zurückziehen…

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