vonHelmut Höge 17.03.2011

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Die Nachrichtenagentur Reuters veröffentlicht heute ein „Szenario“ – die „weitere Entwicklung des Libyen-Konflikts“ betreffend:

In Libyen rücken die Regierungstruppen gegen Aufständische im Osten und Westen des nordafrikanischen Landes vor. Es folgt eine Analyse von Experten des Internationalen Instituts für Strategische Studien (IISS) in London zur weiteren Entwicklung.

DIE STRATEGIE DER REGIERUNG

Die libysche Regierung dürfte insgesamt 10.000 Soldaten aufgebracht haben, dazu mehrere Hundert gepanzerte Fahrzeuge und etwa 100 Artillerie-Geschütze, sagt der IISS-Landkriegsexperte Ben Barry, ein ehemaliger Brigadegeneral der britischen Armee. Vermutlich begrenzt Libyen den Einsatz seiner Luftwaffe, um nicht ein Eingreifen des Auslandes zu provozieren.

Die Armee könnte die Rebellenhochburg Benghasi im Osten in fünf bis zehn Tagen erreichen und wird vermutlich versuchen, die Stadt schnell zu stürmen. Sollte dies fehlschlagen, wäre der wahrscheinlichste nächste Schritt eine Belagerung. Wenn Benghasi fallen sollte, könne sich die Regierung dann in aller Ruhe den Aufständischen in Misrata im Westen zuwenden.

DIE STRATEGIE DER REBELLEN

Ziel der Aufständischen sei es, die Kontrolle über Benghasi zu behalten, um dort ihre Kräfte aufbauen und in die Offensive gehen zu können. Eine Belagerung der Stadt könnte wie ein zweites Sarajewo dargestellt werden, um internationale Unterstützung zu fördern. Je länger der Konflikt dauere, desto mehr drohe eine Radikalisierung der Rebellen, sagt Barry. Diese könnten sich dann dem Terrorismus zuwenden, einschließlich Selbstmordattentaten.

DER AUSGANG DES KONFLIKTS

Zwar sei ein Sieg der Regierung wahrscheinlich, aber „nicht notwendigerweise sicher“, sagt Barry. Eine Niederlage der Rebellen würde auch nicht zwangsweise das Ende des Kriegs bedeuten. Es könnten alte Rechnungen beglichen werden und die Aufständischen könnten sich auf einen Partisanen-Krieg verlegen. Die Al-Kaida und andere Muslim-Extremisten könnten ihrerseits eine Gelegenheit sehen, sich niederzulassen oder Libyens Herrscher Muammar Gaddafi könnte sie sogar umwerben. Schließlich sei eine militärische Patt-Situation denkbar, die faktisch zur Teilung des Landes führen würde. (Reporter: Adrian Croft; geschrieben von Scot W. Stevenson; redigiert von Andreas Kenner)

AFP meldet um 14 Uhr 8:

Es ist die Angst vor den vorrückenden Truppen von Machthaber Muammar el Gaddafi, vor Artilleriebeschuss und Luftangriffen, vor Tod und Zerstörung, die die Menschen zur Flucht getrieben hat. Überfüllte Autos mit auf dem Dach festgezurrtem Gepäck passieren langsam den Grenzposten Sallum und erreichen das rettende Ägypten. Libyer wie Gastarbeiter fliehen aus dem Osten des Landes, wo nun zur Entscheidung im Kampf zwischen Gaddafis Soldaten und den Aufständischen kommt. Geschürt wird die Angst von angeblichen Erfolgsmeldungen von Gaddafis Staatsfernsehen – flankiert wird sie von der Wut auf das Ausland, das den Rebellen nur symbolisch Unterstützung gewähren wollte.

Während in einigen Westmedien der eskalierende Konflikt in Bahrain als ein Kampf zwischen dem sunnitischen Saudi-Arabien und dem schiitischen Iran dargestellt wird, weil die da unten ja doch ständig in mittelalterlichen Religionskriegen verstrickt sind, meldet AP:

Das brutale Vorgehen gegen vorwiegend schiitische Demonstranten in Bashrain stößt international auf immer deutlichere Kritik. Die Europäische Union und die NATO forderten die Regierung des Golfstaats am Donnerstag auf, auf Gewalt zu verzichten und die Krise im Dialog beizulegen. Die „Menschenrechte und die fundamentalen Freiheiten des bahrainischen Volkes“ müssten geachtet werden, forderte die außenpolitische Vertreterin der EU, Catherine Ashton. Der Iran rief seinen Botschafter aus dem Golfstaat zurück.

Das staatliche iranische Fernsehen berichtete, Botschafter Mahdi Aghadschafari sei zu Konsultationen zurück nach Teheran gerufen worden. Der Iran hatte sich mit Äußerungen zu den Protesten der Schiiten in Bahrain lange zurückgehalten, die Entsendung einer von Saudi-Arabien angeführten Truppe der Golfstaaten zur Stützung der sunnitischen Monarchie, dann aber entschieden verurteilt.

Im Irak und auch in der Türkei demonstrierten Menschen gegen den Einsatz der ausländischen Truppen in Bahrain. In der den Schiiten heiligen Stadt Kerbela hätten rund 3.000 Schiiten gegen die saudischen Truppen in Bahrain demonstriert, berichteten die irakischen Behörden. Noch größere Demonstrationen seien für Freitag geplant. In Ankara demonstrierten einige Dutzend Menschen vor der saudiarabischen Botschaft.

In der taz berichtet heute der Kairo-Korrespondent Karim El-Gawhary über die Auseinandersetzungen in Bahrain:

Die Regierung in Bahrain versucht, die seit über einen Monat andauernden Proteste endgültig zu beenden. Mit einem großen Aufgebot an Sicherheitskräften ließ sie in den Morgenstunden am Mittwoch den Perlenplatz in der Hauptstadt Manama von Demonstranten räumen. Trotz des Einsatzes von Tränengas und Gummigeschossen und nach machen Augenzeugenberichten auch scharfer Munition gelang es den Truppen erst nach mehreren Stunden, den Platz völlig unter Kontrolle zu bekommen. Auch das Handynetz war zeitweise blockiert. Der Perlenplatz war bereits vor einem Monat gewaltsam geräumt worden, wurde aber wieder besetzt.

Mindestens sechs Menschen sollen nun ums Leben gekommen sein, darunter auch zwei Polizisten, die von den Fahrzeugen fliehender Demonstranten angefahren wurden, wie das staatliche Fernsehen berichtet. Zwei Demonstranten starben laut Zeugen direkt auf dem Platz, ein weiterer erlag später seinen Verletzungen. „Sie haben den Platz mit Tränengas eingedeckt und dann das Feuer eröffnet“, erzählt Hamid Zuhair, einer der Demonstranten. „Wir haben unsere Arme gehoben und gesagt, wir sind friedlich, dann sind wir davongerannt. Das Tränengas und die Schüsse wurden uns zu viel.“

Die Räumung erfolgte nur einen Tag nach Ausrufung des Ausnahmezustands und dem Einmarsch von mindestens 1.000 saudischen Soldaten und 500 Polizisten aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, die im Rahmen des Militärbündnisses des Golfkooperationsrates entsandt worden waren. Ob die saudischen Truppen direkt an der Räumung beteiligt waren, ist unklar.

Jedenfalls umzingelten Sicherheitskräfte auch das wichtigste Krankenhaus Salamaniya. Niemand wurde hinein- oder herausgelassen. Die Verwundeten mussten in Moscheen oder Privathäusern versorgt werden. Eine Ärztin berichtete dem britischen Fernsehsender BBC, dass sie sich mit ihren Kollegen vor Truppen versteckt habe, die die Ärzte bedrohten.

In einer gemeinsamen Erklärung beschreibt Bahrains Opposition die saudischen Truppen als „eine offene Besatzung und als eine Verschwörung gegen das unbewaffnete Volk von Bahrain“. Einer der Demonstranten auf dem Perlenplatz, Sayed Alawi, sagte dem TV-Sender al-Dschasira: „Die Truppen des Golfkooperationsrates kämpfen nicht gegen ausländische Truppen, sondern gegen das Volk von Bahrain. Wir machen nichts anderes, als unsere legitimen Rechte einzufordern.“

Dagegen argumentiert die saudische Regierung, sie sei mit ihrem Truppeneinmarsch lediglich einem Ruf nach Unterstützung aus Bahrain gefolgt. Auch der Premierminister Bahrains, Muhammad Ben Jassim Bin Jabr, beschreibt das Ganze in einem Interview mit al-Dschasira als normalen Bündnisfall.

Die weitgehend friedlichen Demonstranten in Bahrain hatten vor einem Monat begonnen, politische Reformen einzuklagen. Einige fordern auch den Sturz der Herrscherfamilie al-Khalifa. Getragen wird die Bewegung von der schiitischen Bevölkerungsmehrheit, die sich als Bürger zweiter Klasse sehen. Nach eigenen Angaben geht es der Bewegung nicht um einen konfessionellen Konflikt, sondern um ihre Bürgerrechte.

Das Regime in Bahrain und das benachbarte Saudi-Arabien sehen in den Protesten dagegen als eine vom Iran gelenkte schiitische Bedrohung. Aus Teheran heißt es zu der neuesten Eskalation: „Die Anwesenheit von ausländischen Truppen in Bahrain ist absolut unakzeptabel und kompliziert die Lage.“

Die Saudis fürchten, dass der Bahrain-Konflikt auf die schiitische Minderheit im Osten des Landes überschwappen könnte. Diese hatte bereits in mehreren Demonstrationen ihre eigenen Bürgerrechte eingeklagt.

US-Außenministerin Hillary Clinton erklärte bei einem Besuch in Kairo, dass sie mit ihrem saudischen Amtskollegen Prinz Saud telefoniert habe, um zu betonen, dass „die ausländischen Truppen den Dialog in Bahrain fördern sollen“. Clinton rief alle Seiten zur Zurückhaltung auf. Unterdessen rief das Pentagon alle Familienmitglieder von US-Soldaten auf, dass Land zu verlassen. Im Bahrain befindet sich das Hauptquartier der 5. US-Flotte. Der bahrainische Blogger Khaled Bahrain zieht eine bittere Bilanz: „Unsere Chance, dass dieser Konflikt mit Vernunft gelöst wird, ist vorbei. Blut wurde vergossen, Menschen wurden getötet und blinde Wut dominiert. Heute sind alle Bahrainer die Verlierer.“

Die Revolutiuonsberichte aus Arabien sind in der taz  wegen der Katastrophenmeldungen aus Japan auf eine Seite reduziert worden. Aus Kairo berichtet Ivesa Lübben heute kurz und knapp über die Auflösung der Staatssicherheit, d.h. des Inlands-Geheimdienstes. Die daraus entwendeten Akten wurden und werden im Internet auf einem StasiLeaks veröffentlicht. Über die Veröffentlichungen von WikiLeaks schreibt Slavoj Zizek im neuen „Lettre“-Heft:

„Die Aufdeckungen richten sich nicht an uns Bürger, die wir bloß unbefriedigte Individuen sind, welche nach den dreckigen Geheimnissen gieren und darüber Bescheid wissen wollen, was sich hinter den verschlossenen Türen in den Korridoren der Macht abspielt; nein, ihr Ziel bestand nicht darin, diejenigen, die sich an der Macht befinden, in Verlegenheit zu bringen. Die Enthüllungen von WikiLeaks fordern auf, uns zu einem langen Kampf aufzuraffen mit der Bestimmung, ein anderes Funktioinieren der Macht hervorzubringen. Dieses wird nicht länger durch die Grenzen der repräsentativen Demokratie beschränkt sein.“

Die taz-Autorin schreibt über „das Land ohne Stasi“ – Ägypten:

Eine der zentralen Forderungen der ägyptischen Revolution wird erfüllt: Die Staatssicherheit wird aufgelöst. Dies meldete am Dienstagabend Innenminister Mansur al-Issawi. An ihre Stelle solle eine neue Behörde treten, die sich auf Terrorismusbekämpfung beschränken und sich nicht in das Leben der Bürger einmischen solle.

Die Staatssicherheit war ein Staat im Staate und hatte mehr als 100.000 offizielle und knapp 300.000 inoffizielle Mitarbeiter. Ohne Haftbefehl konnte sie Personen festnehmen, die für Wochen oder gar Jahre in geheimen Folterzentren verschwanden. Sie manipulierte Parlaments-, Gewerkschafts- und Studentenratswahlen und führte geheime Akten über Politiker und Oppositionelle. Selbst die Präsidentenfamilie wurde bespitzelt.

Auch vor Terrorakten schreckte sie nicht zurück. So soll die Staatssicherheit für den Anschlag auf eine Kirche in Alexandria am Neujahrstag verantwortlich sein, bei dem 24 Menschen starben. Dokumente, die Demonstranten Anfang März beim Sturm auf Zentralen des Geheimdienstes fanden, legen nahe, dass die Staatssicherheit mit diesem Anschlag dem Westen die Bedeutung Ägyptens für den Kampf gegen den Terrorismus demonstrieren und die Kopten disziplinieren wollte.

Ende Januar waren die Staatssicherheit und die Polizei von der Bildfläche verschwunden. Seither hatte die Armee Sicherheitsaufgaben übernommen. Allerdings gab es Indizien für eine Reorganisation des Geheimdienstes. So sollen Agenten auch die Zusammenstöße zwischen Kopten und Muslimen in der vorigen Woche provoziert haben. Zudem gab es immer wieder Berichte darüber, dass die Staatssicherheit weiterhin großen Einfluss auf andere Sicherheitskräfte ausübte. So beschwerten sich Polizisten in der Provinz Scharqiyya am östlichen Nildelta, dass Geheimdienstoffiziere ihnen unter Drohungen weiterhin Anweisungen erteilen und sie zu privaten Diensten zwingen würden. Und nach der Verhaftung dreier Geheimdienstoffiziere in Alexandria, denen vorgeworfen wurde, für den Schießbefehl auf Demonstranten verantwortlich zu sein, trat die örtliche Polizei in einen Solidaritätsstreik mit ihren ehemaligen Vorgesetzten.

Omar Afifi, ein ehemaliger Polizeimajor und Menschenrechtsaktivist, warnte kürzlich vor einem Komplott: Ehemalige Geheimdienstoffiziere planten Anschläge auf christliche Einrichtungen und Attentate auf Politiker. Auch die Beseitigung des ehemaligen Innenministers Habib al-Adli sei im Gespräch. Man befürchte, dass dieser zu viel preisgeben könne.

In der Jungle World wagt Jörn Schulz die These: „Die Repression gegen die arabische Revolte wird härter, doch sie wird die Bewegung nicht stoppen“:

Für Pakistanis, die zwischen 20 und 25 Jahre alt und größer als 1,80 Meter sind, hat der König von Bahrain einen Job. Der Monarch sucht Security Guards, Kenntnisse der arabischen Sprache werden in der Stellenanzeige, die Anfang März in pakistanischen Zeitungen veröffentlicht wurde, nicht verlangt. Wer als Anti Riot Instructor arbeiten möchte, muss eine Tätigkeit bei einer Eliteeinheit der Polizei nachweisen, darf aber älter und ein paar Zentimeter kleiner sein.

Die Stellenanzeige bestätigt die Behauptung der Opposition Bahrains, dass die Regierung Söldner anwirbt. Bedrohlicher für die Demokratiebewegung ist derzeit jedoch der Einmarsch von Truppen des Gulf Cooperation Council (GCC), eines Bündnisses der Monarchen am Persischen Golf. Am Sonntag, einen Tag vor dem Einmarsch, sprach der GCC-Generalsekretär Abdulrahman bin Hamad al-Attiyah von der »Solidarität mit der Führung und Bevölkerung Bahrains im Einklang mit dem Prinzip des gemeinsamen Schicksals, das die Mitgliedsstaaten verbindet«.

Wenn ein Monarch stürzt, stürzen alle, deshalb darf es keine Demokratie in Bahrain geben – so darf man Attiyas Aussage wohl übersetzen. Nach offiziellen Angaben sollen die GCC-Truppen nur »lebenswichtige Einrichtungen« schützen, zu denen neben den Ölanlagen vor allem die Finanzinstitute zählen. Am Sonntag hatte sich die Polizei nach mehrstündigen Auseinandersetzungen mit Demonstranten aus dem Bankenviertel der Hauptstadt Manama zurückziehen müssen.

Das größte Truppenkontingent von 1 000 Soldaten stellt Saudi-Arabien. Am Freitag voriger Woche, dem ersten dort angekündigten Protesttag, blieb es weitgehend ruhig, doch das große Polizeiaufgebot bewies, wie nervös man im Königshaus ist. In Oman gab es bereits heftige Proteste, Sultan Qabus bin Said will nun einem zum Teil gewählten Rat einige legislative Vollmachten übertragen. Wie andere Monarchen der Region versprach er der Bevölkerung finanzielle Zuwendungen. Doch die Demokratiebewegung will sich auch in den Golfmonarchien weder kaufen noch mit dürftigen Zugeständnissen abspeisen lassen.

Der GCC bereitet sich auf die militärische Niederschlagung von Aufständen in den Mitgliedsstaaten vor. Die Monarchen wissen um die Bedeutung ihres Öl- und Finanzsektors für die Weltwirtschaft und rechnen offenbar nicht mit ernsthaften Gegenmaßnahmen der »internationalen Gemeinschaft«. Vermutlich zu Recht, die westlichen Regierungen drängen nicht einmal auf grundlegende Reformen. Die Protestierenden müssen davon ausgehen, dass sie alleinstehen.

Auf die erste Phase der Euphorie über die arabische Revolte folgt nun die Ernüchterung. Zwar waren die Revolutionen in Tunesien und Ägypten kein Spaziergang, doch eine militärische Auseinandersetzung blieb aus, anders als in Libyen. Nun wird die Repression auch in anderen Staaten härter, der jemenitische Präsident Ali Abdullah Saleh hat immer weniger Bedenken, auf Protestierende schießen zu lassen, mehr als 30 Menschen wurden getötet. »Alle Seiten müssen Ruhe und Zurückhaltung wahren«, kommentierte Catherine Ashton, die Außenbeauftragte der EU. »Glauben Sie, dass alle diese Leute jetzt einfach nach Hause gehen werden?« fragte hingegen der jemenitische Student Anwar Kabuti bei der bislang größten Demonstration in der Hauptstadt Sanaa den Reportern der Los Angeles Times.

In nicht einmal drei Monaten hat die arabische Demokratiebewegung zwei Präsidenten gestürzt, weite Gebiete Libyens befreit und mehrere Herrscher in Bedrängnis gebracht. Von A wie Angola bis Z wie Zimbabwe reicht die Liste der Länder, in denen Autokraten und Diktatoren nun in Sorge sind, und westliche Politiker, die sich mit den Despoten bestens verstanden haben, müssen improvisieren. Selten zuvor in der Geschichte ist so schnell so viel geschehen, und es wäre zu viel verlangt von einer Bewegung, die bislang keine ernstzunehmende Unterstützung erhalten hat, dass sie weiter ein solches Tempo vorlegen soll. Doch auch wenn es Rückschläge geben wird, einen Weg zurück gibt es nicht. Denn anders als bei den spontanen »Brotaufständen« der siebziger und achtziger Jahre ist nun eine politisch bewusste Bewegung aktiv geworden. Es ist eine neue Generation herangewachsen, die sich nicht mehr mit den alten Verhältnissen abfindet.

Der Spiegel schreibt heute:

„Schaut auf unser Land!“, „Lasst uns nicht im Stich!“, „Wir machen weiter, auch auf die Gefahr hin, verwundet oder getötet zu werden!“ – wer in diesen Tagen den aufbegehrenden Oppositionellen in der arabischen Welt via Twitter, Facebook und Blogs folgt, der erkennt schnell: Das ungläubige Staunen darüber, was in Tunesien und Ägypten möglich war, wird von der entsetzten Erkenntnis abgelöst, mit welchen Methoden andere Despoten in der arabischen Welt sich an die Macht klammern.

Der arabische Frühling ist akut bedroht. In Libyen marschieren rfegierungstreue Truppen oder gedungene Söldner, so genau weiß man es nicht, mittlerweile anscheinend auf Bengasi – die letzte große Stadt in den Händen der Rebellen.

Im Jemen greift Dauer-Präsident Ali Abdullah Salih nun ebenfalls mit harter Hand durch – allein am Mittwoch, so berichten Ärzte, gab es unter den Demonstranten mindestens 150 Verletzte. Es wird geschossen, auf die eigenen Bürger, von Dächern herab. Das beabsichtigte Signal ist klar: Dort entscheidet allein der Präsident, welche Reformen wann eingeleitet werden. Die Demonstranten sollen eingeschüchtert werden. Es kostet Mut, es ist lebensgefährlich geworden, auf die Straße zu gehen. Rund zehntausend Anhänger des Präsidenten griffen am Mittwoch Agenturmeldungen zufolge etwa 4000 Demonstranten an – mit Knüppeln und Dolchen. Berichte sind unerwünscht, Journalisten wurden in den vergangenen Tagen gezielt außer Landes geschafft.

In Bahrain, einem kleinen Eiland im Persischen Golf, eskaliert die Lage ebenso. Nahezu stündlich wurden am Mittwoch neue Tote gemeldet, auf Seiten der Demonstranten, aber auch auf Seiten der Sicherheitskräfte. Die Armee fuhr Panzer auf, es gibt Hinweise, dass auch scharf geschossen wurde. Die Regierung hat einen dreimonatigen Ausnahmezustand verhängt, am Mittwochnachmittag trat eine Ausgangssperre in Kraft. Aber die Opposition versichert, sie werde trotzdem zu Kundgebungen aufrufen. Weitere Auseinandersetzungen sind programmiert.

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