Die taz hat getestet, ob die Themenauswahl der Medien käuflich ist. Dazu habe ich eine fiktive Werbeagentur gegründet und bin unter falscher Identität zu zehn Verlagshäusern in der ganzen Republik gefahren. Ich erzählte den Zeitungen: Meine Agentur berate angeblich Firmen bei der Entscheidung, in welchen Medien sie ihre bezahlten Anzeigen schalten. Ich habe mich darauf spezialisiert, dass die Anzeigen in einem „geeigneten Umfeld“ erscheinen. Mit Umfeld sind die Artikel gemeint, die in der Zeitung direkt neben der Anzeige stehen. „Geeignetes Umfeld“ ist eines der Codewörter der Branche für Schleichwerbung. Ich knüpfte meine Anzeigen also an die Bedingung, dass auch ein journalistisch anmutender Text zu dem von mir vorgegebenen Thema in der Zeitung erscheint. Wenn das klappt, tastete ich mich weiter vor. Ich habe dann verlangt, dass die Zeitung das Thema nicht nur aufgreift, sondern es auch positiv und unkritisch macht. In der nächsten Stufe sollte sie auch den Namen des geldgebenden Unternehmens im Text erwähnen und dessen Produkte loben. In der höchsten Stufe wollte ich den Text gleich selber schreiben. Und dabei durfte der Text weder wie eine Anzeige aussehen noch mit dem Wort „Anzeige“ gekennzeichnet sein. Zeitungen, die darauf eingehen, würden gegen die Landespressegesetze und die Standesregeln verstoßen.
Meine Lockangebote dienten dazu, mit den Mitarbeitern der Zeitungen ins Gespräch zu kommen. Damit die Verlage mir bei meinem Besuch im Sommer 2009 erzählten, was denn allgemein bei ihnen üblich ist. Schließlich wollte ich ja etwas über die strukturelle Käuflichkeit der Medien herausfinden.
Vor der Veröffentlichung der Ergebnisse habe ich außerdem versucht, noch eine aktuelle Stellungnahme von der Chefredaktion einzuholen. Diesmal unter meinem echten Namen und mit der Ankündigung, diese Stellungnahme in der taz zu drucken – ohne von meiner vorherigen verdeckten Recherche zu erzählen. So wollte ich herausfinden, ob die offizielle Außendarstellung abweicht von den Angaben, die ich undercover bekomme. Hier nun meine Ergebnisse. Ich wähle gleich zehn Medien ausgewählt, um eine möglichst breite Mischung zu bekommen: Magazine und Tageszeitungen, bekannte und weniger bekannte.
– Frankfurter Rundschau
– Handelsblatt
– Die Zeit
– Darmstädter Echo
– Märkische Allgemeine Zeitung
– Westdeutsche Allgemeine Zeitung
– BILD-Zeitung
– Neues Deutschland
– Der Spiegel
– Geo Saison
In diesem Blog schreibe ich außerdem, warum ich in diesem Fall verdeckt recherchieren durfte, warum Zeitungen nicht schleichwerben dürfen und was die Standesregeln zur Schleichwerbung sind. Auf der Webseite unseres Illustrators Felix Gephart sieht man auch die sechs Illustrationen, mit denen wir in der gedruckten Ausgabe den Artikel über diese Recherche bebildert haben und in denen Journalisten – ein gängiges Schimpfwort aufgreifend – als Medienhuren dargestellt werden.
Das große Vorbild für diese Recherche war natürlich Volker Lilienthal vom Fachdienst epd Medien, der mit der gleichen Recherchemethode Schleichwerbung in der ARD-Vorabendserie Marienhof aufgedeckt hatte. Besonders hilfreich bei der Vorbereitung war für mich auch das netzwerk recherche mit seiner Fachkonferenz über Verdeckte Recherche (hier die Beispielfälle und Ergebnisse). Womöglich hätte ich mich aber trotzdem nicht getraut, wenn ich nicht nach dem Studium bei einem Praktikum bei der TV-Produktionsgesellschaft autorenwerk von Marcus Lindemann gemeinsam mit einer Kollegin auf verdeckte Recherche für die ZDF-Sendung Wiso gegangen wäre.