vondieglaette 07.12.2019

Die Glätte

Wie entsteht ein Comic? Was gibt es zu bedenken? Und welche Tipps können mir erfolgreiche Comiczeichner*innen geben?

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Die Ursprünge meiner Knopfphobie liegen, wie bei den meisten Menschen, mit denen ich diese Phobie teilen darf, im Nebel der frühen Kindheit verborgen. Sie war schon da, als ich mich als Wesen zu begreifen lernte. Wenngleich Phobie gemeinhin mit Angst übersetzt wird, handelt es sich bei allen mir bekannten Fällen von Koumpounophobie nicht um Angst vor Knöpfen, sondern um Ekel.

Das Objekt, deren Namen ich so oft wie möglich durch „Nimpfel“ ersetzen möchte, weil schon das Wort „Knopf“ zu schreiben mir unangenehm ist, wird als unrein und stark umgebungsverschmutzend wahrgenommen. Nicht etwa so, als klebe eine unsaubere Masse am Nimpfel, die sich durch Kontakt damit verteilt (obwohl das schon recht zutreffend ist), sondern so, als sondere ein Nimpfel stetig neue Ekelsubstanz ab. Könnten sie sich bewegen und spinnengleich aus Zimmerecken gekrochen kommen oder durch die Luft fliegen, wäre der Schritt von Ekel zu lähmender Angst augenblicklich getan und mein Leben ein absoluter Alptraum. Ich würde definitiv im Haus bleiben, in einem sterilen Raum. Und dann, darüber bin ich mir relativ sicher, überwöge die Belastung und Einschränkung durch die Phobie so sehr ihre gefühlten Vorteile, dass ich mich von ihr trennen müsste, was glücklicherweise durch therapeutische Behandlung und die Solidargemeinschaft der Krankenversicherten heute gut möglich ist. Da Nimpfel aber passive Objekte sind, empfinde ich nur starken Ekel – und habe nie das Verlangen empfunden, etwas gegen meine Phobie zu tun. Und das ist recht typisch für Träger*innen einer so genannten spezifischen Phobie: Man eignet sich Vermeidungsstrategien an, geht dem Objekt immer aus dem Weg, kann aber ein quasi normales Leben führen.

Es war im letzten Januar, ich saß entspannt auf dem Sofa und sah mir Fotos von Holzfußböden und handbemalten Kacheln an, als auf meinem Bildschirm eine ganz gewöhnliche, weiße Plastik-Steckdose erschien. Mein Gehirn flippte aus: ACHTUNG, NIMPFEL!! brüllte es. Das war noch nie passiert. Weil die Ursache meiner Phobie immer Gegenstand von Spekulationen war, aber ich (wie die meisten anderen Phobiker*innen selber Art) tatsächlich keine Ahnung habe, weshalb ich so empfinde, fragte ich mich, ob andere koumpounophobe Menschen das auch erlebt haben. Und ob das die Ursache sein könnte: Eltern warnen ihre Kleinkinder eindringlichst vor der Gefahr von Steckdosen. Der Tod lauert in ihnen, so in etwa die Warnung, die jedes Kind mal gehört hat.

Ich zeichnete oder kritzelte, das trifft es wahrscheinlich eher, eine kurze Bildergeschichte von der Steckdosen-Geschichte und sie ist sozusagen die Mutter des größeren Comics, der gerade entsteht. Hier seht ihr die ursprüngliche Fassung. Es kommentierten dann tatsächlich einige K.-Phobiker*innen; der Tenor war aber: Nein, das ist nicht die Ursache. Bei dem Phänomen handelt es sich tatsächlich lediglich um Generalisierung, also um Ekel vor einem Objekt, das ähnlich ist wie das gefürchtete. Ich erfuhr außerdem, dass die Tochter meiner Cousine sich auch vor Nimpfeln ekelt, ohne das den Eltern in irgendeiner Form bewusst wäre, was das ausgelöst haben könnte. Es scheint einfach aufzutauchen.

Ich hoffe sehr, andere Knopf-Phobiker*innen finden den Weg zu diesem Blog und erzählen, ob sie den Grund ihres Ekels kennen. Oder welche K.-ähnlichen Objekte sie nicht mögen.
Für mich sind das die münzförmigen Spielplättchen bei „Vier gewinnt“ und diese Tunnel in den Ohren, wenn sie mit einer kleinen Platte geschlossen sind.

Buchempfehlung zu diesem Beitrag: Phobien von Christophe André. Kurz, extrem leicht verständlich und antiquarisch günstig zu erwerben.

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