Die E-Mail ist kaputt. Und zwar komplett. Nicht eine E-Mail im Speziellen, sondern das Prinzip E-Mail generell. Das hat mehrere Gründe.
So privat wie ein Brief ohne Umschlag
E-Mail ist viele, viele Jahre alt. 1984 erreichte die erste E-Mail Deutschland. Sie ging an die Universität Karlsruhe, die heute KIT heißt. Damals war man froh, überhaupt Daten durch die langsamen Leitungen zu bekommen. An Verschlüsselung und Privatheit dachte damals keiner der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die früh E-Mail nutzten. Daher funktioniert E-Mail wie Post ohne Umschläge. Abgesehen von TLS sind die E-Mails über ihre gesamte Lebenszeit für jeden lesbar, der Zugriff auf die Daten hat. Das gilt für den Text genauso wie für die angehängten Urlaubsfotos.
Zwar gibt es schon seit Jahrzehnten mit „Pretty Good Privacy“ (PGP) ein System, mit dem man E-Mails sicher verschlüsseln kann. Von den großen Anbietern wie Googlemail, GMX, web.de und Co. bietet das aber keiner nativ an. Denn wäre die E-Mail verschlüsselt, könnte Googlemail seinen Benutzern keine passende Werbung mehr anzeigen.
Und selbst wer PGP freiwillig verwenden will, muss sich mit einem großen Blumenstrauß an ekligen Problemen befassen. Ein passendes Plugin für den Mailclient fehlt oft. Verschlüsselte E-Mails auf dem Smartphone zu lesen wird zum Problem, denn in der Theorie soll der geheime private Schlüssel ein einziges Gerät nie verlassen. Komfortable Suchen wie Spotlight auf Mac und iOS finden Inhalte aus verschlüsselten Mails nicht.
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Doch nicht nur die Technik der E-Mail ist ein Problem, auch die Art und Weise, wie sie verwendet wird. Jede E-Mail ist ein einzelnes Artefakt ohne Kontext, Diskussionen und Abfolgen sind im Protokoll nicht vorgesehen. Dennoch werden E-Mails genau so verwendet. Ganze Heerscharen von Mitarbeitern in e-maillastigen Büros kämpfen mit einer Flut an Mails. In machen steht man im CC, in anderen im An. Manche zitieren den Kontext, andere nicht. Wichtige Mails bekommt man nicht, unwichtige dafür umso mehr.
Weil E-Mail keine Revisionierung kennt, gibt es auch keine sinnvollen Prozesse, kollaborativ an Dokumenten zu arbeiten. Darum ist E-Mail das denkbar schlechteste Tool, um Feedback für eine Präsentation oder Anmerkungen für ein Worddokument einzuholen. Und dennoch passiert das tagtäglich. Das Ergebnis sind zigfach duplizierte Daten in zig E-Mail-Postfächern, ein Chaos an Revisionen und frustrierte Büroarbeitende, die mühselig fünf geänderte und korrigierte Powerpoints zu einer einzigen zusammenkleben müssen.
Dropbox und Google kapitulieren, der deutsche Staat macht alles falsch
Lässt sich die E-Mail verbessern? Dass das nicht einfach ist, haben die Platzhirsche der Digitalisierung schnell gemerkt. Dropbox hat bereits 2016 sein Projekt „Mailbox” eingestellt, um sich ganz offiziell auf Themen zu fokussieren, die wichtiger als E-Mails sind. Ähnlich erging es Google Inbox, einem neuen innovativen Mailclient von Google. Auch der wird im März 2019 komplett eingestellt.
Offensichtlich muss E-Mail erneuert werden. Wirtschaftlich denkende Unternehmen haben daran kein Interesse. Der Staat könnte also einspringen, und eine bessere Alternative definieren.
Es blieb beim Versuch. Der Deutsche Staat hat es geschafft, eine genauso kaputte „De-Mail” gleich gesetzlich zu definieren. Das Ergebnis ist skandalös schlecht. Broken by design. Etablierte Sicherheitsstandards wie Ende-zu-Ende-Verschlüsselung sieht das Protokoll nicht vor — obwohl es explizit für Behörden, Polizei und Gerichte konzipiert wurde. Der Sicherheitsexperte Linus Neumann urteilt, dass die De-Mail „absichtlich unsicher gebaut“ ist, um deutschen Diensten zu ermöglichen, deutsche Bürger auszuspähen („Bullshit made in Germany”, 30c3). Wir haben mit der De-Mail wieder Briefe ohne Umschlag. Wie 1984 — bei der ersten Mail und wie im Buch von George Orwell.
The new kids on the block
Was ist dann aber die Alternative? Die fehlende Privatheit und Sicherheit der E-Mail lässt sich mit Messengern und Plattformen verbessern, die echte Ende-zu-Ende-Verschlüsselung haben. Dazu gehört (ausgerechnet) WhatsApp von Facebook dazu, aber auch Messenger wie Telegram und das schweizer Threema oder das freie Signal. Recht neu ist Keybase.io. Das von Horowitz gefundete Startup kombiniert sichere Chats, sichere GIT-Repos und sicheren Dateienaustausch.
Um das Kommunikationschaos zu bändigen, das von endlosen E-Mail-Antworten erzeugt wird, nutzen immer mehr Firmen Company-Chats. Platzhirsch ist hier Slack, verschlüsselte und selbst betreibbare Alternativen wie Mattermost oder Riot.im sind inzwischen mit ähnlich guten Features wie Slack verfügbar.
Kollaborativ an Dokumenten arbeiten macht man am besten gar nicht mit einem Kommunikationssystem, sondern mit einem kollaborativen Autorenwerkzeug. Google Docs, die Produkte von Atlassian oder auch das webbasierte Office365 von Microsoft gehören dazu. Bei letzteren muss man die gewohnte Office-Software nicht mal verlassen.
Digitalisiert nicht mit E-Mail!
Wenn jetzt unter dem Schlagwort der Digitalisierung mehr auf E-Mail gesetzt wird, ist das ein riesiger Fehler. Die E-Mail ist das neue Fax und mindestens genauso kaputt und alt wie der piepsende Fax-Thermodrucker in grau-beige. E-Mail ist zwar einfach, bietet aber für jedes Problem, das es löst, ein neues. Darum: Es gibt sichere und besser passende Lösungen für Kommunikation. Nutzt sie!
Guter Artikel! Für die interne Kommunikation sind Mails wirklich völlig ungeeignet