vonHans Cousto 31.03.2010

Drogerie

Aufklärung über Drogen – die legalen und illegalen Highs & Downs und die Politik, die damit gemacht wird.

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Der Drogenkrieg in England eskaliert weiter. Nachdem der Leiter des Beratungsteams zum Missbrauch von Drogen (Advisory Council on the Misuse of Drugs, ACMD), David Nutt, im Oktober des letzten Jahres aufgrund seiner wissenschaftliche Untersuchungen entlassen wurde, traten weitere Wissenschaftler aus dem Beratungsteam der Regierung aus Protest von ihren Ämtern zurück. Nun ist es in London zu einem weiteren Eklat gekommen. Die leitende Mitarbeiterin des Beratungsteams der Regierung, Polly Taylor, trat gestern als sechste Wissenschaftlerin aus Protest wegen des Ignorierens wissenschaftlicher Erkenntnisse in der britischen Drogenpolitik aus Protest zurück. Die Regierung konterkarriere immer wieder alle Bemühungen, die Drogenpolitik auf eine wissenschaftliche Basis zu führen und untergrabe jegliche Möglichkeit einer vertrauensvolle Zusammenarbeit, so die Essenz ihrer Kritik.

Hier der Volltext der Rücktrittserklärung von Dr. Polly Taylor, Übersetzung von Tribble (Die Hanfplantage, Originaltest in Englisch auf BBC News):

»Werter Staatssekretär,

ich schreibe Ihnen um von meiner Position als unabhängige wissenschaftliche Beraterin im Beirat zum Missbrauch von Drogen (Advisory Council on the Misuse of Drugs, ACMD) zurückzutreten.

Als Sie das ACMD im November 2009 trafen, drückten viele von uns ihre großen Sorgen aus, wie unsere Empfehlungen von Ihnen und Ihrem Vorgänger behandelt wurde, die zu der Entlassung unseres Vorsitzenden Professor David Nutt führte.

Prof. Nutt wurde entlassen für die Inhalte, die er in einer seiner Vorlesungen in seiner Rolle als Akademiker vermittelte. Er wiederholte die Empfehlungen, die das ACMD für eine sinnvolle Klassifizierung von Cannabis und Ecstasy gegeben hatte, Empfehlungen, welche die Regierung ablehnte.

Zwei unserer Mitglieder, Dr. Les King und Marian Walker traten in der Folge aus Protest zurück.

Bei diesem Treffen war es Ihnen nicht möglich, die nötigen Versicherungen zu vermitteln, wie die unabhängigen wissenschaftlichen Empfehlungen in Zukunft gehandhabt werden sollen, und drei weitere Mitglieder, Dr. Simon Campbell, Dr. John Marsden und Dr. Ian Ragan traten zurück.

Andere von uns im ACMD waren dafür, auf die Antwort der Regierung zur Frage betreffend die Prinzipien für wissenschaftliche Empfehlungen zu warten, die von der wissenschaftlichen Gemeinschaft und vielen ACMD Mitgliedern gestellt wurde.

Die erste Antwort der Regierung, im Dezember veröffentlicht, war höchst unbefriedigend und schien nur die Festlegung des Ministers und die Entlassung von unabhängigen wissenschaftlichen Beratern mit Bezug auf  „Glaubwürdigkeit“ zu rechtfertigen.

Wir hatten Verstanden, dass die Anforderung an uns, den Ratgebenden, sei, den Verhaltenskodex für den wissenschaftlichen Beirat zu befolgen und nicht zugunsten oder für die Glaubwürdigkeit eines Ministers unseren Rat zu geben.

Angesehene Wissenschaftler und Regierungsberater haben Einwände dazu vorgebracht, genau wie die Einlassung des ACMD zu jenem Dokument. Die gleichen Punkte wurden vom Science and Technology Select Committee in ihren Briefen an die Regierung aufgeworfen.

Ich bin daher sehr überrascht und enttäuscht, dass die Regierung diese Sorgen zurückweist mit der Veröffentlichung der finalen Version dieser Prinzipien in dieser Woche. Die erste Anforderung ist eine „Vertrauensbasis“, die mit Sanktionen gegen unabhängige Wissenschaftler verstärkt wird – ungeachtet dessen, was in dem Verhaltenskodex zusammengestellt worden ist.

Ich glaube es gibt nur wenig, was wir machen können um zu Beschreiben, wie wichtig es ist, dass die Empfehlung nicht von den Begehren von Ministern oder der Stimmung der Tagespresse unterworfen ist.

Ich bin sehr stolz über den hohen Standard, den die Arbeit bei der ACMD ermöglicht hat, und ich habe vollstes Vertrauen in meine Kollegen beim ACMD und ihrem Vorsitzenden, Prof. Les Iverson, und somit ist es bedauerlich, dass ich miuch genötigt fühle, meinen Mangel an Vertrauen auszudrücken, in welcher Art und Weise die Regierung mit ihrem [der ACMD] Rat umgeht. Somit ist es mir nicht möglich, weiter in diesem Kommitee mitzuarbeiten.

Mit freundlichen Grüßen,
Dr Polly Taylor
«

Auch in Deutschland werden wissenschaftliche Erkenntnisse in der Drogenpolitik ignoriert

Das Bundesministerium für Gesundheit hatte im Jahr 1999 eine Drogen- und Suchtkommission berufen, der hochkarätige Expertinnen und Experten aus den Bereichen Medizin, Psychologie, Rechtswissenschaften, Sozialwissenschaften sowie ein Vertreter der Betroffenen und ein Journalist und Praktiker angehörten. Das 14-köpfige Gremium hatte sich am 8. Dezember 1999 in Berlin konstituiert. Die Aufgabe der Kommission war es, Empfehlungen zur Verbesserung der Suchtprävention auszuarbeiten. Des Weiteren sollte die Kommission dazu beitragen, einen neuen Nationalen Aktionsplan Drogen und Suchtmittel zu entwickeln, der die wichtigen Aspekte und Maßnahmen in diesem Bereich auf allen Ebenen umfassen sollte.

Am 4. Juni 2002 hatte die Drogen- und Suchtkommission der Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) und der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Marion Caspers-Merk, ihren Abschlussbericht zur Verbesserung der Suchtprävention übergeben. Damals hatte das Gesundheitsministerium zu diesem Anlass eine Pressemitteilung mit dem Titel »Politik der Bundesregierung sieht sich durch das Votum der Drogen- und Suchtkommission bestätigt« veröffentlicht. Sowohl die Pressemitteilung (Nr. 13 vom 4. Juni 2002) als auch eine Vollversion des Abschlussberichtes der Drogen- und Suchtkommission konnte man über mehrere Monate hinweg auf der Website des Gesundheitsministeriums abrufen. Heute sucht man jedoch auf der Website des Ministeriums vergeblich nach diesen beiden Dokumenten. Sie wurden einfach wieder entfernt. Und damit dies nicht allzu auffällig erschien, wurde bei allen Pressemitteilungen der Drogenbeauftragten aus den Jahren 2001 und 2002 die Nummerierung ebenfalls entfernt. Mit nahezu akribischer Präzision wurden hier nach klassischer Geheimdienstmanier wie zu Stalins Zeiten in der Sowjetunion Dokumente aus Verzeichnissen entfernt, um das in diesen amtlichen Dokumenten transportierte Gedankengut besser ausmerzen zu können.

Nach wie vor baut die amtliche Drogenpolitik in der Bundesrepublik Deutschland auf die fachliche Unkenntnis der Bevölkerung und unterschlägt deshalb systematisch wichtige Informationen, um den Stand der allgemeinen Unkenntnis nicht zu gefährden.  Beispielsweise wurde im Drogen- und Suchtbericht der Drogenbeauftragten der Bundesregierung vom 29. April 2003 der Abschlussbericht der Drogen- und Suchtkommission vom Juni 2002 erwähnt (S. 21), jedoch ohne der Angabe einer Bezugsquelle und unter Unterschlagung wichtiger Empfehlungen der Kommission wie:

»Vielmehr ist besonderes Augenmerk auf mögliche schädliche Nebenwirkungen solcher Gesetze (z. B. Stigmatisierung bestimmter Personengruppen, negative Effekte durch Inhaftierungen etc.) zu richten. Zudem sollten Gesetze regelmäßig evaluiert und daraufhin überprüft werden, ob die in sie gesetzten Erwartungen auch tatsächlich erfüllt worden sind. Sollte die (unabhängige) Evaluation zu dem Ergebnis kommen, dass dies nicht der Fall ist, dann sind die Gesetze abzuschaffen, im Ausnahmefall auch zu ändern.« [S. 30]

»Der Gesetzgeber hat in den vergangenen Jahren aus politischen Erwägungen mit dem §§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10, 11 und 12 BtMG besondere Tatbestandsformen der Beihilfe zum Konsum geschaffen und mit Strafe bedroht, obwohl von seiten der Strafverfolgung hier kein Bedürfnis bestand. So zeigen denn auch die Statistiken der Strafverfolgungsbehörden, dass diese Vorschriften nicht zu Verurteilungen führen, aber von den politischen Parteien bei der Bewertung von Drogenhilfe und Therapiemaßnahmen häufig zitiert werden. Die Lösung der Probleme wäre deshalb eine ersatzlose Streichung dieser Vorschriften.« [S. 31]

Wissenschaftliche Erkentnisse sind seitens der amtlichen Drogenpolitik offenbar weder in Deutschland noch in England erwünscht. Die Fundamentalisten führen hier wie dort offenbar weiterhin die Regie.

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