Das Motto der nächsten Hanfparade, die ein Tag vor Vollmond am Samstag, den 9. August 2014, in Berlin stattfinden wird, lautet „grünes Licht für die Legalisierung“. Grünes Licht an der Ampel heißt für Fußgänger, Rad- und Autofahrer, dass man losgehen respektive losfahren kann. Im übertragenen Sinn bedeutet grünes Licht für etwas, dass dieses Etwas begonnen werden kann, in Angriff genommen werden kann oder realisiert werden kann. Im juristischen und/oder politischen Sinn braucht es hierfür eine Erlaubnis, eine Bewilligung, eine Genehmigung oder eine Zustimmmung. Auf der Hanfparade wird in diesem Sinn für die Legalisierung von Cannabis als Rohstoff, Medizin und Genussmittel demonstriert.
Das Motto „grünes Licht für die Legalisierung“ hat nur bedingt etwas mit der Partei Bündnis 90 / Die Grünen zu tun und soll nicht als parteipolitische Empfehlung gewertet werden, vielmehr wird sich die Hanfparade kritisch mit der Drogen- und Suchtpolitik der Grünen auseinandersetzen. Deshalb wird nach der Auftaktkundgebung auf dem Washingtonplatz südlich des Hauptbahnhofes die erste Zwischenkundgebung auf dem Platz vor dem Neuen Tor 1 vor der Bundesgeschäftsstelle der Partei Bündnis 90 / Die Grünen stattfinden.
Abbildung 1: Wahlplakat der Grünen aus dem Jahr 1998.
Vor der Bundestagswahl im Herbst 1998 buhlten die Grünen um die Gunst der Kiffer und versprachen eine Entkriminalisierung der Cannabiskonsumenten. Nachdem am 27. Oktober 1998 die Rot-Grüne Bundesregierung ihre Arbeit aufnahm, machte sie jedoch nicht etwa das Hanfsamenverbot rückgängig, sondern intensivierte die Kifferjagd mit viel propagandistischer Begleitmusik. So stiegt die Anzahl der polizeilich registrierten Delikte in Bezug auf Cannabis von 112.923 im Jahr 1998 auf 177.203 im Jahr 2004. Dies entspricht einer Zunahme um 57 Prozent. Am 18. Oktober 2005 war die offizielle Regierungszeit von Rot-Grün beendet, bis zum 22. November 2005 war diese Regierung jedoch noch mit der Wahrnehmung der Geschäfte beauftragt.
Abbildung 2: Grün gewählt und bekommen.
Während der Regierungszeit von Rot-Grün fühlten sich viele Kiffer vor allem von den Grünen verraten und so entstand das symbolisch sehr ausdrucksstarke Plakat, das oben abgebildet ist. Eine wahre Parodie auf das Wahlversprechen der Grünen.
In den letzten Jahren bemühten sich die Grünen sehr stark, ihr Ansehen bei den geschätzten vier Millionen Kiffer in Deutschland wieder zu verbessern. Im Bundesnetzwerk Drogenpolitik (BND) wie auch in der Landesarbeitsgemeinschaft Drogenpolitik in Berlin wurden gute Texte für die Partei- und Wahlprogramme verfasst. In diesen Gremien sitzen sehr fähige Leute wie Maximilian Plenert, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Deutschen Hanfverband (DHV) tätig ist, Joachim Eul, Molekularbiologie und Biochemiker sowie Geschäftsführer des Instituts für Empirische und Interdisziplinäre Drogen-Forschung (INEIDFO) oder auch der Pharmazeut Tibor Harrach von der Drugchecking Initiative Berlin Brandenburg. Mit Harald Terpe, Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen für Drogen- und Suchtpolitik, haben die Grünen zudem einen der elaboriertesten Drogenpolitiker im Deutschen Bundestag. Nur Frank Tempel, Drogenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der Partei Die Linke, kann ihm im Bundestag diesbezüglich das Wasser reichen.
Es gibt jedoch grüne Spitzenpolitiker, die von den fortschrittlichen Ansätzen in den Wahlprogrammen nichts wissen wollen und durch ihr obstruktives Verhalten die Arbeit der Fachgremien in grausamer Weise sabotieren. So Renate Künast, Spitzenkandidatin der Grünen bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus in Berlin im Jahr 2011. In einem Interview mit der SUPERillu sagte sie zum Thema „Recht auf Rausch“:
„In welchem Jahrhundert machen Sie eigentlich dieses Interview mit mir? Diese Zeiten sind längst vorbei. Mein Ziel ist es, dass die Menschen ein möglichst drogenfreies Leben führen, weil ein drogenfreies Leben gesund und schön ist und viele Probleme – nehmen wir nur die Beschaffungskriminalität – gar nicht erst entstehen. Ich gebe allerdings zu, dass zum Beispiel Koffein oder Nikotin auch Drogen sind – und ich durchaus Verständnis dafür habe, wenn hier jemand schwach wird.“
Damit hatte Renate Künast ihrer Partei einen Bärendienst erwiesen. Viele traditionelle Grünwähler überlegten sich in der Folge, ob sie deshalb die Linken oder die Piraten wählen sollten – die einzigen Parteien, die außer den Grünen was Vernünftiges zur Drogen- respektive Suchtpolitik in ihrem Wahlprogramm zu stehen haben. Jedenfalls sank in der Folge innerhalb einer Woche nach dem Interview, das im der deutschen Medienlandschaft für großes Aufsehen sorgte, bei den Umfragen der Meinungsforschungsinstituten der Zuspruch für die Grünen um mehrere Prozentpunkte.
Abbildung 3: Hanfblatt hinter Gitter mit Überwachungskameras. Davor Thomas (links) und Hans (Autor dieses Artikels) vom OrgaTeam der Hanfparade auf der Startkundgebung der Demonstration Freiheit statt Angst am Samstag, 7. September 2013, am Alexanderplatz in Berlin.
Die Hanfparade ist seit Jahren immer auf der Demonstration Freiheit statt Angst präsent, da sich viele Überwachungsmaßnahmen in der Praxis gegen Hanfkonsumenten und deren Lieferanten richten. Vor der Einführung solcher Maßnahmen wird von vielen Politikern immer wieder beteuert, dass die Maßnahmen notwendig seien, um gegen Kinderpornographie und gegen Terrorismus vorgehen zu können. In der Praxis sind jedoch über 50 Prozent der Anlässe für eine Telekommunikationsüberwachung der Drogenhandel, etwa 1 Prozent betreffen Terrorismus und weit weniger als 1 Prozent betrifft Kinderpornographie, wie man auf der folgenden Grafik des Bundesamtes für Justiz sehen kann.
Abbildung 4: Anlässe für Telekommunikationsüberwachung 2009, Quelle Bundesamt für Justiz.
Auf der Demonstration Freiheit statt Angst stand bei der Auftaktkundgebung die Delegation der Hanfparade zwischen den Infoständen der Grünen und der Piratenpartei. Dabei ragte ein Teil des Hanfblattes vor das Großplakat der Grünen. Vor dem Plakat wollte Renates Künast ein Interview geben, das gefilmt werden sollte. Kurz vor dem Interview forderte Künast dann die Crew der Hanfparade in einem harschen Ton auf, das Hanfblatt weg zu ziehen, so dass es nicht im Bild der geplanten Aufnahme zu sehen sein wird. So rückte das Team der Hanfparade mit dem Hanfblatt weg vom Stand der Grünen näher hin zum Stand der Piraten – ja, das war wohl mehr als ein symbolischer Akt.
Abbildung 5: Links im Bild Thomas und Hans von der Hanfparade, in der Bildmitte Renate Künast vor dem Plakat der Grünen.
Auch andere Politiker der Grünen kümmern sich nicht gerne um die Belange respektive Interessen der Cannabisfreunde. So zum Beispiel Winfried Kretschmann, seit dem 12. Mai 2011 Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Hier können sich die Grünen nicht damit herausreden, dass sie sich beim Thema Cannabis als kleiner Koalitionspartner nicht durchsetzen konnten. Hier sind sie der größere Koalitionspartner und stellen den Ministerpräsidenten. Trotzdem passiert beim Thema Cannabis dort rein gar nichts; in einem Bundesland, das sowieso schon deutlich repressiver agiert als die meisten anderen. Hier versagen die Grünen grandios – trotz oder gerade wegen ihres sehr guten Wahlprogramms in Sachen Cannabis. Deshalb hat der Deutsche Hanfverband in Stuttgart eine Plakataktion unter dem Motto „Auch die Grünen jagen Hanffreunde. Wie lange noch?“ gestartet.
Um „grünes Licht für die Legalisierung“ zu erhalten, muss man vielleicht doch besser Rot (Die Linke) oder Orange (Piratenpartei) wählen. Eine gut Wahlhilfe sind jedenfalls die Wahlprüfsteine des Deutschen Hanfverbandes für die Bundestagswahl 2013. Hier kann man sich über die Programme und Aktivitäten der Parteien zur Bundestagwahl am 22. September 2013 informieren und es gibt Wahlempfehlungen. Schwerpunkt der Betrachtungen ist die bisherige und zu erwartende Drogenpolitik, insbesondere bezüglich Cannabis.
[…] 12.09.2013: TAZ-Blog Drogerie: Hans Cousto: Grünes Licht für die Legalisierung […]