Am Dienstag, 29. Oktober 2013, fand im „Kreuzer“ im Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg eine Anwohnerversammlung mit der Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) zum Thema Drogenhandel im Park statt. Monika Herrmann erläuterte ihre Idee eines legalen Cannabisverkaufs am Görlitzer Park und bekam sowohl Zuspruch als auch Gegenwind. So kontrovers diskutiert wurde, so unterschiedlich war auch die Berichterstattung in den Medien. Am ausführlichsten berichtete die Taz über die Versammlung unter dem Titel „Anwohnerversammlung in Kreuzberg – Coffeeshop lässt Köpfe rauchen“ und vermittelte ein differenziertes Bild der vorgetragenen Ansichten. Auch die Berliner Zeitung berichtete differenziert unter dem Titel „Legale Cannabis-Abgabe im öffentlichen Interesse“ über die Situation im Park und klärte ihre Leser über die rechtlichen Möglichkeiten auf. Selbst die Berliner Morgenpost berichtete ausführlich und neutral unter dem Titel „Anwohner vom Görlitzer Park diskutieren über Coffeeshop“. In allen Artikeln wird zum Ausdruck gebracht, dass es eine übermäßige Nutzung des Parks gebe und die Befürchtung bestehe, dass der Park doch jetzt schon eine Partymeile sei und die Gegend nicht einen weiteren Zustrom von Touristen aushalten könne.
Herrmann versuchte, die Bedenken auszuräumen. „Nur ein Coffeeshop im Görlitzer Park wird es nicht sein“, sagte sie. „Im Idealfall“ solle das Konzept in mehreren deutschen Städten eingerichtet und parallel Suchtberatung und -prävention ausgebaut werden. Die Bezirksbürgermeisterin Herrmann sagte weiter: „Das Asylgesetz muss verändert werden.“ Sie ermutigte die Anwohner und Nutzer des Parks zu einem „offenen Umgang mit den Dealern“, die meistens, wenn nicht Deutsch, so doch zumindest Englisch und Französisch fließend sprechen können. Doch am Ende der Diskussion ist keine Lösung in Sicht. Stattdessen wurde deutlich, dass es bei dem Modellprojekt eines Coffeeshops um zwei Themen geht. Nämlich um das Betäubungsmittel- und das Asylgesetz. Zwei Themen, die, wie auch Hermann zugeben musste, nicht auf Bezirksebene zu lösen sind.
Termingerecht gab der Berliner Innensenator Frank Henkel (CDU) eine Pressemitteilung unter dem Titel „Druck auf Drogendealer: Über 100 Schwerpunkteinsätze im Görlitzer Park“ heraus, in der er die Aktivitäten der Polizei hervor hob. Wörtlich hieß es darin: „Die Berliner Polizei übt hohen Druck auf die Drogenszene im Görlitzer Park aus. In den ersten drei Quartalen des laufenden Jahres hat sie 113 Einsätze mit Schwerpunkt Betäubungsmittel im Park durchgeführt. Der personelle Aufwand beläuft sich auf 7.749 Einsätzkräftestunden. Bei den Schwerpunkteinsätzen hat die Berliner Polizei von Januar bis Ende September dieses Jahres 948 Personen überprüft und 402 Platzverweise ausgesprochen. Es kam zu 229 Freiheitsentziehungen. Zudem wurden 561 Ermittlungsverfahren eingeleitet, davon 310 Verfahren nach Betäubungsmittelgesetz und 178 Verfahren nach Aufenthaltsgesetz oder Asylverfahrensgesetz.“
Diese Meldung wurde von vielen Zeitungen kolportiert, doch nur wenige Zeitungen hinterfragten den Sinn und Erfolg dieser Polizeieinsätze. Zu den wenigen Zeitungen gehörte das Neue Deutschland, das unter dem Titel „Henkels Pyrrhusrazzien – Martin Kröger findet die Einsätze im Görlitzer Park falsch“ den Innensenator kritisierte: „Nun geht es Henkel natürlich nicht nur darum, Aktivismus zu demonstrieren. Er will auch die Repressionsschiene gegenüber der von den Grünen angeregten Diskussion um einen Coffeeshop herausstellen. Dass Henkel die Idee für den Shop in dieser frühen Phase der Diskussion als »falschen Weg« abschlägt, ist indes fatal. Wer wirklich etwas im Dialog ändern will, muss ergebnisoffen diskutieren – und nicht nur die Polizei für Pyrrhus-Razzien aussenden.“
Henkel gehört zu jenen CDU-Politikern, die in Sachen Weiterentwicklung der Schadensminderung im Problemfeld des Drogenkonsums prinzipiell dagegen sind. Dies kennt man seit Jahrzehnten bei der CDU: Gegen Substitution mit Methadon, gegen Spritzenaustauschprogramme, gegen Fixerstuben, gegen Originalstoffvergabe (Heroinabgabe). Zum Glück hat sich in all diesen Fällen die Vernunft durchgesetzt und Substitutionsprogramme, Spritzentausch, Fixerstuben und Originalstoffvergabe gehören heute in weiten Teilen Deutschlands zu den bewährten Instrumentarien der Schadensminderung, die vielen Menschen das Leben gerettet und vielen Familien eine weitere gemeinsame Existenz ermöglicht haben. Möge bald auch in Sachen Cannabispolitik die Vernunft die Sturheit überflügeln.
Wer will, kann sich am Samstag, 9. November 2013, im Görlitzer Park über die Situation und mögliche Perspektiven vor Ort informieren.
GÖRLI – WAS TUN?
Unterschiedliche Interessen sehen – Zukunftsperspektiven finden!
Öffentliche Veranstaltung am Sa. 9. November 2013, 12 bis 18 Uhr
am Pamukkale-Vorplatz und im Kreuzer Jugendclub
im Westteil des Görlitzer Parks
Ablauf
12:00 Uhr Hearing
14:00 Uhr Offenes Forum
17:00 Uhr Abschlussplenum
Zum Programm hier klicken.
Vergl. hierzu:
Meldung vom 25.10.2013 in diesem Blog:
Die Mär vom Junkie-Kot im Görli
Heiko Werning: Coffeeshop im Görlitzer Park – Dope, Love and Happiness,
in der TAZ vom 31. Oktober 2013
[…] in diesem Blog: Artikel vom 26.11.2013: Was Politiker zu Coffeeshops meinen Artikel vom 30.10.2013: Dealer im Görli – Was tun? Artikel vom 25.10.2013: Die Mär vom Junkie-Kot im […]