Auf der Internetseite des Deutschen Bundestags kann ab sofort die Petition von Franjo Grotenhermen, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin, mitgezeichnet werden. Die Petition trägt die Nummer 52664 und kann zur Unterzeichnung auf der Petitionswebsite des Deutschen Bundestags aufgerufen werden.
Text der Petition
Der Deutsche Bundestag möge beschließen, dass die Bundesregierung Maßnahmen ergreift, damit die Kosten einer Behandlung mit Medikamenten auf Cannabisbasis bezahlt werden. Der Bundestag möge zudem beschließen, dass Strafverfahren gegen Patientinnen und Patienten im Zusammenhang mit einer durch einen Arzt bescheinigten notwendigen medizinischen Verwendung von Cannabisprodukten grundsätzlich eingestellt werden.
Begründung
Patientinnen und Patienten, die von einer Behandlung mit Medikamenten auf Cannabisbasis profitieren, sollten unabhängig von ihren wirtschaftlichen Verhältnissen einen Zugang zu Cannabisprodukten erhalten. Die inhumane strafrechtliche Verfolgung von kranken Bundesbürgern, die mit Unterstützung ihrer Ärztin bzw. ihres Arztes eine Selbsttherapie mit Cannabis durchführen, muss beendet werden. So würden sowohl die Therapiefreiheit als auch die Menschenrechtssituation kranker Menschen in Deutschland spürbar verbessert.
In Deutschland können drei Medikamente auf Cannabisbasis auf einem Betäubungsmittelrezept verschrieben werden. Zudem besteht die Möglichkeit einer Ausnahmeerlaubnis durch die Bundesopiumstelle zur Verwendung von Medizinal-Cannabisblüten aus der Apotheke. In beiden Fällen müssen die Betroffenen die häufig nicht unerheblichen Behandlungskosten meistens selbst tragen.
Daher sind vermögende Patientinnen und Patienten in Deutschland hinsichtlich der Möglichkeiten der medizinischen Nutzung von Cannabisprodukten deutlich besser gestellt als weniger vermögende Patientinnen und Patienten. Es besteht in diesem Bereich eine Zweiklassenmedizin und eine medizinische Unterversorgung. Hunderttausende von Bürgerinnen und Bürgern sind heute mangels erschwinglicher Alternativen gezwungen, sich illegal mit Cannabisprodukten selbst zu therapieren.
In anderen Ländern wurden unterschiedliche Lösungen für dieses Problem gefunden. So erstatten viele Krankenkassen in den Niederlanden eine Behandlung mit Cannabisblüten. In Israel und Kanada sind die Preise für Cannabisprodukte wesentlich niedriger als in Deutschland. In Spanien ist der Anbau von Cannabis für den Eigenbedarf erlaubt.
Wenn man eine ärztlich befürwortete Selbsttherapie nicht legalisieren möchte, so sollte wenigstens der § 31 des Betäubungsmittelgesetzes, nach dem bereits heute ein Strafverfahren eingestellt werden soll, wenn nur eine „geringe Schuld“ vorliegt, sinnvoll erweitert werden. Bisher wird von einer geringen Schuld nur ausgegangen, wenn es um den Besitz einer kleinen Cannabismenge geht. Patientinnen und Patienten, die sich mangels Alternativen selbst therapieren, besitzen jedoch notwendigerweise häufig erhebliche Cannabismengen und sind zudem Wiederholungstäter. Es sollte Ärztinnen und Ärzten erlaubt sein, Empfehlungen für eine Selbsttherapie mit Cannabisprodukten auszusprechen, und Strafverfahren gegen Patientinnen und Patienten mit einer solchen ärztlichen Empfehlung sollten ebenfalls grundsätzlich eingestellt werden.
Internationale Vergleiche mit Ländern wie Kanada und Israel zeigen, dass die Versorgung der deutschen Bevölkerung mit Medikamenten auf Cannabisbasis unzureichend ist. Das mit der unhaltbaren gegenwärtigen Situation verbundene körperliche und seelische Leid durch unzureichend behandelte schwere Krankheitssymptome bzw. eine andauernde Angst vor Strafverfolgung darf nicht ohne Not fortgesetzt werden. Hier ist der Gesetzgeber in der Pflicht.
Die Petenten
Der Hauptpetent ist Dr. med. Franjo Grotenhermen, Vorsitzender der Internationalen Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (IACM). Zu den weiteren Petenten zählen u.a. Dr. med. Ellis Huber, der im Jahr 1987 zum Präsidenten der Ärztekammer Berlin gewählt wurde und dieses Amt nach Wiederwahl 1991 und 1995 bis Anfang 1999 inne hatte; Prof. Dr. Kirsten Müller-Vahl, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Tourette-Gesellschaft Deutschland und Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin; Prof. Dr. rer. pol. Heino Stöver, Professor für den Fachbereich Sozialwissenschaften der Fachhochschule Frankfurt am Main; Prof. Dr. Lorenz Böllinger, emeritierter Professor für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Bremen; Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Rolf Verres, Facharzt für psychotherapheutische Medizin, Ordinarius und ärztlicher Direktor der Abteilung Medizinische Psychologie der Psychosomatischen Universitätsklinik Heidelberg; Prof. Dr. Sebastian Scheerer, Kriminologe und Soziologe sowie geschäftsführender Direktor am Institut für Kriminologische Sozialforschung an der Universität Hamburg; Prof. Dr. Matthias Karst, Leiter der Schmerzambulanz in der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin der Medizinische Hochschule Hannover sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Interdsiziplinäre Medizin Hannover; Dirk Schäffer, Drogenreferent der Deutschen AIDS-Hilfe; Georg Wurth, Geschäftsführer des Deutschen Hanfverbandes (DHV) und mehrere Mediziner und Cannabispatienten.
2003: Erste richterliche Erlaubnis zum Anbau von Cannabis
Am 27. November 2003 erhielt Michael Große, ein Patient mit der unheilbaren und phasenweise sehr schmerzlichen Darmkrankheit Morbus Crohn, die richterliche Erlaubnis zum Anbau und zur Verwendung von Cannabis. Der Richter Michael Zimmermann vom Amtsgericht Tiergarten urteilte, dass sich der Angeklagte Michael Große in einer Notstandslage befunden habe und die medizinische Verwendung von Cannabis daher gerechtfertigt sei. Der Staatsanwalt verzichtete darauf, Berufung einzulegen. Damit war das Urteil rechtskräftig. Zum ersten Mal seit mehr als vierzig Jahren durfte wieder ein Patient in Deutschland Cannabis zu medizinischen Zwecken anbauen und konsumieren. Vergl. hierzu: Richter ebnen den Weg für Cannabis als Medizin.
8. Juli 2014: Verwaltungsgericht Köln hilft schwerkranken Patienten
Das Verwaltungsgericht Köln hat drei Patienten das Recht auf Eigenanbau zugesprochen. Die zuständigen Verwaltungsbehörde, das Bundesamt für Arzneimittel, hat nun lediglich noch die Möglichkeit die Modalitäten dieses Eigenanbaus zu beeinflussen, insbesondere gewisse Mindestanforderungen für die Sicherung des Anbaus durchzusetzen. Dabei hat die 7. Kammer des Verwaltungsgericht aber auch klar gestellt, dass für den Eigenanbau von Patienten niedrigere Sicherheitsanforderungen gelten, als für Krankenhäuser oder Apotheken.
Mit diesen Entscheidungen ist das Verwaltungsgericht Köln einen wichtigen Schritt über seine Entscheidung aus dem Jahr 2011 und über die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts NRW vom 11. Juni 2014 hinausgegangen. In diesen Entscheidungen waren die Eigenanbauverbote der Beklagten, der Bundesrepublik Deutschland, zwar auch für rechtswidrig erklärt worden. In den Urteilen hatten die Gerichte aber der Bundesrepublik Deutschland noch Ermessen auch hinsichtlich der „Ob“ eines Eigenanbaus bei den schwerkranken Patienten ohne Therapiealternative eingeräumt. Da das Bundesministerium für Gesundheit die zuständige Behörde, das Bundesamt für Arzneimitteln, angewiesen hat, keine Eigenanbau-Erlaubnis zu erteilen, ist zu befürchten, dass das Ermessen stets zu Ungunsten der Patienten angewandt wird.
VG Köln: Stattgebende Urteile: 7 K 4447/11, 7 K 4450/11 und 7 K 5217/12.
Das Leiden der Patienten reduzieren
Die pharmakologischen Wirkungen von Cannabis sind in jüngster Zeit jedoch wieder stark in den Fokus der medizinischen Forschung gerückt. Verantwortlich für die Wirkungen sind Inhaltsstoffe die als Cannabinoide bezeichnet werden; allen voran das Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) und das Cannabidiol (CBD). Gut dokumentiert und nachgewiesen ist die Wirksamkeit des Cannabis bei Übelkeit, Erbrechen, und Kachexie. Viele Studien weisen darauf hin, dass ein großes arzneiliches Potential in der Schmerztherapie, bei Depressionen und bei vielen Autoimmunerkrankungen, wie beispielsweise multipler Sklerose und Morbus Crohn vorliegt.
Cannabis und seine Wirkstoffe sind in den Anlagen des BtMG aufgelistet. Aufgabe des des BtMG ist es eigentlich, den Verkehr mit Betäubungsmitteln zum Wohle und gemäß den Bedürfnissen der Patienten zu regeln. Doch für das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) scheint das BtMG in erster Linie ein Gesetz zur „Verhinderung des Verkehrs mit Betäubungsmitteln“ zu sein. Offensichtlich wird beim BfArM die Verbotskultur (besser: Verbotsunkultur) höher bewertet als das Wohl der Patienten. Dr. Franjo Grotenhermen, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin IACM), erklärte hierzu: „Es ist beschämend für ein zivilisiertes Land, dass es für diese Patienten keine andere Lösung findet, als sie wie Verbrecher zu behandeln und ins Gefängnis zu werfen.“ – IACM-News vom 18. August 2007
Die Prohibitionspolitik in der Bundesrepublik Deutschland nimmt Elend und Tod Schwerkranker billigend in Kauf und zeigt damit ihr wahres unmenschliches Gesicht – im vielfachen Leid der Schmerz-, Krebs-, AIDS- oder MS-Patienten zeigt sich, dass die deutsche Drogenpolitik weit mehr von Sadismus als von Recht und Ethik geprägt ist. Weshalb gegen solche staatliche Rechtswidrigkeit nicht schnell und nachhaltig gerichtlicher Rechtsschutz mobilisiert werden kann, ist unerklärlich. Mit der Petition wird gegen diese unmenschliche und rechtswidrige Politik ein Zeichen gesetzt und gefordert, dass natürliches Cannabis für Patienten als Medizin zugelassen wird.
Website zur Petition
Es gibt mittlerweile 3 Studien, die zeigen, dass Cannabis die Symptome bei Morbus Crohn lindern kann (http://www.feuer-im-darm.de/morbus-crohn-cannabis-kann-symptome-lindern/).
Eine der Studien ist sogar placebokontrolliert und teilweise verbesserten sich nicht nur die Symptome, sondern auch die Entzündung im Darm.
Das einzige, was als letzter Beweis noch fehlt, sind Studien mit einer höheren Teilnehmerzahl(>100). Ich bin gespannt, was die Forschung in den nächsten Jahren noch ergeben wird.