vonHans Cousto 31.05.2016

Drogerie

Aufklärung über Drogen – die legalen und illegalen Highs & Downs und die Politik, die damit gemacht wird.

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LSD ist die Reizpeitsche des sterbenden Kapitalismus

Die Einschätzung, dass LSD die Reizpeitsche des sterbenden Kapitalismus’ sei, wurde im Jahr 1967 in den Medien der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) kolportiert. In den Lehrbüchern der Militärchemie, die im Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik erschienen, wurde der Substanz LSD große Bedeutung beigemessen – so nachzulesen im Buch „Halluzinogene im Sozialismus – Nachdrucke aus Büchern der DDR-Volksarmee“ von Jochen Gartz.

Für Timothy Leary war LSD hingegen ein Mittel zur „Neu-Programmierung“ des Gehirns. Durch die veränderte Wahrnehmung offenbart sich einem die Welt in einer neuartigen Art und Weise, die mit einer Erweiterung des Bewusstseins einhergeht. Die Erfahrungen, die Welt und alles Lebendige aus einer anderen Perspektive zu erleben, veranlassten ihn zusammen mit Richard Alpert und Ralph Metzner bereits 1964 ein spirituell geprägtes Buch zu veröffentlichen, „Psychedelische Erfahrungen – Ein Handbuch nach Weisungen des Tibetanischen Totenbuches“.
Timothy Leary, (c) by Nachtschatten VerlagTimothy Leary wurde  am 22. Oktober 1920 in Springfield, Massachusetts, geboren. Er starb am 31. Mai 1996 in Beverly Hills. Er war ein US-amerikanischer Psychologe, Drogenforscher und Autor. Er wurde von der Hippie-Bewegung wie ein Guru verehrt. Für die US-amerikanische Regierung war er hingegen der gefährlichste Mann der Welt.

Turn on, Tune in, Drop out!

Leary trat vehement für den freien Zugang zu psychedelischen Substanzen ein. In diesem Zusammenhang verkündete er 1966 die Botschaft „Turn on, Tune in, Drop out!“ Er lieferte hierzu folgende Interpretation: Turn on = „Finde ein Sakrament, das Dich zu Gott bringt und zu Deinem eigenen Körper; geh über Dich hinaus, verwandle Dich!“ – Tune in = „Bleibe wiedergeboren, drücke es aus, beginne ein neues Leben, das Deine Visionen widerspiegelt!“ – Drop out = „Befreie Dich vom äußeren Drama, das so ausgehöhlt und leer ist wie eine TV-Show!

Drug, Set and Setting

Die drei Begriffe Drug, Set und Setting zur Beschreibung therapeutischer und ritueller Drogensitzungen wurden von Leary etwa zur gleichen Zeit eingeführt. Der Begriff Set bezieht sich auf das, was jemand in die Konsumsituation einbringt, so die persönlichen Erinnerungen, die eigene Lernfähigkeit, das individuelle Temperament, das vertraute emotionale, ethische und rationale Wertesystem und vor allem die gestellte Erwartungshaltung an die Drogenerfahrung. Das Setting bezieht sich auf das soziale, räumliche und emotionelle Umfeld, das einen vor, während und nach dem Drogengebrauch umgibt. Der wichtigste Aspekt des Settings ist jedoch das Verhalten, das Verständnis und das Einfühlungsvermögen der Person oder Personen, welche die Drogen dem oder den Konsumenten mitbrachten und überreichten. Informationen zu den Eigenschaften der Drogen (Drug), das heißt die rein substanzbezogenen Informationen, können aus Büchern oder Broschüren entnommen werden. Demgegenüber entziehen sich die interagierenden Faktoren der inneren Bereitschaft (Set) und der äußeren Umstände (Setting) einer normierten Betrachtungsweise.

Zwei Gebote

Leary propagierte zwei grundlegende Gebote für das psychedelische Zeitalter:

1. „Du sollst das Bewusstsein deines Nächsten nicht verändern.

2. „Du sollst deinen Nächsten nicht daran hindern, sein oder ihr Bewusstsein zu verändern.

Die acht Schaltkreise

Nach Leary hat der Mensch mindestens acht prägende Schaltkreise, von denen normalerweise von den meisten Menschen nur die ersten vier benutzt werden. Es ist hier anzumerken, dass Leary ursprünglich von sieben Schaltkreisen ausging, die den sieben Chakren zugeordnet werden konnten. Dem siebenten Schaltkreis hatte Leary die Substanz LSD zugeordnet. Doch dann lernte Leary den Wirkstoff Ketamin kennen, und dieser Wirkstoff veranlasste ihn, den achten Schaltkreis hinzuzufügen. Vermutlich hat Leary nie Dimethyltryptamin (DMT) geraucht, sonst hätte er wohl noch einen neunten (himmlischen) Schaltkreis erkannt und eingeführt. Leary hat ja jedem Schaltkreis eine oder mehrere ähnlich psychotrop wirkende Substanzen zugeordnet. Leary bezeichnete die Schaltkreise wie folgt (Zusammenfassung gemäß Wikipediaartikel Timothy Leary):

1. Der Bio-Überlebens-Schaltkreis (Bio-survival Circuit) ist für die grundlegenden lebenserhaltenden Maßnahmen zuständig. Er entscheidet, ob Objekte entweder als gefährlich oder als sicher eingestuft werden. Der Schaltkreis ist schon im Gehirn der einfachsten wirbellosen Tiere verankert. Es ist der erste, der im Gehirn des Säuglings aktiv wird – kurz nach der Geburt. Leary verbindet diesen Schaltkreis mit Opiaten.

2. Der gefühlsbezogene, territoriale Schaltkreis (Emotional Circuit) kümmert sich vorwiegend um die gröbsten Emotionen und unterscheidet nach unterwürfigem oder beherrschendem Verhalten. Er trat in der Evolution als erstes in Wirbeltieren (Vertebrata) auf. Im Menschen wird der Schaltkreis aktiv, sobald das Kind gehen lernt. Leary verbindet diesen Schaltkreis mit Ethanol (Alkohol).

3. Der semantische Schaltkreis (Dexterity-Symbolism Circuit) ist mit logischem und symbolischem Denken verbunden. Er geht zurück bis zu dem Zeitpunkt, als die ersten Hominiden begannen, sich vom Rest der Primaten zu unterscheiden, als sie anfingen, Werkzeuge zu benutzen und auf zwei Beinen zu gehen. Leary stellt diesen Schaltkreis mit der Wirkung von Koffein, Kokain und anderen Stimulanzien gleich.

4. Der sozio-sexuelle Schaltkreis (Social-Sexual Circuit) übernimmt das Betreiben von sozialen Netzwerken und das Übermitteln von Kultur über die Zeiten. Das Entstehen erster sozialer Strukturen in der Gesellschaft ging mit diesem Schaltkreis einher. Leary verband niemals eine Droge damit. Spätere Autoren haben ihn jedoch mit Ecstasy gleichgesetzt.

5. Der neurosomatische Schaltkreis (Neurosomatic Circuit) ist der erste, der in der rechten Gehirnhälfte angesiedelt ist. Bei den meisten Menschen sind er und alle weiteren jedoch inaktiv. Er erlaubt es einem, Dinge im multidimensionalen Raum zu erfahren – anstatt der Fähigkeit der meisten Menschen, nur Dinge in der 4-dimensionalen Raumzeit wahrzunehmen. Er soll uns bei zukünftigen Unternehmungen, bei der Erforschung des Weltraums unterstützen. Er tauchte vor ca. 4000 Jahren in den ersten begüterten Gesellschaftsformen auf, in denen die „irdischen Überlebensprobleme“ keine so große Rolle mehr spielten. Eine starke Ausprägung erreichte er mit der Entwicklung der Freizeitgesellschaft im zwanzigsten Jahrhundert. Er ist mit Hedonismus und Erotik in Zusammenhang zu bringen. Leary verbindet den Schaltkreis mit Marihuana, Tantra, Hatha Yoga und anderen okkulten Techniken oder einfach mit der Erfahrung des freien Falles zur richtigen Zeit.

6. Der metaprogrammierende oder bewusstseinsabstrahierende Schaltkreis (Neuroelectric Circuit) steht in Verbindung mit dem Bewusstwerden des Geistes, so dass er unabhängig von den Mustern und Prägungen der vorhergehenden Schaltkreise agiert. Nach Learys Einschätzung wird dieser Schaltkreis den Weg für die telepathische Kommunikation frei machen. Für diejenigen, bei denen die fünf vorhergehenden Schaltkreise aktiv sind, die aber nur mit der linken Gehirnhälfte arbeiten, ist es unmöglich, diesen Schaltkreis zu erreichen. Die Entwicklung dieses Schaltkreises geht mit der um 500 n. Chr. entstandenen Seidenstraße einher. Laut Leary charakterisieren Peyote und Psilocybin diesen Schaltkreis.

7. Der neurogenetische Schaltkreis (Neurogenetic Circuit) erlaubt Zugriff auf die genetischen Speicherfunktionen der DNA. Er ist verbunden mit den Erinnerungen der vergangenen Leben, dem Buch des Lebens und dem kollektiven Unbewussten, wie es C.G. Jung beschrieben hat. Außerdem eröffnet er wesentliche Züge von Unsterblichkeit im Menschen. Wahrscheinlich ist er unter hinduistischen und sufistischen Sekten am Ende des ersten Jahrtausends nach Christus entstanden. Der Schaltkreis wird durch LSD und Raja Yoga angeregt.

8. Der neuroatomare Schaltkreis (Neuro-atomic Circuit) eröffnet Zugang zum intergalaktischen, universalen Bewusstsein, welches dem Leben im Universum vorangeht. Er lässt Menschen außerhalb der Raumzeit und dem Zwang von Relativität operieren. Der Schaltkreis steht mit Ketamin in Zusammenhang.
Buchtitel „Chaos & Cyber-Kultur“ von Timothy LearyDas Buch „Chaos & Cyber-Kultur“ mit Beiträgen von William Gibson, Winona Ryder, William S. Burroughs und David Byrne erschien 1997 im Nachtschatten Verlag. Der am 31. Mai 1996 im Alter von 75 Jahren verstorbene Timothy Leary hinterlässt mit diesem, seinem letzten Buch, seine Erkenntnisse in ungefilterter Weise. Er zeigt hier die Möglichkeiten der neuen Kommunikationsmittel auf. In den letzten Jahren seines Lebens waren die wilden Zukunftsdimensionen der virtuellen Realität, der „Cyberspace“, seine Domäne. Geographische, sprachliche und politische Grenzen waren obsolet in diesen kybernetischen Räumen und Träumen. Es sind die letzten, unterhaltsamen und inspirierenden Texte eines der brillantesten und herzlichsten Denker des letzten Jahrhunderts.

Zum zwanzigsten Todestag hat der Nachtschatten Verlag das Buch nun auch als Digitalbuch (eBook) veröffentlicht. In einigen Kapiteln kann man hier gratis stöbern und so einen Einblick in den Reichtum von Learys Erkenntnissen gewinnen.

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