vonHans Cousto 09.02.2018

Drogerie

Aufklärung über Drogen – die legalen und illegalen Highs & Downs und die Politik, die damit gemacht wird.

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Gemäß Pressemitteilung der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung vom 7. Februar 2018 gilt Berlin als internationale Party-Hauptstadt. Für viele gehört zur Party allerdings auch der Konsum von Alkohol und illegalisierten Substanzen. Darüber gab es bisher zwar viele Berichte aber wenig gesicherte Daten und wissenschaftliche Erkenntnisse. Die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung hat deshalb im vergangenen Jahr eine wissenschaftliche Studie zum Drogengebrauch in der Berliner Partyszene durchführen lassen. Dafür wurde die Partyszene mit Fragebögen online und direkt, in Clubs, Bars und Warteschlangen befragt, sowie Expertinnen und Experten (Rettungsdienst, Suchtprävention, Polizei und Clubs) zu dieser Thematik interviewt. Die Studie leitete Dr. Felix Betzler, Arzt an der Charité. Die Studie ist nicht repräsentativ für ganz Berlin, zeigt aber einen Einblick in die Club- und Partyszene.

Bei den meisten Substanzen unterscheidet sich der Gebrauch in der Berliner Partyszene nur geringfügig von dem in Zürich. Eine Ausnahme stellen hier die dissoziativ wirkenden Substanzen Ketamin und GHB dar, die in Berlin massiv häufiger konsumiert werden als in Zürich.

Im Vergleich zum Drogengebrauch in der Berliner Partyszene vor 20 Jahren kann festgestellt werden, dass der Drogengebrauch bei allen untersuchten Substanzen zugenommen hat. Dies gilt vor allem für die Stimulanzien Amphetamin (Speed) und Kokain. Ketamin und GHB waren vor 20 Jahren in der Partyszene weit weniger verbreitet als heute, so dass damals die Konsumhäufigkeit dieser Substanzen nicht abgefragt wurde.

Sowohl in Berlin wie auch in Zürich werden derzeit Alkohol und Tabak am häufigsten konsumiert, gefolgt von Cannabis. Auf Rang vier und fünf folgen Speed und Ecstasy, wobei in Berlin Speed häufiger konsumiert wird als Ecstasy, in Zürich ist es hingegen umgekehrt. Rang sechs mit Kokain ist wiederum in beiden Städten gleich. In Berlin folgen dann Ketamin, LSD, GHB, Psilocybin, Poppers, Methamphetamin und Heroin. In Zürich sieht die Rangfolge ab dem 7. Rang anders aus: LSD, Psilocybin, Ketamin, Poppers, GHB, Methamphetamin und Heroin. Sowohl in Berlin als auch in Zürich ist in der Partyszene der Gebrauch von Methamphetamin und Heroin nur eine Randerscheinung und kommt eher selten vor.

Grafik 1 zeigt die Monatsprävalenz des Gebrauchs verschiedener Drogen im Partykontext – Berlin und Zürich im Vergleich. Datenquellen: Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung, Charité und InfoDrog.
Grafik 1 zeigt die Monatsprävalenz des Gebrauchs verschiedener Drogen im Partykontext – Berlin und Zürich im Vergleich. Datenquellen: Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung, Charité und InfoDrog.

Die Grafik veranschaulicht den aktuellen Konsum diverser Substanzen in Berlin und Zürich im Vergleich. Alkohol wird von Clubbesuchern in beiden Städten von nahezu 90 Prozent der Befragten konsumiert. Der Anteil der Tabakraucher liegt in Zürich um zehn Prozent und der Cannabisraucher um fünf Prozent über dem entsprechenden Anteil in Berlin. Amphetamin und Kokain wird in Berlin häufiger konsumiert als in Zürich, Ecstasy wird aktuell in beiden Städten von knapp der Hälfte der Clubbesucher eingenommen. Ketamin wird in Berlin viermal häufiger als in Zürich konsumiert, GHB/GBL etwas mehr als doppelt so häufig. Bei den Psychedelika LSD und Psilocybin haben hingegen die Zürcher die größere Vorliebe. Methamphetamin spielt in beiden Städten eine nur geringe Rolle in der Partyszene. In Zürich haben zwar ein höherer Anteil (drei Prozent) innerhalb der letzten 30 Tage Methamphetamin konsumiert, die Hälfte davon jedoch nur ein- oder zweimal. Hierbei handelt es sich um Gelegenheitskonsumenten. Nur 0,7 Prozent der 1675 befragten Personen in Zürich gaben an, im letzten Monat mehr als bei 20 Gelegenheiten Methamphetamin konsumiert zu haben. Bei Heroin lag die entsprechende Quote bei 0,6 Prozent.

Kein Fleisch, nicht heterosexuell

Auch abgesehen vom Drogengebrauch gibt es Unterschiede bei den Clubbesuchern in Berlin und Zürich. Am Global Drug Survey 2017 nahmen 863 Clubbesucher/innen in Berlin und 263 in Zürich teil. In Berlin gaben dort 29 Prozent an, kein Fleisch zu essen, in Zürich waren es hingegen nur 11 Prozent. Auch betreffend der sexuellen Veranlagung zeigt sich hier ein signifikanter Unterschied: In Berlin gaben 23 Prozent an, nicht heterosexuell zu sein, in Zürich waren es hingegen nur 11 Prozent. Quelle: Larissa J. Maier: Berlin vs. Zürich – Substanzkonsum im Nachtleben.

Drogengebrauch im Wandel der Zeit

SPI Forschung gGmbH (Forschungsbereich der Stiftung Sozialpädagogisches Institut) in Berlin befragte vor 20 Jahren schon einmal die Clubgänger in Berlin bezüglich ihres Konsumverhaltens. Als die Studie „Drogenkonsum Jugendlicher in der Techno-Party-Szene“ von der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung (BZgA) veröffentlicht wurde, gab es großen Ärger, da die versprochene Anonymität nicht eingehalten wurde und die Namen der beteiligten Clubs mit der Anzahl der darin befragten Personen in der Studie abgedruckt waren. In der Folge bekamen einige der in der Studie aufgelisteten Clubs erhebliche Probleme und das Ansehen der SPI Forschung gGmbH und der BZgA hat – nicht nur in der Partyszene – großen Schaden erlitten.

Grafik 2 zeigt die Monatsprävalenz des Gebrauchs verschiedener Drogen im Partykontext in Berlin für die Jahre 1997 und 2017.
Grafik 2 zeigt die Monatsprävalenz des Gebrauchs verschiedener Drogen im Partykontext in Berlin für die Jahre 1997 und 2017.

Das Durchschnittsalter bei der Befragung 2017 lag bei 30 Jahren, die Angaben für 1997 beziehen sich auf die Gruppe der 25- bis 30-jährigen. Da 1997 nur nach Halluzinogene gefragt wurde, wurden für diese Art von Substanzen für das Jahr 2017 die Werte für LSD und Psilocybin aufaddiert. Es zeigt sich hierbei, dass der Gebrauch von halluzinogen wirkenden Substanzen sich in den letzten 20 Jahren in den Berliner Clubs nicht stark verändert hat. Der Konsum von Amphetamin ist hingegen stark gestiegen (um 20 Prozentpunkte), gefolgt von Kokain (Anstieg um 19 Prozentpunkte), gefolgt von Ecstasy (Anstieg um 10 Prozentpunkte) und gefolgt von Cannabis (Anstieg um 7 Prozentpunkte).

Ketamin und GHB spielten damals nur eine marginale Rolle in der Club- und Partyszene, so dass damals diese Substanzen nicht abgefragt wurden. Die Tatsache, dass fast ein Drittel der Clubgänger heute in Berlin Ketamin konsumiert, stellt wohl die größte Veränderung betreffend Substanzpräferenz in der Berlin Clubkultur dar. Und der Konsum von Ketamin und GHB – insbesondere in Kombination mit Alkohol – ist für die Clubbetreiber eine große Herausforderung, da diese Konsumentengruppe die meisten Probleme in den Clubs verursachen. Diese Konsumenten sind nicht selten so berauscht und von Sinnen, dass sie viel häufiger als andere Partybesucher Gläser oder Flaschen mit Getränken umwerfen, das Lokal vollkotzen oder halb im Koma irgendwo in der Ecke liegen und betreut werden müssen.

Fazit

In Berlin musste eine Studie gemacht werden, um festzustellen, dass es mehr Aufklärung, Beratung und ein Drug-Checking-Programm braucht, um vernünftige Schadensminderung zu betreiben. Zürich hingegen hat Vorbildcharakter in Sachen Aufklärung, Beratung und Prävention: Die Drogenberatungsstelle Saferparty, das Drogeninformationszentrum DIZ und ein gut genutztes Drug-Checking-Programm. Einige Partygänger in Berlin haben sogar noch früher als die Zürcher erkannt, was von Nöten ist, um eine wirksame Prävention zu betreiben und haben bereits im Februar 1995 ein eigenständiges Drug-Checking-Programm gestartet, dass jedoch nach anderthalb Jahren wieder eingestellt werden musste, obwohl keiner der Beteiligten Akteure sich strafbar gemacht hatte. Die Politiker wollten es so. Und seit weit mehr als zwanzig Jahren organisieren Partygänger in Berlin ehrenamtlich Drogeninfostände in Clubs und auf Festivals um die Leute über die Wirkungen und Nebenwirkungen von Substanzen aufzuklären.

Vergl. hierzu in diesem Blog:

[14.10.2014] 20 Jahre Drogeninfostände in Berliner Clubs und das Video dazu
[27.08.2017] Drogeninfostände als Interventionsstrategie zur Gesundheitsförderung

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