vonHans Cousto 01.08.2019

Drogerie

Aufklärung über Drogen – die legalen und illegalen Highs & Downs und die Politik, die damit gemacht wird.

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Die Hanfparade ist die größte Demonstration für die Legalisierung von Cannabis als Rohstoff, Medizin und Genussmittel in Deutschland. Sie findet seit 1997 jährlich in Berlin statt. An der letzten Hanfparade am 11. August 2018 beteiligten sich mehr als 10.000 Menschen. Die nächste Hanfparade wird am Samstag, den 10. August 2019, in Berlin stattfinden. Los geht es um 12 Uhr in der Spandauer Straße beim Neptunbrunnen, in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof Alexanderplatz mit dem weltberühmten Berliner Fernsehturm. Das Motto der 23. Hanfparade am 10.08.2019 lautet:

„Legalisierung nur mit Dir“

Bäuerin-Poster zur Hanfparde 2019. Grafik Doro Tops (zum Vergrößern, Bild anklicken)
Bäuerin-Poster zur Hanfparde 2019. Grafik: Doro Tops (zum Vergrößern, Bild anklicken)

Die Hanfparade wird mit einer Auftaktkundgebung um 12:00 Uhr auf der Spandauer Straße beim Neptunbrunnen südlich des Bahnhofs Alexanderplatz beginnen. Um 15:00 Uhr wird von dort der Umzug mit etwa einem Dutzend Musikwagen starten. Dieser führt über die Karl-Liebknecht-Straße, die berühmte Straße Unter den Linden, durch das Regierungsviertel, über den Hauptbahnhof vorbei am Kanzleramt und Reichstag in die Reinhardstraße, Friedrichstraße, Oranienburger Straße zum Hackeschen Merkt. Von dort führt der Weg zurück in die Spandauer Straße, wo von 18:00 bis 22:00 Uhr die Abschlusskundgebung stattfinden wird. Dort wird es außer Reden und Musik zahlreiche Infostände, ein Nutzhanfareal, ein Bereich für Patienten sowie Informationen zu Cannabis als Medizin geben.

Seit Jahrzehnten appellieren die unterschiedlichsten Organisation an die Bundesregierung, die Kriminalisierung von Drogenkonsumenten zu beenden. Dies war bisher jedoch nicht von Erfolg gekrönt – ganz im Gegenteil, noch nie war die Zahl der registrierten Betäubungsmitteldelikte so hoch wie im Jahr 2018. Im Jahr 2018 lag diese bei 350.662, davon betrafen 216.007 allein Delikte im Zusammenhang mit Cannabis, wobei hier der Anteil der auf den Konsum bezogenen Delikte über 80 Prozent betrug. Die Wirkung dieser vor allem auf Strafrecht und Kontrolle basierenden Politik ist völlig gescheitert, was an der zunehmenden Zahl der Schüler/innen, die regelmäßig kiffen, offenbar wird.

Drogenkontrollen – ausgenommen im Straßenverkehr oder bei bestimmten beruflichen Anforderungen – sind irrationale Akte sozialer Kontrolle ohne generalpräventive Wirkung, die grundlegende Menschenrechte verletzen. Drogenprobleme lassen sich nicht strafrechtlich, sondern nur mit wissenschaftlich fundierter Aufklärung und durch kulturelle Integration lösen. Aufklärung zu Erlangung von Drogenkompetenz, Drogenmündigkeit und Drogenautonomie (das Gegenteil von Drogenabhängigkeit) ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Der Staat darf die Bürger durch die Drogenpolitik nicht schädigen. Es ist deshalb notwendig, Schaden und Nutzen der Drogenpolitik ideologiefrei wissenschaftlich zu überprüfen. Die gewonnenen Erkenntnisse können nur dazu führen, die Drogenprohibition aufzugeben und legale Bezugswege zu schaffen. Zur Lage der Drogenpolitik in Deutschland werden auf der Hanfparade viele bekannte Persönlichkeiten ihre Einschätzung der Situation erklären und erläutern. Zu den bekanntesten Redner/innen, die auf der Hanfparade sprechen werden, zählen der Richter Andreas Müller, Frank Tempel Kriminaloberkommissar, Kirsten Kappert-Gonther von den Grünen, die Aktivisten des Deutschen Hanfverbandes (DHV) Georg Wurth, Micha Greif und Florian Rister, die Politker in der Partei die Linke Niklas Schrader und Niema Movassat, der Journalist Micha Knodt sowie der Kurator des Hanf Museums Rolf Ebbinghaus. Zudem werden Patienten, die Cannabis als Medizin benötigen, von ihrer Situation berichten.

Geschäftsmann-Poster zur Hanfparde 2019. Grafik: Doro Tops
Geschäftsmann-Poster zur Hanfparde 2019. Grafik: Doro Tops (zum Vergrößern, Bild anklicken)

Hanf als Nutzpflanze fördern

Hanf leidet nach wie vor unter dem Stigma der Wahrnehmung als „Drogenpflanze“. Trotz einer breiten Palette an zukunftsträchtigen Verwendungsmöglichkeiten, zum Beispiel als Kleidung, Baustoff oder Lebensmittel, wird Hanf meistens noch mit den rückständigen Fehlinformationen vermeintlicher Aufklärungskampagnen assoziiert. Dem hielt die Hanfparade 2018 ein großes Nutzhanfareal und eine Hanfmeile mit Infoständen entgegen, auf welchen die volle Produktpalette dieser vielfältigen Pflanze präsentiert wurde.

Hanf als Baustoff: Der eine schaut auf Baustellen und sieht schöne neue Büros und Wohnungen, der andere sieht eine Sondermülldeponie. Der eine schaut auf die Pflanze Hanf und sieht ein Medikament oder eine Droge, der andere sieht einen vielseitigen und nachhaltigen Baustoff. Schaut man im Umfeld des Ostbahnhofes, sieht man entlang der Spree eine Baustelle neben der anderen. Es werden enorme Mengen an Baustoff verarbeitet – Mischbeton, Teerfarbe, Kunststoffmatten sowie Styropor, Glas- und Steinwolle. Das alles hinter Putz versteckt wirkt eigentlich nicht wie eine Sondermülldeponie. Diverse diese Baustoffe werden aber unverrottbarer Abfall sein, wenn diese Gebäude überflüssig geworden sind.

Aus ökologischer Sicht ist das sehr bedenklich, zumal es Baustoffe gibt, die nachwachsend und ökologisch abbaubar sind. Dazu gehört Hanf – vielfältig anwendbar kann die alte Kulturpflanze im Baubereich quasi universell eingesetzt werden. Besonders die Kombination von Hanfschäben und Zement hat hervorragende bautechnische Eigenschaften. Die porösen Holzsplitter gehen eine Verbindung mit dem Mörtel ein und ergeben ein Verbundmaterial, das mit der Belastbarkeit von Beton vergleichbar ist – und das bei geringerem Gewicht und besseren Isoliereigenschaften.

Vernachlässigt man die Umweltaspekte wie Herstellung und Entsorgung fossiler Rohstoffe, so scheinen Naturbaustoffe teuer. Früher oder später werden allerdings Besitzer von belastenden Stoffen für deren umweltgerechte Entsorgung verantwortlich sein. Hanfnutzung hingegen ist gut für die Umwelt. Hanfbaustoffe binden CO2 und sind zu 100% natürlich abbaubar. Ein mit Hanf gebautes Haus hat eine gute CO2-Billanz. Hanfbaustoffe sind vielseitig anwendbar und haben ähnliche, oft positivere Eigenschaften als fossile Baustoffe. Die Organisatoren der Hanfparade fordern, dass auch Berliner Bauherren ihr Umweltbewusstsein erweitern und Projekte mit Weitsicht angehen.

Ärztin-Poster zur Hanfparde 2019. Grafik: Doro Tops (zum Vergrößern, Bild anklicken)
Ärztin-Poster zur Hanfparde 2019. Grafik: Doro Tops (zum Vergrößern, Bild anklicken)

Zugang zu Cannabismedizin erleichtern

Auch wenn in Deutschland ab 2017 die Krankenkassen die Kosten für medizinisches Cannabis übernehmen sollen, bleibt es ein zeit- und kraftraubender Akt für Bedürftige an Cannabismedizin zu gelangen. Die Organisatoren der Hanfparade fordern einen massiven Bürokratieabbau und das Recht, sich seinen Medizinalhanf selbst anzubauen!

Gemäß einer aktuelle APOSCOPE-Studie fühlen sich mehr als ein Drittel der Befragten Apotheker/innen beim Thema Cannabis eher schlecht beziehungsweise schlecht informiert. Vor allem vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) würden sich die Befragten Informationen zum Thema „Cannabis in der Apotheke“ wünschen. In einer APOSCOPE-Studie vom Juni 2018 bezeichneten über ein Viertel der deutschen Apotheker/innen die Lieferengpässe bei Cannabisblüten als große Hürde in der Cannabisversorgung. Die Gründe liegen vor allem darin, dass Deutschland das „Gras“ importieren muss, zum Beispiel aus den Niederlanden oder Kanada. Im Jahr 2019 sollte die erste Ernte von deutschem Cannabis auf den Markt kommen, doch das Vergabeverfahren wurde gestoppt. Das erste deutsche „Gras“ für Apotheken wird voraussichtlich erst 2020 ausgeliefert werden. Eine noch größere Hürde stellt für die Apotheken nur noch die Bürokratie dar, sagte fast die Hälfte der Befragten. Jeder Fünfte kritisierte die Identitätsprüfung in der Apotheke, die vor Abgabe des Arzneimittels zu machen ist. Für die Gewährleistung einer befriedigenden Cannabisversorgung in der Apotheke sind demnach noch etliche Hürden zu eliminieren.

Kiffer-Poster zur Hanfparde 2019. Grafik: Doro Tops (zum Vergrößern, Bild anklicken)
Kiffer-Poster zur Hanfparde 2019. Grafik: Doro Tops (zum Vergrößern, Bild anklicken)

Cannabis als Genussmittel legalisieren

Vom Cannabiskonsum gehen bekanntlich weniger Risiken für das Individuum und die Gesellschaft aus, als vom Konsum der legalen Drogen Alkohol und Nikotin. Ungeachtet dessen hält die derzeit herrschende Politik am Hanfverbot durch das Betäubungsmittelgesetz fest. Angeblich zum Schutz der Gesundheit. Dieser Schutz wird jedoch durch das Fehlen von Qualitätskontrollen ausgesetzt und Konsumenten werden durch Streckmitteln oder anderen Verunreinigungen geschädigt. Ein Ziel der Hanfparade ist es deshalb, möglichst vielen Menschen aufzuzeigen, dass das Verbot schlimmere Folgen hat als vom Konsum selbst ausgehen. Desweiteren ist ein effektiver Jugendschutz nur durch einen regulierten Markt umsetzbar.

Das Wort Genuss hat zwei Grundbedeutungen: 1. Aufnahme von Nahrung und ähnliches, 2. Freude, Wohlbehagen bei etwas, was jemand auf sich wirken lässt. Im Duden Band 10 (Bedeutungswörterbuch) sind vier Zusammensetzungen mit Genuss aufgeführt: Alkohol-, Fleisch-, Kaffee- und Tabakgenuss. Bezeichnend ist hier die Verbindung von Drogen mit dem Wort Genuss, sind doch Alkohol, Kaffee und Tabak bekannte Drogen, die heutzutage in der abendländischen Kultur sehr verbreitet sind.

Ein Mittel ist etwas, was die Erreichung eines Zieles ermöglicht (eigentlich „das was sich zwischen dem Handelnden und dem Zweck befindet“), zum Beispiel ein Heilmittel. Man nimmt ein wirksames Mittel gegen Husten oder zur Förderung der Durchblutung. Ein Genussmittel ist demzufolge etwas (Speise, Getränk oder ähnliches), was wegen seines guten Geschmacks, seiner anregenden Wirkung oder ähnliches, nicht aber wegen seines möglicherweise vorhandenen Nährwertes genossen wird. Wortverwandt mit Genuss, respektive mit dem Verb genießen, von dem das Wort Genuss abgeleitet ist, sind: Genosse (eigentlich „der die Nutznießung einer Sache mit einem oder mehreren anderen gemeinsam hat“), nütze und nützlich (eigentlich „was gebraucht werden kann“).

Das Wort Genussmittel impliziert, dass eine Substanz in Verbindung mit einem bestimmten Zweck eingenommen wird. Das heißt, dass die gleiche Substanz, die der eine dämonisiert und als Todesdroge verteufelt, von einem anderen als Genuss- oder Heilmittel, ja sogar als bewusstseinserweiternde Droge genutzt werden kann. Um das Letztere richtig zu bewerkstelligen, bedarf es im allgemeinen bestimmter Vorkenntnisse bezüglich Dosierung und Wirkung, das heißt mit anderen Worten: Drogenkompetenz und Drogenmündigkeit.

Wahrer Genuss ist bewusster Genuss. Das Wort bewusst stammt von dem nicht mehr gebräuchlichen Verb bewissen, was soviel bedeutet wie: sich zurechtfinden, auf etwas sinnen, um etwas wissen. Erwähnenswert ist hier noch, dass Bewusstsein grammatikalisch zwar ein Hauptwort ist, dem Sinn nach jedoch eine Tätigkeit. Bewusstsein kann man eigentlich nicht erlangen, sondern entweder man ist bewusst oder man ist es eben nicht.

Es gibt Drogen, die in bestimmten Dosierungen den Geist und die Sinne anregen, die Wahrnehmung intensivieren und auch die Genussfähigkeit steigern. Werden diese Drogen bewusst und zielgerichtet eingesetzt, können sie helfen, die Kunst des Genießens zu erlernen, wobei die Droge allein das nicht vermag, sondern es braucht dazu immer auch die eigene Initiative, eine bewusste Tätigkeit in einem dafür geeigneten Rahmen. Eine Gesellschaft, die beispielsweise in der Lage ist, für bestimmte drogeninduzierte Wahrnehmungsveränderungen den Richtigen Rahmen zu schaffen, damit dieselben ganz bewusst von allen Teilnehmenden lust- und genussvoll erlebt werden können, darf man mit Fug und Recht eine kultivierte Gesellschaft nennen.

Wahrer Genuss will gelernt sein, ja wahrer Genuss ist eine echte Kunst. Auch der Genuss von Drogen will gelernt sein, damit man die Drogen als Genussmittel optimal nutzen kann. Die Kunst, Drogen in einem kultivierten Rahmen bewusst als Mittel zum Genuss zu nutzen nennt man Drogenkultur respektive Drogengenusskultur.

Aufruf zum Mitmachen

Damit die Hanfparade ihre Botschaft gut vermitteln kann, sind schöne Banner, Schilder und Plakate von großer Bedeutung. Jeder der will, dass die Hanfparade bunt und mit vielen ausdrucksstarken Schilder durch die Stadt ziehen kann, ist herzlich eingeladen, von Mittwoch, 7. August 2019, bis Freitag, 9. August 2019, jeweils ab 17:00 Uhr zum Gestalten der Banner und Schilder in die Kulturbotschaft in der Herzbergstraße 53B zu kommen und mit zu wirken. Material wie Pappen, Farbe und Pinsel sind vorhanden. Das Mitbringen von guten Ideen und guter Laune werden sicher konstruktive Beiträge sein, damit es wirklich gesellige Bastelabende werden.

Vergl. hierzu in diesem Blog

[29.07.2019] Auswirkungen der Cannabislegalisierung

[11.07.2019] Mortlers Wirken im Lichte der Kriminalstatistik

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