Am 29. Mai 2020 präsentierten die Bundesdrogenbeauftragte Daniela Ludwig und die Leiterin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) Dr. Heidrun Thaiss sowie der Begründer und Content Marketing Officer der Buzz Medien, Kay Lübbers, die Anti-Cannabis-Kampagne Kiffen ist nicht cool – es ist cool, nicht zu kiffen. Gibt man in die Suchmaschine Google die Suchbergriffe „daniela ludwig kiffen cool“ ein, dann werden einem zuerst drei Videos angezeigt:
DANIELA LUDWIG IST NICHT COOL! – Analyse der Anti-Cannabis-Kampagne auf dem Kanal Open Mind (488.000 Abonnenten, 77.758 Aufrufe, 11.625 Daumen hoch, 48 Daumen runter, 1.029 Kommentare)
Kiffen nicht cool – Bundesdrogenbeauftragte startet Anti-Cannabis Kampagne | Rechtsanwalt Solmecke auf dem Kanal Kanzlei WBS, WILDE BEUGER SOLMECKE Rechtsanwälte (591.000 Abonnenten, 190.986 Aufrufe, 9.885 Daumen hoch, 429 Daumen runter, 6.392 Kommentare)
WELT INTERVIEW: Drogenbeauftragte – So sollen Jugendliche vor Drogenkonsum gewarnt werden auf dem Kanal WELT Nachrichtensender (581.000 Abonnenten, 10.261 Aufrufe, 87 Daumen hoch, 925 Daumen runter, Kommentare sind deaktiviert)
Nicht in den Ergebnissen der Suchmaschine zu finden ist das Video von der Pressekonferenz:
Live-Pressekonferenz der Drogenbeauftragten zur Vorstellung neuer Cannabispräventionsmaßnahmen auf dem Kanal des Bundesministeriums für Gesundheit (31.400 Abonnenten, 18.220 Aufrufe, 92 Daumen hoch, 4.538 Daumen runter, 1.556 Kommentare)
Alle hier angegebenen Werte wurden am 12. Juni 2020 zwischen 10:00 Uhr und 10:10 Uhr ermittelt. Wer also jetzt hier beim Lesen die entsprechenden verlinkten Videos aufruft, wird dort überall größere Werte finden – dies gilt zumindest so lange, wie die Suchmaschine korrekte und keine manipulierten Daten übermittelt.
Open Mind versus Bundesministerium für Gesundheit
Das Video, das Simon vom Kanal Open Mind am 4. Juni 2020 auf YouTube hochgeladen hat, ist der erste Treffer bei der Suche nach „daniela ludwig kiffen cool“ und hat damit die höchste Relevanz zum Thema gemäß Algorithmus der Suchmaschine. Dieses Video gefällt vielen Betrachter/innen, denn das Verhältnis mag ich (Daumen hoch: 11.625) zu mag ich nicht (Daumen runter: 48) liegt bei 242 zu 1. Anders ausgedrückt, auf 242 positive Bewertungen kommt eine negative Bewertung.
Beim Video der Pressekonferenz der Drogenbeauftragten zur Vorstellung neuer Cannabispräventionsmaßnahmen auf dem Kanal des Bundesministeriums für Gesundheit sieht es hingegen sehr anders aus. Dieses Video gefällt vielen Betrachter/innen nicht, den das Verhältnis mag ich (Daumen hoch: 92) zu mag ich nicht (Daumen runter: 4.538) liegt bei 0,02 zu 1. Anders ausgedrückt, auf eine positive Bewertung kommen 49 negative Bewertungen.
Weshalb die Videos zum gleichen Thema so unterschiedlich empfunden werden kann man gut den Kommentaren entnehmen, beide Videos wurden über 1.000 mal kommentiert.
Die weiteren Empfehlungen von Google
Die zweite Empfehlung von Google ist ein Video von Rechtsanwalt Solmecke von der Kanzlei WBS. Dieses Video gefällt vielen Betrachter/innen, denn das Verhältnis mag ich (Daumen hoch: 9.885) zu mag ich nicht (Daumen runter: 429) liegt bei 23 zu 1. Anders ausgedrückt, auf 23 positive Bewertungen kommt eine negative Bewertung. In den 6.392 Kommentaren, kann man gut nachlesen, weshalb das so ist.
Die dritte Empfehlung von Google ist ein Video auf dem Kanal WELT Nachrichtensender das unter dem Titel WELT INTERVIEW: Drogenbeauftragte – So sollen Jugendliche vor Drogenkonsum gewarnt werden erschienen ist. Dieses Video gefällt vielen Betrachter/innen nicht, den das Verhältnis mag ich (Daumen hoch: 87) zu mag ich nicht (Daumen runter: 925) liegt bei 0,09 zu 1. Anders ausgedrückt, auf eine positive Bewertung kommen 10 bis 11 negative Bewertungen. Die Kommentarfunktion ist deaktiviert, so dass hier die Leute nicht öffentlich gleich begründen können, weshalb sie sich so oder so entschieden haben. Die Drogenbeauftragte will auf YouTube auf Augenhöhe mit den jungen Menschen kommunizieren, doch die ersten Ergebnisse zeigen, dass ihre Botschaft bei den Betrachter/innen der Videos nicht sonderlich gut ankommt.
Ludwigs Präventionskampagne gegen Legalisierungsbefǘrworter
In den Nachrichten des Deutschen Hanfverbandes (DHV-News #252 – Ludwigs coole Kampagne) kommt Georg Wurth ab Minute 6:28 für etwa acht Minuten auf Ludwigs Kampagne zu sprechen mit Einblendungen aus der Pressekonferenz. Das Video ist auf dem Kanal des DHV zu sehen (142.000 Abonnenten, 40.540 Aufrufe, 4.134 Daumen hoch, 54 Daumen runter, 1.067 Kommentare). In den DHV-News wird das Vorhaben von Frau Ludwig kritisch hinterfragt, was vielen Betrachter/innen des Videos gefallen hat. Das Verhältnis mag ich (Daumen hoch: 4.134) zu mag ich nicht (Daumen runter: 54) liegt bei 76 bis 77 zu 1. Anders ausgedrückt, auf 76 bis 77 positive Bewertungen kommt eine negative Bewertung. In den 1.067 Kommentaren, kann man gut nachlesen, weshalb das so ist.
Influencer statt Evaluierung
Ein Punkt, der für Empörung bei einigen Kommentatoren sorgt, ist die Tatsache, dass die Drogenbeauftragte Influencer engagiert für eine solche Kampagne statt ein paar Wissenschaftler/innen anzuheuern, die mal ihre Politik und ihr Auftreten evaluieren. Besonders kritisch wird die Tatsache gesehen, dass man bei einem offensiven Engagement von Influencer nicht mehr unterscheiden kann, was die eigentliche Meinung einer Person ist oder ob es sich bei der publizierten Meinung um ein bezahltes Statement eines Meinungsmachers respektive eines Influencers handelt.
Rückblick: Manipulation durch Influencer statt korrekte Information der Bevölkerung durch die Regierung hat in Deutschland eine lange Tradition. Am 4. Juni 1970 informierte Gesundheitsministerin Käte Strobel (SPD) den Bundestag über die Regierungspläne zur Schaffung eines neuen Betäubungsmittelgesetzes, am 13. Juli 1970 präsentierte sie dem Bundeskabinett einen Referentenentwurf, der zwischen den Ministerien abgestimmt und am 12. November vom Kabinett beschlossen wurde. Ziel des Entwurfs war bei den Regelungen betreff Cannabis eine zum Teil erhebliche Erweiterung der Strafrahmen, „um das Gesetz damit zu einem wirkungsvolleren Instrument bei der Bekämpfung der Rauschgiftsucht zu machen“ (Deutscher Bundestag 1971:1). Zugleich verabschiedete das Kabinett unter Federführung des Ministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit ein „Aktionsprogramm zur Bekämpfung des Drogen- und Rauschmittelgebrauchs“ mit ergänzenden Maßnahmen, die vor allem eine Verstärkung der Repression von Handel und Schmuggel zum Inhalt hatten. An zweiter Stelle stand eine zentral organisierte Kampagne zur „Aufklärung der Bevölkerung“ . Neben der offenen Aufklärung umfasste die Kampagne auch verdeckte Öffentlichkeitsarbeit, bei der die Bundesregierung gezielt nicht als Absender der Information in Erscheinung trat, um den Eindruck einer allgemeinen Trendwende gegen den Cannabiskonsum zu erwecken. So stellte sie etwa Schülerzeitungen und anderen Printmedien kostenlos anonyme Artikel und Rundfunkanstalten Funkspots und Abschreckungsfilme zur Verfügung, die für das Publikum wie redaktionelle Beiträge aussehen sollten. Durch Täuschung sollte somit die Meinung der Bevölkerung manipuliert werden.
Aufgrund eines schriftlichen Appells von Gesundheitministerin Käte Strobel befasste sich der Deutsche Presserat Anfang Juni 1972 mit dem Thema Drogen und forderte die Redaktionen auf, „bei der Behandlung der Drogen- und Rauschmittelgefahren auf eine sensationelle Berichterstattung ebenso zu verzichten wie auf jede Bagatellisierung der Verwendung von Rauschmitteln“ . Am 17. Juni 1972 wandte sich zudem der parlamentarische Staatssekretät Heinz Westphal (SPD) in einem Brief an Ernst Klett, den Vorsitzenden des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, mit der Bitte, eine vergleichbare Entschließung für den Buchhandel anzuregen, da Bücher wie der „Haschisch-Report“ des Zeit-Redakteurs Rudolf Walter Leonhardt eine „mit Sicherheit … große Anzahl Jugendlicher“ zum Konsum von Cannabis verführt hätten. Die formal begründete Ablehnung Kletts bezeichnete das Ministerium als „enttäuschend“ . Versuche von Zensur scheinen in der Drogenpolitik in der Bundesrepublik Deutschland eine lange Tradition zu haben. Dies gilt auch für den Einsatz von Influencer und Daniela Ludwig scheint sich wohl zu fühlen in dieser durch Manipulation verzerrten Welt.
Fazit: Mach Dich Schlau
Zur Kampagne von Daniela Ludwig hat die Drogenberatung Condrops in München unter dem Titel „Zur Cannabisprävention von Daniela Ludwig“ sehr treffend festgestellt:
„Mach dich schlau!“ – Schon der Titel der neuen Social Media Kampagne zur Cannabisprävention transportiert genau das, was es laut Vorhaben der Drogenbeauftragten Daniela Ludwig zu verhindern galt: Den erhobenen Zeigefinger. „Wenn du dich schlauer machst, als du es gerade bist“, so scheint der Slogan zu sagen, „dann kommst auch du zum richtigen Schluss.“ Nämlich, nicht zum Joint zu greifen. Schon in ihrem Grundgedanken ist Ludwigs Kampagne also lange Bekanntes in frischer digitaler Aufmachung.
Bei YouTube haben sich viele Tausend Menschen bezüglich der Kampagne von Daniela Ludwig schlau gemacht und Tausende Menschen haben auch einen Kommentar hinterlassen. Die Drogenbeauftragte sollte diese Kommentare mal lesen um sich schlau zu machen, denn die meisten Kommentatoren halten wenig bis gar nichts von Ludwigs Kampagne und/oder empfinden diese geradezu als grotesk. Dem gegenüber wollen sich viele Leute echt schlau machen und sich nicht von bezahlten Influencer beinflussen lassen und haben deshalb die Petition „Es ist Zeit für eine grundlegend neue Drogenpolitik!“ unterzeichnet. In der Petition werden der Gesundheitsminister Jens Spahn und die Drogenbeauftragte Daniela Ludwig aufgefordert, die deutsche Drogenpolitik von unabhängigen Experten evaluieren zu lassen, damit sich jeder ein möglichst objektives Bild von der Situation machen kann – eben nicht durch Influencer manipulativ beeinflusst, sondern auf Grund von Fakten die Möglichkeit bekommt, sich schlau zu machen.
Das Video macht einem ja Angst. Es kommt einem vor, als ob sie sich kaum informiert hat. Cannabis ist nicht für den täglichen Gebrauch geeignet. Genauso wie Alkohol oder andere Mittel, die man täglich konsumiert. Die Menge macht das Gift! Die Legalisierung würde viele Probleme eliminieren. Jedoch würde ich auch niemandem empfehlen täglich zu kiffen. Man verliert sich und die Sucht kann das ganze Leben beeinflussen!