Kiwa ist eine europäische Institution für Prüfung, Inspektion und Zertifizierung (TIC) mit Hauptsitz in Rijswijk, Niederlande. Kiwa ist in über fünfzig Ländern weltweit aktiv. Das 1948 als Keuringsinstituut voor Waterleiding Artikelen (kurz KIWA) gegründete Unternehmen beteiligt sich unter anderem an Abwasseranalysen. Kiwa wirbt mit dem Slogan „Wir schaffen Vertrauen“ und verspricht Sicherheit für Mensch und Umwelt.
Das Watercycle Research Institute (KWR) ist Koordinator und Hauptumsetzer des gemeinsamen Forschungsprogramms für die niederländischen Wasserunternehmen. KWR stammt von Kiwa, das 1948 gegründet wurde. 2006 wurde Kiwa Water Research eine unabhängige Einheit mit den niederländischen Wasserunternehmen und 2016 mit der Watergroep in Belgien als Aktionärin. KWR führt regelmäßig Abwasseranalysen in den Niederlanden durch.
Wissenschaftler des niederländischen Forschungsinstituts KWR, des Istituto di Ricerche Farmacologiche Mario Negri in Mailand, der Universität Antwerpen und der Universität Jaume I in Castellón de la Plana wollen das Vorkommen von Drogen im Abwasser näher untersuchen. Hierzu haben sie das europäische Projekt „Euseme“ (Europe-wide Sewage analysis to Monitor Emerging drug problems) gestartet. Das Projekt, das von KWR koordiniert wird, wird von der Europäischen Union finanziert.
Drogenkonsum nach dem Lockdown
Am 15. März gab die niederländische Regierung in einer Pressekonferenz bekannt, dass alle Restaurants, Cafés, Fitnessstudios, Saunen und Sexclubs in den Niederlanden um 18:00 Uhr schließen müssen. Das Ergebnis war eine Gesellschaft, die hauptsächlich zu Hause lebte. „Haben die Menschen unter diesen Umständen mehr Drogen konsumiert?“, fragten sich die Forscher des Watercycle Research Institute (KWR).
In der Woche vom 18. bis 24. März 2020 unmittelbar nach der Ankündigung des Lockdowns wurde diesbezüglich eine Studie durchgeführt. In dieser einzigartige Situation war es möglich den Drogenkonsum in Abwesenheit von Touristen und ohne öffentliches Nachtleben messen. Für das EU-EUSEME-Projekt analysierten KWR-Forscher eine Woche lang Abwasserproben in Amsterdam, Eindhoven und Utrecht, um die Konzentrationen von Benzoylecgonin (einem Metaboliten von Kokain), Amphetamin, Methamphetamin, MDMA (Ecstasy) und THC-COOH (ein Metabolit von Cannabisprodukten) zu bestimmen.
Weniger Kokain in Amsterdam, etwas mehr in Utrecht
Gemäß der am 17. Juni 2020 publizierten EUSEME-Studie: Analyse von Drogen im Abwasser während des Lockdowns in den Niederlanden war der Kokainkonsum pro tausend Einwohner in Utrecht und Eindhoven zum Zeitpunkt der Sperrung fast derselbe wie im Jahr 2019 – in Utrecht leicht höher, in Eindhoven leicht niedriger. Der Kokainkonsum in Amsterdam war 2020 während des Lockdowns im Vergleich zu 2019 um etwa ein Viertel gesunken.
Gemäß dieser Grafik lag 2019 der Kokainkonsum in Amsterdam zwischen 3.500 mg und 3.600 mg pro 1.000 Einwohner pro Tag. Nach dem Lockdown waren es gemäß der Studie nur noch zwischen 2.700 mg und 2.800 mg. In der Region Eindhoven waren es 2019 etwa 2.000 mg pro 1.000 Einwohner pro Tag und nach dem Lockdown ein Bisschen weniger, in Utrecht waren es 2019 etwa 1.700 mg und nach dem Lockdown ein Bisschen mehr.
Widersprüchlich Daten bei Kokain
Gemäß den Daten zu Abwasseranalysen und Drogenkonsum der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction, EMCDDA) lag der Kokainkonsum in Amsterdam im Jahr 2019 bei 986,2 mg pro 1.000 Einwohner pro Tag. Gemäß der KWR-Studie lag dieser 2019 mehr als dreimal so hoch. Auch bezüglich Utrecht liegt der von der EMCDDA übermittelte Wert mehr als dreimal tiefer (460,3 mg) als gemäß KWR-Studie.
Auch im Vergleich zu früheren KWR-Publikation sieht man Unstimmigkeiten bei den Angaben zum Kokainkonsum. In der KWR-Publikation zum Drogenmissbrauch (Drugs of abuse) mit Daten zu den Jahren 2011 bis 2015 ergibt sich aus der Grafik, dass im Jahr 2015 der Kokainkonsum in Amsterdam zwischen 1.700 mg und 1.800 mg pro 1.000 Einwohner pro Tag gelegen habe, also deutlich unter 2.000 mg. Gemäß Grafik in der 2020 präsentierten Studie lag der Kokainkonsum in Amsterdam im Jahr 2015 zwischen 2.200 mg und 2.300 mg pro 1.000 Einwohner pro Tag, also deutlich über 2.000 mg. Und gemäß Angaben der EMCDDA lag der Wert für Amsterdam im Jahr 2015 bei 641,7 mg pro 1.000 Einwohner pro Tag. Bemerkenswert hier ist, dass es nur bei Kokain solche widersprüchliche Angaben zu finden sind, bei den anderen Substanzen stimmen die Daten der verschiedenen Quellen überein. Honi soit qui mal y pense – Beschämt sei, wer schlecht darüber denkt.
Nur hlab so viel Ecstasy in Amsterdam
Der MDMA-Konsum pro tausend Einwohner in Amsterdam im Jahr 2020 während des Lockdowns war etwa halb so hoch wie im Jahr 2019. In Utrecht und in der Region Eindhoven war die Nutzung im Jahr 2020 während des Lockdowns praktisch dieselbe wie im Jahr 2019.
Ein Vergleich mit der Grafik der Daten zum MDMA-Konsum in den Jahren 2011 bis 2015 zeigt für 2015 für Amsterdam einen Wert zwischen 160 mg und 170 mg pro 1.000 Einwohner pro Tag an, genau wie auch die oben stehende Grafik aus dem Jahr 2020. Die Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht gibt für 2015 für Amsterdam den Wert von 166,2 mg an. Bei Ecstasy (MDMA) konnten keine widersprüchlichen Daten wie bei Kokain gefunden werden.
Mehr Speed in Utrecht, weniger in Amsterdam
Der Speedkonsum (Amphetaminkonsum) pro tausend Einwohner (die Gesamtmenge der Amphetaminmetaboliten im Abwasser pro Tag) war zum Zeitpunkt des Lockdowns in Utrecht etwas höher als im Jahr 2019. Der Anstieg in den letzten Jahren setzte sich trotz Lockdown fort. In Amsterdam hingegen waren die Werte im Jahr 2020 während des Lockdowns um ein Drittel niedriger als im Jahr 2019. In der Region Eindhoven war es schwierig, die Mengen zu vergleichen, da der Amphetaminkonsum in den letzten zehn Jahren nur dreimal gemessen werden konnte ohne dass diese Messungen durch die Einleitung von Abfällen aus der Amphetaminproduktion beeinträchtigt wurden.
Gekifft wurde wie immer
THC-COOH ist der Metabolit von Cannabisprodukten (Marihuana und Haschisch). Die im Abwasser vorgefundenen Mengen von THC-COOH pro tausend Einwohner im Jahr 2020 während des Lockdowns waren den Mengen in Vorjahren sehr ähnlich. Die Nutzung ist seit Jahren stabil und der Lockdown hatten kaum einen Einfluss auf die Nutzung von Cannabisprodukten. In Amsterdam sank der Konsum leicht während des Lockdowns, in Utrecht nahm er leicht zu und in der Region Eindhoven blieb er nahezu konstant.
Fazit
In Amsterdam blieben die Touristen während des Lockdowns weg und die Clubs, Bars und Cafés hatten geschlossen. Die Situation von kaum Touristen in der Stadt führte zu einer sehr starken Minderung des MDMA-Konsums, einer merklichen Minderung des Konsums von Aufputschmitteln wie Kokain und Speed, jedoch nur zu einer kaum merklichen Minderung des Konsums von Hanfprodukten wie Haschisch und Marihuana. In Eindhoven und Utrecht, wo es bei weitem nicht so viele Touristen gibt, hat der Lockdown zu keinen großen Änderungen beim Drogenkonsum geführt. Die Niederländer konsumierten ihre Drogen einfach zu Hause und nicht mehr in den Clubs, Bars und Cafés, der Lockdown hatte keinen merklichen Unterschied bei den Niederländern bezüglich ihres Drogengebrauchs zur Folge. Bemerkenswert ist auch, dass trotz des Ausbleibens der Touristen in Amsterdam offensichtlich fast genau so viel gekifft wurde wie zu Zeiten, in denen die Stadt voll Touristen war.
Anmerkung
Die Tatsache, dass es gerade bei Kokain so sich widersprechenden Angaben zu den konsumierten Mengen gibt, lässt aufhorchen, da Kokain bekanntlich bei den Akteuren der Finanzbranche recht beliebt ist. Und die Akteure in dieser Branche sind recht geübt in der Manipulation von Daten, man denke nur an den Libor-Skandal an das Dividendenstripping (Cum-ex-Geschäfte). Es drängt sich der Anfangsverdacht auf, dass Lobbyisten aus der Finanzbranche hier ihren Einfluss geltend gemacht haben. Ob dies tatsächlich der Fall ist, kann nur durch intensive Recherche, durch die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen und/oder Ermittlungen seitens der Staatsanwaltschaften geklärt werden.
Vergleiche hierzu in diesem Blog
Artikel zum Thema Kokain: http://blogs.taz.de/drogerie/tag/kokain/