vonHans Cousto 31.12.2020

Drogerie

Aufklärung über Drogen – die legalen und illegalen Highs & Downs und die Politik, die damit gemacht wird.

Mehr über diesen Blog

Bei der Vorstellung ihres Jahresberichtes am 26. November 2020 in der Bundespressekonferenz erklärte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig, dass Kokain das Megathema geworden sei. Dies führte die Drogenbeauftragte auf die in den letzten Jahren gestiegenen Zahlen der Delikte im Zusammenhang mit dem Handel mit und dem Schmuggel von Kokain zurück. So heißt in ihrem Jahresbericht auf Seite 61:

Auch im Jahr 2019 wurden mit 4.460 deutlich mehr Kokainhandelsdelikte festgestellt als im Vorjahr (+9,8 Prozent). Der Anteil der Kokainhandelsdelikte an der Gesamtzahl der Rauschgifthandelsdelikte betrug ca. 8 Prozent. Seit dem Jahr 2017 sind die Sicherstellungsmengen von Kokain in Deutschland signifikant angestiegen. Nachdem im Jahr 2017 mit rund 8 Tonnen eine Rekordsicherstellungsmenge in Deutschland verzeichnet wurde, belief sich die Gesamtsicherstellungsmenge im Jahr 2018 auf mindestens 5 Tonnen und erreichte im Jahr 2019 mit mindestens 10 Tonnen ein neuerliches Rekordniveau.

Was die Drogenbeauftragte dabei nicht erwähnte ist die Tatsache, dass vor 20 Jahren mehr als doppelt so viele Delikte im Zusammenhang mit dem Handel mit und dem Schmuggel von Kokain registriert wurden. Im Jahr 1999 wurden 13.810 allgemeine Verstöße (konsumnahe Delikte) mit Kokain registriert, 10.877 Delikte betreffend Handel und Schmuggel und 812 Delikte betreffend Einfuhr nicht geringer Mengen. Im Jahr 2019 waren es 17.740 allgemeine Verstöße, 4.377 Delikte betreffend Handel und Schmuggel und 315 Fälle von Einfuhr nicht geringer Mengen. Die Zahl der allgemeinen Verstöße hat somit im Vergleich zur Situation vor 20 Jahren um 28 Prozent zugenommen, die Zahl betreffend Handel und Schmuggel hat hingegen um 60 Prozent abgenommen und auch die Zahl betreffend Einfuhr nicht geringer Mengen hat um 61 Prozent abgenommen. Es ist schon bemerkenswert, dass die Drogenbeauftragte Daniela Ludwig diese langfristige Entwicklung mit keinem Wort in ihrer Pressemitteilung vom 26. November 2020 erwähnte und auch bei der Pressekonferenz zur Veröffentlichung des Berichtes hierzu nichts sagte, obwohl sie Kokain als „Megathema“ bezeichnete.

Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) mit Kokain (einschließlich Crack) – Zeitreihe von 1993 bis 2019 aufgeschlüsselt nach Deliktarten. Datenquelle: BKA: PKS, Schlüsselzahlen: 731200; 732200; 733200
Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) mit Kokain (einschließlich Crack) – Zeitreihe von 1993 bis 2019 aufgeschlüsselt nach Deliktarten. Datenquelle: BKA: PKS-Zeitreihen, Schlüsselzahlen: 731200; 732200; 733200

Drogenbeauftragte beim Hamburger Zoll

Die Bundesdrogenbeauftragte Ludwig informierte sich am 30. Juli 2020 bei Experten des Zolls in Hamburg über die Bekämpfung des grenz­über­schrei­tenden Rausch­gift­schmuggels, insbesondere über den Schmuggel von Kokain. Bei dem Treffen im Hamburger Hafen mit der Präsidentin der Generalzolldirektion, Colette Hercher, wurden ihr von Experten des Zolls die Lage und die Entwicklungen und die Bekämpfungsstrategien auf nationaler wie internationaler Ebene sowie die Bilanz der erreichten Erfolge vorgestellt. Von den mehr als 10 Tonnen Kokain, die 2019 unter anderem in Containern und auf den Schiffen gefunden wurden, waren 9,5 Tonnen in den Häfen Hamburg und Bremerhaven sichergestellt worden.

Auf der anschließenden Pressekonferenz erklärte die Drogenbeauftragte, dass es nicht darum gehe, nur die kleinen Fische zu verfolgen, sondern es gehe um den internationalen Drogenhandel, den wir uns massiv und noch viel stärker vornehmen müssen. Und sie meinte, dass wir da schon richtig gut seien in Deutschland. Die an deutschen Häfen sichergestellten Drogen seien für den deutschen Markt bestimmt gewesen. Und weiter:

Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns da nicht klein kriegen lassen. Jedes Gramm, das Sie rausziehen, schützt vor schweren gesundheitlichen Schäden, insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die sich für Drogen interessieren.

Wie man dem Video des NDR entnehmen kann, erklärte die Präsidentin der Generalzolldirektion, Colette Hercher, dass die Sicherstellungen der enormen Mengen an Kokain am Hafen durch den Zoll auf den Markt keinerlei Auswirkungen haben. Und gemäß Rainer Mellwig, Präsident des Zollkriminalamts in Köln, tangieren die Beschlagnahmungen offensichtlich nicht die Verfügbarkeit von Kokain auf dem Schwarzmarkt. Ein weiterer Fakt sei, sagte er, dass die Preise für Kokain gleich geblieben seien, das jedoch bei steigender Qualität (höherem Reinheitsgehalt). Es ist bemerkenswert, dass diese Feststellungen in der Pressemitteilung der Drogenbeauftragten vom 30. Juli 2020, die sie zu ihrem Besuch beim Hamburger Zoll veröffentlichte, mit keinem Wort erwähnt werden. Die Erkenntnisse der Zollbeamten passen halt nicht in das Bild, das die Drogenbeauftragte Daniela Ludwig der Öffentlichkeit vermitteln möchte.

Die Reinheit von Kokain im Zeitvergleich

Im Straßenhandel zeigte sich in den letzten Jahren eine signifikante Erhöhung des Wirkstoffgehaltes von Kokain. Vor zwei Jahrzehnten pendelte der Wirkstoffgehalt von im Kleinhandel angebotenen Kokain in Deutschland gemäß Jahresberichte der Deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBDD) zwischen 40 Prozent und 50 Prozent. Nach der Jahrtausendwende sank der Wirkstoffgehalt bis zum Jahr 2006. Kokain kam damals mit einem Wirkstoffgehalt von durchschnittlich 24,6 Prozent in den Straßenhandel. Seit dem hat sich der Wirkstoffgehalt mehr als verdreifacht und lag im Jahr 2019 bei durchschnittlich 76,4 Prozent.

Übersicht über die Entwicklung der Wirkstoffgehalte für Kokain in Deutschland als Zeitreihe von 1996 bis 2019 (blaue Linie) und in der Schweiz von 2007 bis 2019 (rote Linie). Datenquellen: DBDD: Jahresberichte, Drogenmärkte und Kriminalität; Safer Party Zürich.
Übersicht über die Entwicklung der Wirkstoffgehalte für Kokain in Deutschland als Zeitreihe von 1996 bis 2019 (blaue Linie) und in der Schweiz von 2007 bis 2019 (rote Linie). Datenquellen: DBDD: Jahresberichte, Drogenmärkte und Kriminalität; Safer Party Zürich: Kokain.

In der Schweiz enthielten 2019 über zwei Drittel der untersuchten Proben einen Wirkstoffgehalt von mehr als 80 Prozent und gut 20 Prozent einen solchen zwischen 60 und 80 Prozent. Der Kokaingehalt der analysierten Proben variierte stark und lag zwischen 2,3 Prozent und 100,0 Prozent Kokain-HCl (HCl = Hydrochlorid). Der durchschnittliche Wirkstoffgehalt lag 2019 bei 80,2 Prozent. Der Trend zu höherem Wirkstoffgehalt geht weiter. Der durchschnittliche Wirkstoffgehalt der im Drogeninformationszentrum (DIZ) und bei den mobilen Drug-Checkings getesteten Kokainproben lag im dritten Quartal 2020 bei 80,9 Prozent Kokain-HCl. Da seit ein paar Jahren nur noch geringe Unterschiede bezüglich der Reinheit von Kokain in Deutschland und der Schweiz bestehen, kann davon ausgegangen werden, dass auch in Deutschland die Reinheit im Jahr 2020 nicht abgenommen, sondern eher gleich geblieben ist oder sogar zugenommen hat.

Die Graphik zeigt die Entwicklung des Kokaingehaltes in der Schweiz für den Zeitraum von 2007 bis 2019, gruppiert in Abstufungen von 20-Prozent. Bild: Saferparty, Zürich.
Die Graphik zeigt die Entwicklung des Kokaingehaltes in der Schweiz für den Zeitraum von 2007 bis 2019, gruppiert in Abstufungen von 20-Prozent. Bild: Saferparty, Zürich: Kokain Auswertung 2019.

Preisentwicklung von Kokain im Straßenhandel

Im Jahr 2019 lag in Deutschland der durchschnittliche Preis für ein Gramm Kokain in Straßenqualität bei 69,50 Euro. Im Vergleich zu 2003 lagen die Preise pro Gramm Kokain in Deutschland im Straßenhandel im Jahr 2019 etwa 16 Prozent über dem Preis von 2003, wobei die Qualität respektive der Reinheitsgrad besser respektive höher war als 2003. In diesem Zeitraum betrug die Teuerung (Inflationsrate) insgesamt gemäß Angaben des Statistischen Bundesamtes Statista etwas mehr als 25 Prozent. Der Kleinhandelspreis für Kokain in Straßenhandelsqualität stieg somit deutlich weniger stark an als die allgemeine Teuerung im gleichen Zeitraum. Seit dem Jahr 2016 sind die Preise im Vergleich zum jeweiligen Vorjahr sogar etwas gesunken. In der folgenden Grafik sind die Preise für Kokain im Straßenhandel als Zeitreihe von 2003 bis 2019 dargestellt.

Kokainpreise im Straßenhandel in Deutschland – Zeitreihe der Preise in Euro pro Gramm von 2003 bis 2019. Datenquelle: DBDD: Jahresberichte, Drogenmärkte und Kriminalität.
Kokainpreise im Straßenhandel in Deutschland – Zeitreihe der Preise in Euro pro Gramm von 2003 bis 2019. Datenquelle: DBDD: Jahresberichte, Drogenmärkte und Kriminalität.

Zum Vergleich: In den Niederlanden lag gemäß des Annual-Report-DIMS-2019-v6 herausgegeben vom Trimbos-Instituut 2019 der durchschnittliche Preis für ein Gramm Kokain in Straßenqualität bei 50,30 Euro. In den letzten Jahren schwankte dort der Preis für ein Gramm Kokain in Straßenqualität zwischen 52,70 Euro im Jahr 2014 und 48,75 Euro im Jahr 2016. Auf dem niederländischen Schwarzmarkt herrscht bezüglich Kokain Preisstabilität mit kleinen Schwankungen, obwohl in den Hafenstädten Antwerpen und Rotterdam im Jahr 2018 vom Zoll etwa 70 Tonnen Kokain beschlagnahmt wurden. Solche Beschlagnahmungen haben offensichtlich keinen Einfluss auf das Marktgeschehen.

Kokainpreise bezogen auf den Wirkstoffgehalt

Da das Kokain im Straßenhandel heute mehr Wirkstoff enthält als in den vergangenen Jahren, erhält man heute im Straßenhandel mehr Kokain und weniger Streckmittel für sein Geld. Deshalb ist es von Interesse, wie viel man eigentlich für den eigentlichen Wirkstoff Kokain bezahlt. Hier zeigt es sich, dass man heute mehr Stoff für weniger Geld erhält.

Übersicht über die Entwicklung der Preise pro Gramm für den eigentlichen Wirkstoff Kokain (ohne die beigefügten Streckmittel) als Zeitreihe von 2003 bis 2019. Datenquelle: DBDD: Jahresberichte, Drogenmärkte und Kriminalität.
Übersicht über die Entwicklung der Preise pro Gramm für den eigentlichen Wirkstoff Kokain (ohne die beigefügten Streckmittel) als Zeitreihe von 2003 bis 2019. Datenquelle: DBDD: Jahresberichte, Drogenmärkte und Kriminalität, eigene Berechnungen.

Im Vergleich zum Jahr 2003 zahlte man beim Straßenhändler im Jahr 2019 deutlich weniger für ein Gramm Wirkstoff Kokain – durchschnittlich nur etwa halb so viel. Im Jahr 2019 zahlte man in Deutschland wie auch im Vorjahr im Schnitt 91,00 Euro für ein Gramm Wirkstoff Kokain-HCl. De facto ist Kokain also in den letzten Jahren deutlich billiger geworden. Der Preis für eine Fahrkarte für Bus und Bahn zum Drogenhändler ist hingegen in der Zwischenzeit in Berlin um 38 Prozent teurer geworden. Das Ticket kostete im Jahr 2003 nur 2,10 Euro, heute bezahlt man dafür 2,90 Euro, ab 1. Januar 2021 sogar 3,00 Euro.

Safer Sniffing

Was nur wenige wissen: Auch das Teilen von Sniff-Utensilien wie Röhrchen oder Banknoten kann gefährlich sein. Schon kleine Verletzungen in der Nasenschleimhaut, welche gerade beim Sniffen durch scharfkantige Röhrchen entstehen können, genügen, um sich beispielsweise mit dem Hepatitis-Virus, dem Corona-Virus oder Herpes zu infizieren. Deshalb: Kein gemeinsames Benutzen von Röhrchen oder Banknoten beim Sniffen!

Vergleiche hierzu in diesem Blog

[14.12.2019] Stabile Kokainpreise
[27.05.2018] Stark zunehmender Kokainhandel?
[09.03.2018] Hochburgen der Koksnasen

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/drogerie/2020/12/31/daten-und-fakten-zu-kokain/

aktuell auf taz.de

kommentare

  • wie hat es der chef der WHO letztens treffend gesagt … drogen haben für viel leid gesorgt und für noch viel mehr leid hat die drogenprohibition gesorgt … ich stelle mal die gewagt these in den raum dass das verbot von kokain für die vielen toten gesorgt hat …

  • Eurozentrischer, selbstbezogener Blick, der nicht mal ein Wort, einen Blick Richtung Mexiko wagt und auch noch endet mit dem Appell, sich selbst beim Sniffen zu schützen. Unangenehme Lektüre, die sehr nachdenklich macht.

  • De facto ist Kokain also in den letzten Jahren deutlich billiger geworden. Der Preis für eine Fahrkarte für Bus und Bahn zum Drogenhändler ist hingegen in der Zwischenzeit in Berlin um 38 Prozent teurer geworden.

    Wertvolle Information, sehr witzig!

  • Die hier geäußerte Kritik verstehe ich nicht. Ja, vor über zwanzig Jahren war es auch schon einmal schlecht. Dann gab es deutliche, wenn auch auf fünfzehn Jahre verteilt lagsame, Erfolge und die wurden in weniger als fünf Jahren vollständig zunichte gemacht. Interessanterweise fällt das Minimum und der scharfe Knick zum Wiederansteig genau in das Jahr 2015.

  • Soweit zu den Statistiken…
    In einer Welt voller Heuchler und ach-wir-sind-ja-so-Individualisten-und-Genießer frage ich mich zunehmend, wie einerseits nur Bio auf den Tisch kommt, Pelz als Kleidung ganz böse ist und Po niemals mit einer deutschen Entsprechung ausgesprochen werden darf… aber hunderte und tausende grässlich Gemordete allein in Mexiko einfach achselzuckend hingenommen werden. Aber wehe,wehe, das Frühstücksei ist nicht aus Freilandhaltung!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert