vonJannis Hagmann 20.10.2011

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Ratlos waren die anwesenden JournalistInnen. Ratlos und skeptisch. Attac, „Occupy Frankfurt“, „Indignados Frankfurt“ (Frankfurter Empörte) und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hatten für heute Morgen zu einer gemeinsamen Pressekonferenz ins DGB-Haus eingeladen. Das Interessante: Die Bewegung legt besonderen Wert darauf, nicht von Organisationen, sondern allein von Individuen getragen zu werden. Auch werden Führungspersonen und offizielle Vertreter bislang strikt abgelehnt.

Nicht der Vertreter der "Empörten": anonymer Indignado

Seinen Namen wolle er nicht nennen, erklärte einer der beiden anonymen Vertreter der „Indignados“, einer Gruppierung spanischer Empörter, die auch in deutschen Städten aktiv sind und die derzeitigen Proteste mitangestoßen haben. „Wir stellen uns nicht persönlich vor, da wir uns als Gruppe verstehen, die kollektiv nach Lösungen und Konsens sucht.“

Auf die Frage einer Journalistin, von welchen Organisationen die Bewegung denn Unterstützung akzeptieren würde, meldete sich ein bewegungsnahes Mitglied der DGB-Jugend aus dem Publikum zu Wort: „Es ist sehr einfach für die Presse, einen klaren Ansprechpartner zu haben“, warf er erbost ein. „Aber das ist eine neue Bewegung! Man muss sich daran gewöhnen, dass Bewegungen heute anders strukturiert sind als die Verbände der letzten Jahrzehnte.“

70 Zelte – Tendenz steigend

Camperin Claudia Keth, "Occupy Frankfurt"

Claudia Keth, die keinen Wert auf Anonymität legte und als Mitglied von „Occupy Frankfurt“ auf dem Podium saß, versuchte, den anwesendenJournalistInnen die Natur der Bewegung näher zu bringen. Sie persönlich sei lediglich eine Teilnehmerin des Camps, stellte sie klar. Das Lager sei ein Symbol für die kollektive Unzufriedenheit, die in den Köpfen der Menschen überall existiere. Dies zeige sich an den zahlreichen Solidaritätsbekundungen von Leuten, die Essen vorbeibrächten oder auf sonstige Weise Zustimmung ausdrückten. Mit nur 30 Zelten hat das Lager laut Keth am Samstag begonnen. Die jetzige Größe schätzte sie auf 70 Zelte. Zwischen 100 und 150 Personen verbrächten die Nächte im Camp. Tendenz steigend.

Ihren Ursprung habe die Bewegung in der spanischen Protestbewegung 15M, ergänzte der anonyme „Indignado“. 15M steht für den 15. Mai 2011, der Tag, an dem in Madrids Hauptstadt die ersten Zelte aufgeschlagen wurden, um gegen Jugendarbeitslosigkeit und soziale Missstände zu demonstrieren. Der Antrieb der Bewegung sei Empörung – nicht die Wut der sogenannten Wutbürger, sondern „ersthafte Empörung darüber, wie die Dinge laufen.“

„Es geht nicht um konkrete Lösungen“

Und die Forderungen? „Es ist kein Defizit, keine Forderung zu haben“, gab Alexis Passadakis von Attac zu wissen. „Ganz im Gegenteil: Unser Wirtschaftssystem ist so defizitär, dass die Zeit gekommen ist, erst einmal ganz grundsätzliche Fragen zu stellen.“ Dennoch ließen sich die Attac-VertreterInnen die Gelegenheit nicht nehmen, ihre eigenen Forderungen nach Zerschlagung der Großbanken und einem Verbot von Spekulationen auf Staatspleiten deutlich darzulegen.

Erik Buhn von „Occupy Frankfurt“ sah in der Frage, wo das alles hinführen solle, sogar einen Versuch, die Bewegung zu diskreditieren. „Wir brauchen Aufklärung, so dass alle Menschen sich beteiligen und wir tatsächlich eine aktive Gesellschaft aufbauen. Eine Gesellschaft, die nicht von einigen wenigen dominiert wird.“

Ob sich die AktivistInnen denn nicht überrannt fühlten durch große Verbände wie Attac oder den DGB, wollte eine Journalistin wissen. Doch die Anwesenden blieben sich einig. Man fühle sich wie Brüder im Geiste, gab der „Indignado“ ohne Namen zur Antwort. Auch wenn Attac und DGB sich solidarisieren, die Bewegung werde von Individuen getragen, so der einhellige Konsens auf dem Podium.

Samstag erneut weltweite Demonstrationen

Unterstützt die Okkupierer: Harald Fiedler (DGB)

Fast väterlich-fürsorglich klang die Erklärung Harald Fiedlers, des DGB-Mannes. Er freue sich, dass die Jugend wieder zurück gefunden habe zur Politik. „Daher sagen wir: Wir drängen uns nicht in den Vordergrund, aber wir unterstützen die Bewegung.“ Einen Pavillon sowie einen Lastwagen mit Musikanlange hat der DGB den Campern bereits zur Verfügung gestellt. Auch der DGB-Jugendclub hat seine Türen für Veranstaltungen der Camper geöffnet.

Auf Prognosen zur zukünftigen Entwicklung der Bewegung wollte sich niemand einlassen. Im Camp reicht der Horizont derweil erst einmal bis Samstag. Um zwölf Uhr soll sich ein Protestmarsch vom Rathenauplatz in Richtung EZB in Bewegung setzen. Auch in Berlin, Düsseldorf, Köln und Kiel soll am Samstag erneut demonstriert werden, ließ Alexis Passadakis wissen. Zudem seien in Oslo, Dublin, Athen, Brüssel, Los Angeles und New York Veranstaltungen angemeldet.

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