vonEva C. Schweitzer 30.10.2009

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Seit gestern stehe ich im Mittelpunkt eines internationalen Skandals, und unser verehrter Blogwart Matthias Bröckers hat mich gebeten, ein paar Zeilen dazu zu schreiben.

Die ganze Geschichte fing an, als ich vor einiger Zeit meinen Namen durch eine Suchmaschine laufen ließ, die Zeitungsartikel der letzten paar Wochen findet. Dabei stellte ich fest, dass eine Tageszeitung einen Artikel von mir, an sage und schreibe 15 andere Zeitungen verkauft hat, ohne mir Bescheid zu sagen.

Ich beschwerte mich, mir wurde bedeutet, ich könne eine Nachzahlung verlangen, dann würde man mich aber hinauswerfen. Wenn man mich hinauswirft, möchte ich gerne, dass sich das richtig lohnt. Leider gab die Suchmaschine nicht mehr her als diesen Artikel, und Google News irgendwie gar nichts. Wie der Zufall so spielt, kontaktierte mich wenig später eine Organisation, die eine Software entwickelt hat, die genau das tut: Geklaute Artikel aufspüren, auch wenn sie aus den Suchmaschinen schon wieder verschwunden sind.

Das Prinzip funktioniert so, dass diese Leute die ganze Verwaltung machen, dafür bekommen sie das meiste Geld, also ungefähr so wie iTunes.  Ich beautragte also die Organisation, und die wurde fündig. Ich könnte jetzt Namen nennen, aber ich warte noch ein bisschen.

Mein Anwalt schickte also ein paar Drohbriefe. Einen Artikel zu klauen ist viel, viel teurer als einen mit Erlaubnis nachzudrucken (ich habe mal einen Buchverlag verklagt, der ungefragt einen Artikel von mir in einer Anthologie nachgedruckt hat, das kostete 2000 Euro).

In der Schleppnetzfahndung sind aber auch ein paar Blogger hängengeblieben, die nicht kommerziell sind (oder kommerziell nicht so richtig erfolgreich, die Grenzen scheinen da eher fließend). Das war, als hätte ich Haifische in den Pool einer Beschützenden Werkstätte entlassen. Einige meldeten sich bei mir, ich sagte, ruhig, ruhig, mein eigentliches Ziel sind Verlage und kommerzielle Reiseportale, die sich mit New York-Geschichten schmücken, damit Leute auf ihrer Seite einen Flug nach JFK buchen. Wir einigen uns schon.

Nun könnte man als Blogger vorher auf die Idee gekommen sein, um Erlaubnis zu fragen, wenn man meine Artikel verwurstet. Eigentlich eine sehr naheliegende Idee. Ich bin gar nicht so, ich gestatte das, wenn mir danach ist. Mir ist aber wichtig, den Überblick zu behalten, schon deshalb, weil ich nicht will, dass eine Neonaziseite willkürlich aus dem Zusammenhang gerissene Zitate aus einem Artikel über Guantanamo Bay als Argument dafür verwendet, alle Araber ins KZ einzuliefern.

Mich fragte aber keiner, anders als in Amerika, wo so was üblich ist, vermutlich aus dem gleichen Grund, aus dem sich Deutsche auf Feten, wo sie keinen kennen, drei Stunden schweigend an einem Bier festhalten. Jedenfalls, Anfang dieser Woche beschwerte sich ein gewisser Philipp, der einen ZEIT Online-Artikel von mir kannibalisiert hatte, bei der ZEIT Online, offenbar in der Annahme, diese habe das ausschließliche Nutzungsrecht (Magazine, die viel bezahlen, erwerben das ausschließliche Nutzungsrecht, Zeitungen und Websites in der Regel das einfache, es sei denn, es wird anders vereinbart).

Die ZEIT schrieb mir, ich schrieb zurück, ruhig, ruhig, wir einigen uns schon, geben Sie dem jungen Mann mal meine Emailadresse. Philipp aber beschwerte sich derweil bei einer Website namens Spreeblick, ein gewisser Johnny schrieb über den Fall, selbstredend, ohne sich vorher mit mir in Verbindung zu setzen, wir reden ja von Deutschen. Ich könnte jetzt im Rahmen einer kostenpflichtige Gegendarstellung dies und das richtigstellen (ich war zum Beispiel nie ein Hippie), aber wir wollen ja kein Öl ins Feuer kippen, sondern Sand.

Jedenfalls, es brach eine große, große Aufregung aus, verbunden mit der Drohung, mir eine “Avalanche” von Kommentaren zu schicken, offenbar in der irrigen Annahme, der Große Kürbis werde mich zwingen, die zu veröffentlichen. Es kam dann aber keine Avalanche, sondern nur ein paar. Vielleicht knete ich die einfach mal zusammen und veröffentliche die im nächsten Post. Oder ich verwende die für meinen nächsten Roman. Whatever, ich schrieb also an Johnny (was Philipp angeht, ich habe immer noch nicht die leiseste Ahnung, wer das ist).

Um aber schon mal einige Fragen zu beantworten, nein, das Zitierrecht greift hier nicht. Wenn Leute auf meine Artikel klicken, davon habe ich nicht viel, weil ich nicht nach Klicks bezahlt werde, sondern pauschal. Ja, ich kann manchmal ziemlich biestig sein. Obwohl ich bloß eine Frau bin, habe ich nicht automatisch Respekt vor Männern, bloß weil sie Java Script von Latte Americano unterscheiden können. Die Kosten für eine Abmahnung sind nicht deshalb so hoch, weil ich mir damit goldene Wasserhähne legen lasse, sondern weil davon die Schleppnetzfahnung und der Anwalt bezahlt werden. Und meine Wohnung in New York, denn wenn ich die nicht hätte, könnte ich dort keine Artikel schreiben, aus denen Blogger anschließend abpinnen können. Weitere Antworten über mein Privatleben entnehmt ihr bitte meinem neuen Buch.

Was mache ich nun mit Philipp? Hier ist mein Vorschlag: Ich lasse die Forderung fallen. Da er aber offenbar auf dem in-der IT-Welt-wird-nicht-bezahlt-Planeten lebt, sollte er etwas für mich tun, kostenfrei. Ein Hinweis: Was mir wirklich fehlt, ist ein Apple-Reparaturservice in Berlin.

Eva C. Schweitzer, Manhattan  Moments. Geschichten aus New York, erschienen bei Droemer-Knaur, Juni 2009, Taschenbuch, 9,95 €

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