Der Wideraufbau der europäischen Wirtschaft wird ein Generationenprojekt, forderte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Ende Mai in Brüssel. Während Expert*innen, Politiker*innen und Führungskräfte derzeit weitreichende Entscheidungen über die Zukunft treffen, sitzen diejenigen, die diese Zukunft erleben und erarbeiten müssen, still und unbeachtet dabei. Sie werden primär verwaltet, denn sie sind für sich genommen keine Risikogruppe, aber neigen durch ihre Bedürfnisse und ihre Undiszpliniertheit dazu, politische Planungen und die gesellschaftliche Ordnung zu gefährden. In den folgenden Blogbeiträgen, geht es um Kinder und ihre Wahrnehmung der Corona-Krise insbesondere während des Shut-Downs im März/April 2020.
Bildung in der Krise?!
Die Gesamtschule Bremen-Mitte ist eine (staatliche) UNESCO-Projektschule und damit zukunftsweisend, wenn es um jahrgangsüberschreifende Lehre, Projektunterricht und eigenverantwortliches Lernen geht. Genauso wie alle anderen stand hier eine Kunst- und Deutschlehrerin vor der Herausforderung, ihre Schüler*innen über die Zeit des Shut-Downs hinweg zuhause zu beschäftigen und sinnvolles Wissen zu vermitteln. Sie fragte sich, was ein Mensch im Angesicht einer wirtschaftlich und sozial derartig umfangreichen Krise an Fähigkeiten mitbekommen sollte und wie sie dabei auch noch auf die sehr unterschiedlichen häuslichen Situationen ihrer Schüler*innen Rücksicht nehmen kann.
Nicht alle Schüler*innen haben einen eigenen Computer, E-Mail Adressen oder Rückzugsmöglichkeiten, um konzentriert zu arbeiten. Nicht alle Eltern können gemütlich im Home-Office sitzen und ihren Kindern bei den Aufgaben helfen. Nicht selten, sind häusliche Konflikte durch die Kontaktsperren dramatisch eskaliert. Sie entwickelte also folgende Aufgabe für Schüler*innen der 8.-10. Klasse (gekürzt):
„Wir alle sind zur Zeit die Zeugen einer Zeit, in der Dinge passieren über die man noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte sprechen wird. Und wir erleben es jetzt, in diesem Augenblick.
Ich möchte euch deshalb die Möglichkeit geben, das, was ihr, jeder/jede einzelne von euch, erlebt und wie er/sie dabei empfindet, auszudrücken. Ich liste euch weiter unten einige Möglichkeiten auf, wie ihr etwas ausdrücken und mir schicken könnt. Dies ist nicht als verpflichtende Aufgabe gedacht, sondern als Zusatz. Ich werde das, was ihr mir schickt, keinesfalls für eure Leistung negativ bewerten, sondern nur positiv.“
Es folgte eine lange Liste verschiedener Text- und Ausdrucksformen, die die Schüler*innen in den letzten Schuljahren kennengelernt haben. Das Resultat sind vielfältige Zeugnisse einer gesellschaftlichen Krise, von denen ich 4 ausgewählt habe, um ihnen Raum zu geben. Die Zeugenberichte der 8.-10. Klasse der GSM spiegeln „in a nutshell“ wider, was im gesellschaftlichen Diskurs über Corona verhandelt wird und welche Einschätzungen uns umgeben. Ein persönliches Zeugnis und ein kreativer Ausdruck zeigen dabei womöglich ein differenziertes Bild der Wirklichkeit als kühle Daten.
Die jungen Zeitzeugen der Corona-Krise 2020:
- Text A: „April 2020“
Gedicht, angelehnt an ein Sonett - Text B: „Das Antivirus“
fiktionaler Bericht - Text C: „Wie ich die Coronazeit überstehe?“
persönlicher Erlebnisbericht - Text D: „Corona Dystopie“
fiktionales Tagebuch