vonJakob Hein 10.10.2011

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Die Krise Europas ist auch immer die seiner Sprache: Im Louvre 2011

Was Erich keine Ruhe ließ, war dieser verdammte Rettungsschirm. Was bedeutete es, wenn der Rettungsschirm gut war für 220 Milliarden deutscher Euro und noch mehr Milliarden aus Frankreich und anderen Ländern? Gab es denn auch Milliarden aus Griechenland oder Irland? Und wenn nein, warum denn nicht? Seit Jahren hörte Erich, dass auch Deutschland kein Geld hatte und plötzlich waren 220 Milliarden für einen Rettungsschirm vorhanden. Das erinnerte doch sehr an einen angeblichen Freund, der einem leider keine zehn Euro borgen konnte, um sich eine Woche später einen Rolls-Royce zu kaufen. Und wozu sollten die 220 Milliarden Euro gut sein? So wie es immer wieder gesagt wurde, um die Schuldenkrise in Europa in den Griff zu bekommen? Aber wenn Länder wie Griechenland eine Schuldenkrise hatten, was ja letztendlich bedeutete, dass es ihnen nicht mehr möglich war, ihre Schulden aus eigener Kraft zurückzubezahlen, warum war es dann ein Hilfsmittel, wenn man ihnen noch mehr Geld borgte? War das nicht wie ein Benzinfass, das man in ein brennendes Haus warf, um das Feuer dort in den Griff zu bekommen?

Und woher nahm beispielsweise Deutschland plötzlich das ganze Geld? Gerade hatte sich der Staat doch ein paar Banken gekauft und nun hatte man schon wieder Geld übrig, um die Schulden anderer Länder zu bezahlen? Wie hatten diese Länder jemals diese Schulden machen können? Es hatte Zeiten gegeben, da hätte Erich gern Schulden bis zu seiner persönlichen Krisengrenze aufgenommen. Aber das war einfach nicht möglich gewesen. Die Bank hatte geprüft und geprüft und dann noch eine Sicherheit sehen wollen und ihm zum Schluss einen so kleinen Kredit angeboten, dass Erich den lieber aus seinen Ersparnissen entnommen hatte. Lustig war ihm in diesem Zusammenhang vorgekommen, dass die Bank besonders geringschätzig über Bankprodukte hinweggegangen war, die ihm diese Bank noch ein paar Jahre zuvor als besonders wertvolle Geldanlagen aufgeschwatzt hatte. Eine richtige Lebensversicherung, das wäre ja noch was, aber dieser fondsgebundene Quatsch sei doch keine Sicherheit.

Was aber hatten die Griechen gemacht, um so viel Geld zu bekommen? Uzo mit den Bankern getrunken und Sirtaki getanzt? Der humorfreie Angestellte in Erichs Bank wäre mit solchen Mitteln nicht zu beeinflussen gewesen. Hatte ihnen jemand arglistig das Geld geborgt und wenn ja, musste man den dann nicht zur Rechenschaft ziehen? In der Zeitung schrieben sie ja, dass man unbedingt alles zahlen müsse, weil sonst andere Staaten von den Spekulanten angegriffen würden. Was aber sollte das bedeuten, von Spekulanten angegriffen zu werden? Da die Herrschaften keine Waffen hatten, musste es heißen, dass diese Spekulanten zuviel Geld zu verborgen bereit waren, das die Staaten wiederum in ihrer Verblendung annahmen. Wenn das ein Angriff des einen auf den anderen war, griffen dann nicht auch Supermärkte Passanten an? Was hieß, dass man unvernünftige Staaten davor schützen musste, unvernünftige Summen Geld von Banken anzunehmen, das letztere den ersteren gaben, in der Annahme, dass andere Staaten für deren Unvernunft letztendlich einstehen würden. Und jetzt musste man das Geld geben, damit diese Annahme auch zutraf. Hieße ein Schutz gegen diese Art von Angriff nicht eine Art Sozialismus, fragte sich Erich. Wie konnte man Detektive durch die Warenhäuser laufen lassen und Diebe bei der Polizei anzeigen, die lediglich ein Handy oder ein Stück Seife zu stehlen versucht hatten? Hätten die Warenhäuser nicht damit rechnen müssen, so verlockend, wie die Waren dort präsentiert wurden und im Wissen über die tatsächlichen Einkommensverhältnisse der Kundschaft? Warum erhob man keine Steuer gegen diese Art von Problemen, bezahlte aber Steuern für das selbe, bloß größer dimensionierte Problem? Wie sollte so verhindert werden, dass die ganze Malaise weiterging? War das nicht so, als würde man die Prostitution dadurch bekämpfen, dass man alle Prostituierten zu den von ihnen gewünschten Bezügen verbeamtete?

Erich verstand das alles nicht, aber er hatte ja auch gar keine Ahnung.

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