vonHans-Peter Martin 05.11.2018

Game Over

Hans-Peter Martin bloggt über die globale Titanic der Politik und Wirtschaft – und wie es doch ein „New Game“ geben kann. Krieg oder Frieden.

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Trump lügt. Tausendfach. Trump hetzt. Unablässig. Trump gilt als intellektuell beschränkt und ist heillos narzisstisch gestört.

Doch seine politische Bilanz glänzt. Das wird inmitten des kollektiven Entsetzens über ihn leicht übersehen. Trump hat geliefert. Mit und ohne Erfolg der Republikaner bei den Midterm-Wahlen in dieser Woche.

Den militärisch-industriellen Komplex hat der US-Präsident mit einer drastischen Erhöhung der Rüstungsausgaben verwöhnt, die Öl- und Stahllobby mit der Preisgabe von Umweltregulierungen und der Einführung von Strafzöllen auf ausländische Konkurrenzprodukte. Den finanzindustriellen Komplex erfreute er im Bankenbereich mit der Lockerung von Regulierungen, die nach der Finanzkrise ab 2008 eingeführt worden waren. Auch die politisch eher liberal eingestellten Internetbarone an der Ost- und Westküste der USA können über neue Aufträge aus dem militärischen Bereich nicht klagen.

Sein gesellschaftspolitisches Meisterstück lieferte Trump mit der erfolgreich betriebenen Wahl von zwei rechten Richtern in den Supreme Court. Sie werden, da auf Lebenszeit bestellt, seinen Geist noch viel länger in der US-Politik wachhalten als er selbst, weil er auch bei einer Wiederwahl im Jahr 2020 spätestens Anfang 2025 endgültig aus dem Amt scheiden müsste.

Ende Juni 2018 segnete der Oberste Gerichtshof nicht nur Trumps juristisch heftig bekämpften Einreisebeschränkungen für Menschen aus Ländern wie Syrien, dem Iran und Libyen ab. In der Sache Janus gegen AFSCME entschied er, dass Gewerkschaften nicht mehr automatisch Beiträge auch von Nichtmitgliedern erheben dürfen, die von Gehaltserhöhungen profitieren, die von den Arbeitnehmervertretern ausgehandelt worden waren. Bislang ging ein Großteil dieser Gelder an liberale Aktivisten und Kandidaten der Demokratischen Partei, für die es nun ungleich schwieriger wird, ihre Wahlkämpfe zu finanzieren. Das Urteil fiel denkbar knapp aus: 5:4. Die entscheidende Stimme kam von Neil Gorsuch, jenem konservativen Richter, dem Trump zu Beginn seiner Amtszeit zu einem Stuhl im Supreme Court verholfen hatte.

Es war ein Durchbruch mit Ansage. Lange hatten rechte Lobbyisten auf dieses Urteil hingearbeitet, allen voran der US-Anti-Steuer-Aktivist Grover Norquist. Im November 2017 brüstete er sich bereits bei einer Globalisierungskonferenz in Zürich damit, dass „wir da jetzt einen neuen Kerl im Supreme Court haben, der rationale Entscheidungen fällt“. Ausdrücklich verwies er auf die damals noch bevorstehende Entscheidung in Gewerkschaftsfragen: „Du wirst dann kein Geld mehr stehlen können, in einem vergleichbaren Fall auf Bundesstaatsebene ist die Demokratische Partei kollabiert.“

Bereits 1985 hatte Norquist, ein Absolvent der Harvard-Universität, seinen Lobbyverband „Americans for Tax Reform“ gegründet. Binnen kürzester Zeit gelang es seiner Gruppe, fast allen Kongressabgeordneten der Republikanischen Partei das Bekenntnis abzuringen, in Zukunft nie einer Steuererhöhung zuzustimmen. Wer das Gelöbnis bricht, sieht sich bei den nächsten Wahlen mit einem
parteiinternen Gegenkandidaten konfrontiert, der mit großzügigen Spendengeldern aus Norquists Freundeskreis rechnen darf. Seit 1991 hat der US-Kongress nunmehr die Steuern nicht mehr erhöht, wenn die Republikaner die Mehrheit besaßen. Stattdessen wurden immer wieder Steuergeschenke für Besserverdienende beschlossen, während bei staatlichen Ausgaben, etwa im Schulsystem, gekürzt wurde und bereits vor Trump die staatlichen Schulden immer weiter anschwollen.

Norquist tritt ruhig, aber äußerst selbstbewusst auf, wenn er Radikales von sich gibt. „Steuern sind immer falsch. Wer von Sozialhilfe abhängig ist, ist ein Problem“, definierte er bei einem Treffen von renommierten Ökonomen und Interessenvertretern in Zürich im November 2017 in zwei Sätzen sein ökonomisches Glaubensbekenntnis. Es geht aber noch fundamentalistischer: Der Steuerbekämpfer war bis zum Februar 2018 Mitglied im Vorstand der NRA, der National Rifle Association, die sich beharrlich gegen ernst zu nehmende Beschränkungen beim privaten Waffenbesitz in den USA wehrt.

Logischerweise preist Norquist auch die erst 2009 gegründete „Tea Party“-Bewegung. Weniger als ein Jahrzehnt später investieren die ursprünglichen Hauptfinanziers dieser rechten Vereinigung, Charles und David Koch, in immer mehr Sitzplätze am großen politischen Gabentisch. Die Brüder, die beide für sich mit einem jeweiligen Vermögen von mehr als 50 Milliarden US-Dollar zum reichsten Dutzend aller Erdenbürger zählen, haben angekündigt, für die US-Kongresswahlen im November 2018 mehr als 400 Millionen zur Verfügung zu stellen – zusätzlich zu ihren sonstigen millionenschweren Spenden. Nebenbei helfen die Kochs auch, Initiativen für mehr öffentlichen Nahverkehr in verschiedenen US-Städten zu Fall zu bringen. Dabei lassen sie jeden Zusammenhang mit ihren massiven geschäftlichen Interessen im Ölbereich und bei der Herstellung von Asphalt dementieren.

Der von den Koch-Brüdern und gleichgesinnten Schwerreichen finanzierte Überzeugungsdruck zeigt Wirkung. Während früher auch unter Republikanern die Meinungen in konkreten Sachfragen deutlich voneinander abwichen, ist die Haltung der Parteirepräsentanten inzwischen einheitlicher als bei ihren demokratischen Rivalen, wo etwa neoliberale und sozialstaatlich orientierte Positionen zu Wirtschaftsfragen oft nur schwer zu verbinden sind – ein Problem, das die US-Demokraten mit fast allen europäischen sozialdemokratischen Parteien teilen.

Über Kommentare zu diesem Blog freue ich mich.

Zum Thema: Hans-Peter Martin, „Game Over – Wohlstand für wenige, Demokratie für niemand, Nationalismus für alle – und dann?“, Penguin Verlag, München 2018. Weitere Informationen: www.hpmartin.net

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