vonHans-Peter Martin 12.06.2020

Game Over

Hans-Peter Martin bloggt über die globale Titanic der Politik und Wirtschaft – und wie es doch ein „New Game“ geben kann. Krieg oder Frieden.

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Soeben öffnet ein Kaffeehaus wieder, als eines der letzten. Klassischerweise ist dies keine Nachricht – und schon gar kein Medienereignis. Doch wir sind in Venedig, und es ist das „Florian“. Ein Klassiker, eine Legende, eine Institution, ein Original, ein einstiger Künstlerhort und Intellektuellentreffpunkt, ein Schauplatz jedenfalls, ein Epizentrum, ein Brennglas, eine Absurdität. Nicht wenige halten es auch für eine Perversion. Oder eben für eine Projektionsfläche von Weltformat.

In all dem widerspiegelt das „Florian“ am Markusplatz unsere Gesellschaft – wie sie vor Corona war. Wenn man diese Stunden heute für etwas Zukunftsorientiertes hält, wird alles noch extremer. Tom Wolfes „Fegefeuer der Eitelkeiten“ kann im „Florian” lichterloh lodern.

Mein ehemaliger „Spiegel“-Kollege Tom Schimmeck, stets ein unbestechlicher Beobachter und Norddeutscher, landete vor langer Zeit mehr aus Versehen denn aus Absicht für einige Zeit beim Möchtegern-Nachrichtenmagazin „Profil“ in Wien. Er bezeichnete  damals Österreichs Zentrum als „Welthauptstadt der Selbstdarsteller“. Das verschaffte ihm keine Freunde, doch die hat in Wien ohnehin fast niemand. Man tut zumeist nur so als ob. Oder kennt sie, je nach Windrichtung, nicht mehr.

Doch lieber Tom, jetzt ist eine Korrektur angebracht.  Venedig ist da vorneweg. Jetzt magst Du einwenden, dass das „Florian“ Wiener Wurzeln hat. Aber die sind 300 Jahre alt. Und während nach 1918 von Wien als Donaumetropole fast ein Jahrhundert lang allenfalls die Donau blieb (und auch die floss bis zur gegenwärtigen Stadterweiterung nur außen vorbei), schafft Venedig Renaissance um Renaissance.

Zufällig erfuhr ich vor einigen Tagen, das „Florian“ werde heute am Vormittag um 11 Uhr 30 wieder öffnen. Und ehrlich, ich dachte mir nichts dabei, als ich heute hinging. Ich wollte nur einen Kaffee und vielleicht einen Negroni als Reparaturseidl trinken. Mehr ist ja nicht mehr drin. Weniger aus finanziellen Gründen, aber auch.

Aber jetzt sind plötzlich alle da: Reporter von der Ansa, der großen Nachrichtenagentur Italiens; ein Profi von Getty Images; zahlreiche andere Journalisten; der Geschäftsführer des „Florian“, sogar der Eigentümer; die Schönen und die ersten, zelebrierten Gäste – echte und inszenierte. Wobei die Inszenierung sicher echt ist.

Und da ich seit gestern endlich kapiere, wie aus meinem Smartphone Bilder auf diesen Blog hochgeladen werden können, einige Impressionen. Enjoy.

Der erste Stuhl:

Die erste Bank: Die erste Bank nach der Corona-Sperre-im Video-IMG_2587 3

Der erste echte Gast:

Die ersten inszenierten Gäste, natürlich auch echt echt:

Diese Gäste dürfte es wiederum zufällig erwischt haben. Die Touristen im Hintergrund illustrieren, dass Venedig auf dem Weg ist, in Kürze wieder so zu sein wie es bis zum Shutdown am Karnevalssonntag war:

Und dann die großen Auftritte. Der Eigentümer:

Derweil im Inneren des „Florian“. Bisher unklar wer, recherchiere noch:

Gemeinsam von Bedeutung. Für wen?

Das „Florian“ nach der Freigabe für alle Gäste:

Na, des kannst ned erfinden. Aber nun reicht’s. Jetzt will ich was Gscheites essen und trinken. Ab ins „CoVino“. Ciao, bis morgen.

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https://blogs.taz.de/gameover/eine-italienische-reise-eine-grandiose-inszenierung-4/

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