Die Wiener Presse feiert dieser Tage einen politischen Verrat der Sonderklasse. Von der »Neuen Kronenzeitung« bis zum Qualitätsblatt »Der Standard«, von der Wochenzeitung »Falter« bis zum sozialdemokratischen U-Bahnverdrecksblatt »Heute« – alle sind sich darüber einig: Mit der rot-grünen Tarifreform der öffentlichen Verkehrsmittel ab Mai 2012 haben die Grünen ihre sozial- und verkehrspolitischen Ideale verraten.
Es stimmt, dass die neuen Koalitionspartner der Ratshaus-SPÖ im Oktober 2010 das mutige Wahlversprechen abgegeben haben, den Preis einer Jahreskarte der Wiener Linien auf 100,- Euro abzusenken. Und genau das ist nun auch herausragend kreativ umgesetzt worden. Deshalb schäumen die Autofahrerparteien und die ihnen hörigen Medien.
Die Jahreskarte für die Wiener Linien wird es ab 1. Mai 2012 um 365,- Euro geben (bisher kostete das Jahresticket 449,-), und die Gebühr für Schwarzfahren wird auf die außergewöhnlich sympathischen 100,- Euro angehoben. Um also in den zeitlosen Genuss der neuen Öffi-Tarife zu kommen, brauchen die rund 240.000 Jahreskartenbesitzerinnen in Hinkunft nicht einmal ihrer Jahreskarte erwerben; sie könne in Ruhe in Bim, Bus oder U-Bahn reisen und das Eintreffen der Kontrolleure abwarten, die den von den Grünen durchgesetzten 100-Euro-Jahresbeitrag persönlich entgegennehmen.
In Summe eine saftige Preissenkung um 349,- Euro pro Jahr und damit ein grandioser Erfolg der ökologischen Stadterneuerung. Es steht zu erwarten, dass sich diese Tarifsenkung für Grünfahrer (früher Schwarzfahrer) in den nächsten Jahren als Selbstläufer erweist. Tritt der aufmerksame Service der Fahrscheinkontrolleure nämlich wiederholt ein, brauchen sich die betroffenen Öffi-Benutzer zur Refundierung des Mehrbetrages nur an die Kassiere der Grünen Bezirksorganisationen zu wenden. Hier genügt ein formloses Schreiben mit Bitte um Abdeckung der Zusatzgebühr, um den öffentlichen Verkehr im Sinn Grüner Politik noch viel attraktiver zu machen:
© Wolfgang Koch 2011