vonMaja Wiegemann 25.07.2021

Giftspritze

Dieser Blog serviert gut verdauliche Texte aus Ökologie, Forschung und Technik - informativ & kritisch.

Mehr über diesen Blog

Schon gepikt worden, von der Mücke? – Der Sommer ist auf Hochtouren und die Insekten auch.

Natürlich Bio – altes Wissen

Dabei könnte es so einfach sein – die Insektenblume (Tanacetum, besser bekannt als Chrysanthemum) hat‘s vorgemacht: Das von der Pflanze produzierte Pyrethrum ist hoch wirksam gegen Insekten (und leider auch gegen Fische, zum Beispiel). Aufgrund des vergleichsweise raschen Abbaus im Boden ist das Original aber deutlich harmloser als die synthetischen Abkömmlinge (Pyrethroide) – siehe Teil 1 des Mückenalarms. Das Naturgift ist daher im ökologischen Landbau als Insektizid erlaubt.

Die hübsch und harmlos ausschauende Blüte der Insektenblume.

Es war übrigens schon lange vor unserer Zeitrechnung bekannt – von den Chinesen wanderte das Wissen gen Westen und kam bei den Römern als Persisches Pulver an. Heute wird es hauptsächlich in Tasmanien und Kenia angebaut. Die Gewinnung aus der Pflanze ist natürlich aufwendiger als die synthetische Massenproduktion. Letztere kommt zwar dem hungrigen Markt entgegen, doch die vermarktungsfreundliche Stabilität der künstlichen Nachbauten entpuppt sich als Bumerang. Und Kollateralschäden sind bei der Bepreisung nicht berücksichtigt.

Die Bio-Waffe aus dem 20. Jahrhundert

Was Pflanzen machen, können Bakterien noch besser. Bacillus thuringiensis lebt vergesellschaftet mit Pflanzenwurzeln, wird aber auch in Insektenkadavern gefunden. Mit den Toxinen der Bakterie schützt sich die Pflanze vor Insektenfraß. Die Bakterie selbst erschließt sich offenbar mit der Vergiftung ihrer tierischen Opfer Nahrungsressourcen. Sehr nahe verwandt mit B. thuringiensis ist Bacillus anthracis – bekannt für das gefürchtete Anthrax-Toxin, das Milzbrand verursacht. Die Unterart B. thuringiensis israelensis, allerdings, produziert ein besonders auf Mücken wirkendes Toxin (kurz Bti-Toxin). Die Bazille wurde in den 70ern in einer israelischen Pfütze entdeckt. Selbstverständlich weiß die Menschheit inzwischen, wie man die Bakterien zur Stoffproduktion im industriellen Maßstab überredet.

Bazillen – die Stäbchenförmigen, im Konfokal-Fluoreszenzmikroskop.

Doch müssen wir tatsächlich mit Kanonen auf Mücken schießen? Das Malaria-Problem tritt hierzulande allenfalls mal an Flughäfen auf. Ersatzweise haben wir die kleine aber in großer Zahl auftretende und daher sehr lästige Rheinschnake (tatsächlich ist es die Stechmücke Aedes vexans). Sie hält sich vorzugsweise in feuchten Niederungen und Auen auf. Am Oberrhein und in anderen klimatisch angenehmen Flussgebieten neigt sie zu sommerlichen Populationsexplosionen.  Die gepiesackten Rheinländer setzen sich mit dem Bti-Toxin zur Wehr – per Flugzeugausbringung. Allerdings können auch die Mücken fliegen und kommen immer wieder.

Aedes vexans – die Rheinschnake.

Dummerweise killt das Bti-Toxin sämtliche existierende Mückenarten (über 3500 Spezies allein in der Familie Culicidae, ca. 100 davon in Europa). Es macht auch anderen Organismen (z. B. Amphibien) zu schaffen – etwas zeitversetzt, wie man heute weiß; doch Forschung dazu ist rar. In jedem Fall wird durch den flächendeckenden Einsatz die Nahrungskette unterbrochen – mit Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem. Bei massenhafter Verwendung sind zudem die Resistenzen nicht weit – so hatte sich die Natur das nicht gedacht! Auch für das Bio-Label gilt daher das vorsorgende Prinzip der Vermeidung bzw. der bedachten Verwendung.

Fischreiher auf Nahrung lauernd. Sie hocken am Ende der Nahrungskette.

Die moderne Bio-List

Es ist nicht nur das nervige Gesurre und Gepike – im Zuge des Klimawandels haben wir von den Mücken tatsächlich Ungemach zu erwarten. Noch ist das Infektionsrisiko durch Mückenstiche in hiesigen Gefilden äußerst gering, doch es lauert: Die warmen Sommer der letzten Jahre führten dazu, dass sich das West-Nil-Virus nördlich der Alpen etabliert hat (vor allem im hitzegeplagten Osten).

Das Virus wird durch unsere gewöhnliche – soweit eher harmlose – Hausmücke (Culex pipiens) übertragen. Aber auch Aedes und Neozoa (einwandernde Mückenarten) eignen sich als Vektoren. Zu den Neulingen gehört die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus).

Tigermücken-Weibchen mit Blutmahlzeit intus.

Und da dieser Art auch Krankheitserreger wie das Zika-, Dengue- oder Chikungunya-Virus zur Last gelegt werden, bekämpft man sie mit besonderen Methoden: Gezüchtete Männchen werden sterilisiert – wahlweise durch Bestrahlung oder durch Infektion mit einer Bakterie, neuerdings mittels Gentechnik – und wieder ausgesetzt. Die Sabotage hat keinen Einfluss auf die Paarungspraktiken der Mücke und die Labormännchen sind bei den Wildweibchen willkommen. Die List funktioniert, weil sich die Weibchen nur ein einziges Mal begatten lassen und für den Rest ihres Lebens auf die gespeicherten (und im besten Fall manipulierten) Spermien zurückgreifen. Auf diese Weise lässt sich die einwandernde Tigermücke im Südwesten der Republik erfolgreich in Schach halten. Noch. Warum ‚noch‘? Weil auch hier prinzipiell Resistenzen möglich sind: Promiskuitive Weibchen, die entgegen der arteigenen Gepflogenheiten eine Mehrfachbegattung zulassen, können positiv selektiert werden.

Deswegen brauchen Sie nicht gleich das Wasser aus Ihrem Gartenteich abzulassen!  In den wilden DDT-Zeiten nahm man tatsächlich an, dass auch das Plattmachen von Flusslandschaften gegen die Mücke hilft – falsch gedacht!

Bilderbuch-Auenlandschaft.

Die Natur machen lassen…

Denn eine abwechslungsreiche Natur, eben auch Auenlandschaften, selbst Tümpel, sind bedeutsam für die Erhaltung der Artenvielfalt, darunter jede Menge Mückenvertilger. Bewohner der Lüfte und des Landes konsumieren ordentliche Portionen der Fluginsekten, doch die weniger flüchtigen, wasserlebenden Larven der Mücken können besonders effizient dezimiert werden. – Der größte Teil von Ihnen wird in einem intakten Ökosystem normalerweise gefressen.

Wald-Auenlandschaft.

Sie sind Leckerbissen für Fische, Kleinlibellen-Larven, Wasserwanzen, Schwimmkäfer, Plattwürmer und viele weitere aquatische Lebewesen. Ein Gartenteich sollte so gestaltet werden, dass er für erwünschte Arten attraktiv ist – also mit vielfältigem Pflanzenbewuchs und ohne hypermäßige Nährstoffzufuhr. Beim Fischbesatz ist Augenmaß gefragt. – Fische räubern auch unter den anderen Teichbewohnern.

Libelle am Gartenteich.

…und zu Hause etwas nachhelfen

Doch zuallererst sollten Sie der Mücke das Brüten im Wohnquartier madig machen, indem Sie unnötige Brutstätten eliminieren. Die Mücke findet nicht nur verstopfte Regenrinnen fantastisch, sondern auch vollgelaufene Autoreifen, Pflanzschalen und Ähnliches – zumal hier weniger Fraßfeinde unterwegs sind. Auch die Regentonne ist beliebt und sollte abgedeckt werden.

Cartoon Mückenbekämpfung

Das reicht Ihnen nicht? Sie wollen die Mücken doch am liebsten wegsprühen? – Zwischen den Zeilen steht es schon geschrieben: Die Mücke hat ihren Platz im Ökosystem: die Larven als Wasserfilterer, die Imagines (Erwachsene) als Bestäuber und beide als Nahrung. Haben Sie Nachsicht! Sie wissen ja, dass Moskitonetze gegen die blutrünstigen Weibchen helfen. Und falls Sie dennoch die Tigermücke zu Hause antreffen (zu erkennen an schwarz-weiß geringelten Beinen), freut sich der Mückenatlas über Ihre Meldung.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/giftspritze/mueckenalarm-teil-2/

aktuell auf taz.de

kommentare