von 01.04.2011

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Was die Anzeigenabteilung bei meiner verdeckten Recherche sagt

„Also, jetzt mal für Ihre Klienten“, sagt der Mitarbeiter im Düsseldorfer Verlagsgebäude und setzt zu einer Gardinenpredigt an: „Das Handelsblatt steht ja für absolute Glaubwürdigkeit.“ Das mache das Blatt für die Leser so attraktiv, und dadurch werde das Blatt auch für die Anzeigenkunden interessant. Meine Anfrage, Anzeigenaufträge an Texte zu koppeln, lehnt er ab, um die Glaubwürdigkeit des Handelsblatts zu schützen: „Da macht es keinen Sinn, wenn ich das unterwandere, indem ich irgendwelche Koppelkisten aufziehe.“ Auf den Inhalt der Artikel habe er „keinen Einfluss“. Man merkt richtig, wie satt er solche Anfragen hat.

Die Chefredaktion achte sogar darauf, sagt er, dass nicht der leiseste Eindruck einer Vermischung von Journalismus und Anzeigengeschäft entsteht. Einmal sei neben einer Anzeige eines Unternehmens ein Interview mit dem Pressesprecher desselben Unternehmens gestanden. Das sei wirklich Zufall gewesen. Doch trotzdem gab es dann „einen auf den Deckel“, bevor die Seite in Druck ging: „Einer aus der Chefredaktion schaut da noch mal drüber. Und gegebenenfalls zerpflückt er die Seiten.“ Dann werden Anzeige und Artikel getrennt, damit sie nicht nebeneinander erscheinen. Ab und zu müsse in der Chefredaktion eben „der ein oder andere sein Alphatier rauslassen“.

Auf völlige Ablehnung stößt auch meine Steuerhinterziehungsanfrage, auf die die Anzeigenabteilung der Frankfurter Rundschau positiv reagierte. Doch der Handelsblatt-Mitarbeiter blafft mich geradezu an: „Es wäre Ihnen sicherlich nicht recht, wenn die Kollegin in der Finanzseiten-Redaktion, die sich um Geldwäsche und um Wirtschaftskriminalität allgemein kümmert, hier mal draufschaut“, sagt er zu meinem Themenplan (PDF). „Wir finden es alle nicht lustig, wenn Leute ihre Kohle ins Ausland bringen.“

Was die Chefredaktion auf meine offizielle Anfrage sagt

Hier mein Interview mit Hermann Knipper, dem stellvertretenden Chefredakteur des Handelsblattes:

taz: Wie wichtig ist für Sie, dass die Leser klar unterscheiden können zwischen redaktionellen Inhalten und den Inhalten, die von Unternehmen beeinflusst wurden?

Normale Immobilienseite im Handelsblatt
Knipper: Brutal wichtig, allesentscheidend. Die Glaubwürdigkeit des Handelsblatts und jeder anderen seriösen Tageszeitung hängt davon ab, dass es eine strikte Trennung zwischen Anzeigen und Redaktion gibt. Wenn unsere Leser das Gefühl bekommen, unsere Inhalte seien käuflich, dann nehmen sie uns nicht mehr ernst. Deshalb sind wir da so strikt.

taz: Die Unternehmen wissen, dass die ökonomische Situation vieler Print-Medien schwierig ist und dass das Geld der einzelnen Anzeigenkunden zunehmend wichtiger wird. Haben Unternehmen versucht, in Verbindung mit Anzeigenschaltungen Druck auf die redaktionelle Berichterstattung aufzubauen?

Knipper: Mir ist jedenfalls kein Versuch bekannt. Wenn Druck ausgeübt wird, dann nicht auf die Redaktion, sondern auf unseren Eigentümer oder die Anzeigenabteilung. Und die weisen das gleich zurück, so dass es gar nicht erst nach hier kommt. Sowohl unsere Geschäftsführung als auch unser Verleger Dieter von Holtzbrinck stehen voll hinter dieser Linie.

taz: Wie würden Sie reagieren, wenn Sie davon erfahren?

Knipper: Indem wir sagen: Das interessiert uns nicht, wir lassen uns davon nicht beindrucken.

taz: Ein klassisches Einfallstor für den Einfluss von Unternehmen sind Sonderthemen wie bei Ihnen zu den Themen „Mittelstandsfinanzierung“ oder „Derivate“ oder „Leasing“. Da erscheinen Anzeigen zu einem Thema und daneben Texte zu einem Thema. Warum gibt es solche Sonderthemen?

Sonderthema zur Immobilienmesse Mipim, im Seitenkopf als SPEZIAL gekennzeichnet: Die Zahl der Seiten über dieses Thema hängt von den Anzeigen ab
Knipper: Das wird gemacht, um den Umsatz mit Anzeigen zu erhöhen. Jedes Jahr im Herbst erstellen wir in Absprache mit der Anzeigenabteilung einen groben Plan, wie oft im Jahr wir welches Sonderthema veröffentlichen. Es geht darin um Themen, die uns wichtig sind, und wir geben auch den Umfang vor, in dem wir darüber berichten könnten. Wir können nicht 80 Seiten über Derivate schreiben, selbst wenn wir noch so viele Anzeigen bekommen. Aber wir können dazu sechs bis zwölf Seiten sinnvoll füllen. Wie viele es innerhalb dieser Spanne werden, hängt dann allein von der Anzeigenlage ab. Aber wir werden uns nie von den Unternehmen sagen lassen, was wir in unseren Artikeln auf diesen Seiten schreiben. Kein Anzeigenkunde kann sagen: Ich gebe eine Anzeige nur dann, wenn ich auch einen Text über mich oder meine Produkte bekomme. Das ist völlig ausgeschlossen. Wir als Redaktion erfahren gar nicht, wer dort Anzeigen schaltet, das sehen wir erst einige Stunden vor dem Druck im Layout. Wenn ein Anzeigenkunde eine Kombination von Anzeige und Text will, erfahren wir das auch nicht. Dann sagt gleich die Anzeigenabteilung: No way, keine Chance.

taz: Ist das nicht Themen-Placement? Man kann doch als Unternehmen durch die Entscheidung, wie häufig und wie große Anzeigen man bei Ihnen schaltet, darüber bestimmen, wie groß das Handelsblatt darüber berichtet. Und somit können Unternehmen auch beeinflussen, für wie relevant die Leser das Thema halten.

Knipper: Diese Sichtweise kann ich nicht nachvollziehen. Das ist doch weltfremd! Wir machen ein Sonderthema nur, wenn wir das Thema wichtig finden. Auch die Unternehmen schalten bei uns die Anzeigen, weil sie glauben, dass sich unsere Leser dafür interessieren. Das Handelsblatt hat unter Geldanlegern einen hervorragenden Ruf. Der Terminplan für die Sonderthemenplan ist öffentlich und es gibt Leser, die kaufen gezielt die Ausgaben mit den Sonderthemen, weil sie sich dafür interessieren und weil sie dort gut und unabhängig informiert werden. Je mehr solcher Seiten es gibt, desto besser für unsere Leser.

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