vonHans Cousto 16.08.2011

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So schön das Wetter am Tag der Hanfparade (6. August 2011) auch war, so bunt der Umzug mit den Paradewagen auch war, so interessant die Redebeiträge und so unterhaltsam die musikalischen Beiträge auf der Bühne bei der Abschlusskundgebung auch waren, so traurig und schmerzhaft ist die Tatsache, dass große Teile der geplanten Abschlusskundgebung (Forum für Hanfmedizin, Nutzhanfareal, Kinderland und Hanfmarkt der Möglichkeiten) nicht stattfinden konnten.
Beim Ablehnungsbescheid der Versammlungsbehörde handelt es sich um ein rechtlich mehr als zweifelhaftes Konstrukt, in dem auf ein vom Bundesverwaltungsgericht aufgehobenes Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg Bezug genommen wurde. Ja, das ganze Verhalten der Versammlungsbehörde wie auch des Gerichtes am Samstag Vormittag kann nur als skandalös klassifiziert werden. Offenbar gab es politischen Druck “von oben“, um die Aufklärung der Bevölkerung über die Nutz- und Medizinpflanze Hanf zu minimieren. Um diesen rechtstaatlich befremdlichen Vorgang zu durchleuchten, hat sich der Trägerverein der Hanfparade, der JaKiS e.V., entschlossen, gegen die Versammlungsbehörde Klage einzureichen.

Presseerklärung des JaKiS e.V. vom 10. August 2011

Veranstalter der Hanfparade sehen sich von Polizei massiv in Versammlungsfreiheit beschnitten. Klage gegen Versammlungsbehörde beschlossen.

Nach der Hanfparade 2011, auf der am vergangenen Samstag in Berlin rund 2.700 Menschen die “Legalisierung von Cannabis als Rohstoff, Medizin und Genussmittel” forderten, erhebt der veranstaltende Verein JaKiS e.V. schwere Vorwürfe gegen die Berliner Polizei. Er verwehrt sich gegen den Vorwurf der Versammlungsbehörde, weite Teile der Hanfparade seien “nicht auf kollektive Meinungskundgabe ausgerichtet” und die Gesamtveranstaltung deshalb keine Versammlung im Sinne des Grundgesetzes. “In Wahrheit sind die von der Behörde verbotenen Versammlungsteile Forum für Hanfmedizin, Nutzhanfareal, Kinderland und Hanfmarkt der Möglichkeiten von immenser politischer Bedeutung, da erst sie eine intensive Beschäftigung der Teilnehmer und Besucher mit der Vielfalt der Hanfanwendungen ermöglichen.” so Martin Steldinger, einer der Vorstände des Vereins.

Die Veranstalter der Hanfparade zeigen sich über die mangelnde Kommunikationsbereitschaft der Berliner Polizei schockiert. Sie verweisen darauf, dass ihr umfangreicher Widerspruch von der Versammlungsbehörde ignoriert wurde und Gesprächsangebote, selbst wenn sie vom Anwalt des Vereins ausgingen, ins Leere liefen. Der JaKiS e.V. erklärt dies damit, dass die Hanfparade andernfalls wie in den vergangenen 14 Jahren vollständig als Demonstration hätte anerkannt werden müssen. So begründe Herr Haß, der Leiter der Berliner Versammlungsbehörde, seinen negativen Bescheid unter anderem mit Zitaten aus Urteilen, die das Bundesverwaltungsgericht bereits im Jahr 2007 aufgehoben hatte. “Die offensichtliche Willkür, mit der das Demonstrationsrecht in Sachen Hanfparade 2011 gebogen und gebrochen wurde, können wir nicht hinnehmen.” So Martin Steldinger “Die versammlungsfeindliche Entscheidung und die Kommunikationsverweigerungshaltung der Behördenvertreter zwingen uns dazu, den juristischen Weg einzuschlagen und gegen die Versammlungsbehörde zu klagen.” Die Hanfparade 2011 stehe dabei stellvertretend für viele Demonstrationen, deren vom Grundgesetz geschütztes Recht auf Teilhabe am politischen Diskurs zunehmend ausgehöhlt würde.

Für Ihre Fragen steht ihnen der Pressesprecher der Hanfparade, Steffen Geyer, gerne zur Verfügung.

* Web: www.hanfparade.de
* Tel: 0178 – 65 94 399
* Email: info@hanfparade.de

Ergänzende Informationen:

Die Hanfparade wird von einer Gruppe engagierter Einzelpersonen organisiert und von dem Verein JaKiS (VR 29275 B, Amtsgericht Charlottenburg) getragen. Steuernummer: 27/669/50894, FA Kö I Berlin. Der Verein JaKis hat als Ziel die die Förderung des Umweltschutzes und des ökologischen Bewusstseins.

Nicht nachvollziehbare Begründung des Ablehnungsbescheides

Die Tatsache, dass der Leiter der Versammlungsbehörde, Joachim Haß, am 14. Juli 2011 in seinem Ablehnungsbescheid große Teile der Abschlusskundgebung der Hanfparade 2011 als nicht konform mit dem Versammlungsgesetz klassifizierte und dies mit einem vom Bundesverwaltungsgericht am 16. Mai 2007 aufgehobenen Urteil (BVerwG 6 C 23.06 betreffend Fuckparade gegen Versammlungsbehörde Berlin) begründete, löste nicht nur im Kreise der Freunde der Hanfparade Empörung aus. Dies vor allem, weil die Versammlungsbehörde von Berlin als Beklagte an diesem Verfahren beteiligt war. Der Leiter der Versammlungsbehörde, Joachim Haß, wusste als Prozessbeteiligter also genau, dass das von ihm angeführte Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 2. Mai 2006 (OVG 1 B 4.05) aufgehoben worden war. Bei der Verhandlung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg am 2. Mai 2006 hatte selbst der Richters Zweifel an der Richtigkeit des gefällten Urteils. Er sagte mehrmals während der Begründung des Urteils, dass man in dieser Sache auch anders hätte entscheiden können und das Gericht deshalb die Revision zugelassen habe. Und die Revision beim Bundesverwaltungsgericht am 16. Mai 2007 war ja dann auch erfolgreich.

Auch die Tatsache, dass Joachim Haß oder eine andere zuständige Person der Versammlungsbehörde für die Veranstalter der Hanfparade 2011 nach der Erteilung des Ablehnungsbescheides nicht zu sprechen waren, löste ebenso Befremden aus. Und nicht zuletzt die Tatsache, dass das Gericht am Samstag trotz dieser Umstände den Bescheid der Versammlungsbehörde nicht aufgehoben hat, löste vor allem bei Juristen Bestürzung aus, vor allem auch, weil bekannt wurde, dass das Gericht und die Versammlungsbehörde in ständigen Kontakt standen bei der Findung der Entscheidung. Hier wurden offenbar in verschiedener Hinsicht rechtsstaatliche Prinzipien gebrochen. Es sollte wohl eine politisch opportune Entscheidung gefällt werden. Denn im Sinne des Leitsatzes zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16. Mai 2007 wäre die Abschlusskundgebung in der geplanten Art der Organisatoren jedenfalls eine Versammlung im Sinne des Grundgesetzes und des Versammlungsgesetzes gewesen.

Enthält eine geplante Zusammenkunft von Personen Elemente, die sowohl auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sind, als auch solche, die anderen Zwecken dienen, ist sie als Versammlung im Sinne des Grundgesetzes und des Versammlungsgesetzes zu behandeln, wenn die anderen Zwecke nicht aus der Sicht eines durchschnittlichen Betrachters erkennbar im Vordergrund stehen.

(Leitsatz aus dem Urteil des 6. Senats vom 16. Mai 2007 BVerwG 6 C 23.06)

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