vonFalk Madeja 23.09.2010

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Kraker – so heißen in den Niederlanden die Hausbesetzer. Zum ersten Mal habe ich sie im DDR-Fernsehen gesehen, die in den vielen tristen Jahren gefühlt zweimal über die Niederlande berichteten. Da war die Eröffnung des “Van Gogh-Museums” in Amsterdam und natürlich irgendeine Straßenschlacht zwischen Polizei und Krakern in Amsterdam, dass war ja schliesslich mal wieder ein Beweis für die Schlechtigkeit des Kapitalismus.

Als ich mich endlich von den Zuständen in den Niederlanden überzeugen konnte, die Mauer musste erst mal fallen, sah ich noch einmal eine Straßenschlacht, live in Amsterdam. Die Polizisten trugen so runde Schilder und es sah alles ein bisschen grimmig aus. Ich machte ziemlich schnell mit dem Phänomen Antikraaken Bekanntschaft, es war Anna, die in der Nähe des Museumspleins in einer Schule wohnte. Anti-Kraak – das bedeutet, dass Wohnungs- oder Büro-Haus-Besitzer leerstehende Räume an Wohnungssuchende vermieten. Damit die Wohnungen eben nicht gekrakt, also besetzt werden. Anna hatte riesigen Wohnraum, aber die Sache hatte einen Haken: sie konnte jederzeit rausgeworfen werfen.

Sie war also ein Antikraker. Dieses Phänomen ist aus zwei Gründen interessant. Erstens fehlt es in den Niederlanden chronisch an bezahlbaren Wohnungen – 100.000e würde ich sagen. Vor allem wer jung ist, muss sich mit dem Problem gigantischer Mietpreise konfrontiert, eine Hypothek ist als “Starter” auch nicht einzweidrei zu bekommen. Zweitens: Kraken, einst ein typisches Beispiel niederländischer Subkultur, wird ab dem 1. Oktober verboten.

Bleibt Antikraken. Nur – die Antikraker, sagt der Anwalt Abel Heijkamp in einem Interview in De Volkskrant, haben keine Rechte. Also hat er jetzt einen Antikraker-Bund gegründet, genauer gesagt den “Bond Preciare Woonvormen” (Bund Prekäre Wohnformen).

Wer nämlich sich auf einen Antikraak-Vertrag einlässt, hat ein Problem gelöst – und 50 dazu bekommen. er hat zwar zeitlich Wohnraum, muss aber 50 Bedingungen unterschreiben, die teilweise ungesetzlich sind. Oder gegen den Europäischen Menschenrechtsvertrag verstossen.

Der Mann nennt Beispiele. Antikraker dürfen nicht mit der Presse sprechen – das sei schon mal im Gegensatz mit der Meinungsfreiheit. Antikraker dürfen kein eigenes Schloss einbauen – das verletze die Privatsphäre. Denn die Kontrolleure des Vermieters wollen in jedem x-beliebigen Moment kontrollieren können, was in der Wohnung passiert. “Ich kenne Menschen, die splitterfasernackt Auge in Auge mit einem Kontrolleur konfrontiert wurden.” Und dass jemand zwei Wochen nach der Geburt eines Kindes rausgeworfen werden könne gehe natürlich auch nicht. Übrigens dürfen Antikraker auch keine Haustiere haben.

Der Bund ist noch klein, hat erst 25 Mitglieder. Aber auch schon einen Erfolg. Die Wohnungsbauvereinigung Brabant hat angekündigt, dass die unangekündigten Besuche abgeschafft – die Verbote für Haustiere, Parties und Pressekontakte würden ebenfalls aufgehoben, meldet De Volkskrant

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