von 20.01.2012

taz Hausblog

Wie tickt die taz? Das Blog aus der und über die taz mit Einblicken, Kontroversen und aktuellen Entwicklungen.

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Von Clemens Wigger, Teilnehmer am Workshop der taz Panter Stiftung

Wenn die taz ein Hund wäre, hätte ich schon so einige Pantoffeln nach ihr geschmissen. Das Ergebnis des Grand Prix d’Eurovision auf der Titelseite wäre vielleicht sogar ein Stiefelwurf geworden. Braucht es eine solche taz noch? Die Grünen sind gemeinsam mit ihren Kernthemen mittlerweile Mainstream geworden. Der zweite Atomausstieg wurde von Schwarz-Gelb beschlossen, die Wehrpflicht unter einem CSU-Minister abgeschafft und Joschka Fischer berät Siemens. Und aus dem taz-Panter wurde ein zahmer Köter?

Mit ihren Berichten zu veganen Supermarktketten und Werbebeilagen zu teurer Öko-Kleidung würde Slavoj Žižek sie wahrscheinlich als Postille des grünen Kapitalismus brandmarken. Gleich ihrer KernleserInnenschaft: Grün und arriviert. Das digitale Angebot passt sich dem Markt an; es gibt die taz als e-Paper und fürs iPhone. Die taz ist am Puls des digitalen Zeitalters. Mit dem Fortschritt auf Augenhöhe. Der Beschleunigung gewachsen.

Auf den Berlinhype weiß sie mit den Berlinfolgen im Web zu antworten. Macchiato-Mütter manifestiert sich in Titelzeilen – einem Stereotype verurteilenden Redaktionsstatut zum Trotz. Und der Erfahrungsbericht von 40 Tagen ohne Handy und Internet ist eine ganze Seite wert.

Köter, die ohne fütterndes Herrchen in der Großstadt leben, haben es nicht leicht. Sie müssen flexibel sein, im Müll stöbern und auch mal etwas Hingeworfenes fressen. Sie lernen, an Ampeln zu warten und Tritten auszuweichen. Sie werden niemals fett und strahlen Rastlosigkeit aus. Einige erscheinen so angriffslustig, dass sich so mancher einen Maulkorb für sie wünscht.

Den Einzug in Kristina Schröders illustre Liste von „linksextremistischen“ Medien hat die taz nicht geschafft. Zu diesen zählt Frau Schröder u.a. die Jungle World, die das Attribut „kritisch“ mit ketzerischer Energie anderen – selbstbetitelt – „linken“ Institutionen abzulaufen versucht. Laut ihr dürfte die taz unter anderem das Feigenblatt eines linken Antisemitismus darstellen. Auch das rebellische Pathos steht der Jungle World mit ihrer Gründungsgeschichte besser zu Gesicht als der etablierteren taz.

Wozu brauchen wir die taz also noch?

Wir brauchten sie unter anderem, um den unseriösen Umgang anderer Redaktionen mit Anzeigenkunden überprüft zu sehen. Für die Veröffentlichung der geheimen Wasserverträge hat sie auch getaugt. SZ-LeserInnen am Zeitungsstand freuen sich ab und zu über die unterhaltsamen Titelseiten der taz. Für eine Beförderung der medialen WM-Welle wäre jedoch eher wieder ein Pantoffel fällig gewesen.

Letztendlich beantwortet sich die Frage vielleicht durch die Struktur der Zeitung selber, die offensichtlich weiterhin neue GenossInnen anzieht. Transparenz und Unabhängigkeit halten sich ebenso beständig wie die vielen Flöhe im Fell. Ob Panter oder Köter, an der kurzen Leine wird die taz nicht geführt. Und vor allem kann sie weiterhin ziemlich vielen ohne Bedenken ans Bein pinkeln, während bei den meisten anderen selbiges Bein schon in der Redaktionstür steht.

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https://blogs.taz.de/hausblog/braucht-es-die-taz-nach-30-jahren-uberhaupt-noch/

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kommentare

  • Wenn Bettina Gaus nicht bei der taz arbeiten würde, hätte ich leichte Zweifel an der Notwendigkeit dieser Zeitung.

    Aber sie haben das Glück, Frau Gaus in ihren Reihen zu haben. Darauf dürfen sie stolz sein.
    Ich hoffe, dass sich viele der nachrückenden Redakteurs-Lehrlinge eine gehörige Portion von dieser außergewöhnlichen Journalistin abschneiden.
    Das Gleiche gilt für die Chefredaktion.

  • tolles ergebnis und spricht für die Grünen und die taz, wenn Ihre themen mainstream geworden sind. Nur verlierer wollen nicht überzeugen und gewinnen.

  • Ui, ui. Die Taz an sich als Feigenblatt des Antisemitismus. Wann soll das mal in der Jungle-World gestanden haben, bezog sich das auf bestimmte Artikel, Zusammenhang? Oder hat der Autor hier doch nur fabuliert? Da gibts ein Archiv… http://jungle-world.com/suche/

    Kritik am grünen Handelsblatt verpacken die “Antideutschen” (VS weis mehr, Taz-Blogger scheinbar auch)von der Jungle gerne humoristisch. Na und?

  • “Die Grünen sind gemeinsam mit ihren Kernthemen mittlerweile Mainstream geworden.”

    Ein heutiges Kernthema der Grünen ist der Krieg …

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