Von Mirka Borchardt
Alternative Medien auf der ganzen Welt, als Gegengewicht zu den großen etablierten Häusern, bei denen höchst fraglich ist, wie unabhängig sie berichten können. Oder wollen. So das Thema des Panels „Media to the People“ beim taz-Medienkongress: MedienmacherInnen aus Südafrika, aus der Schweiz, aus Uruguay und natürlich von der taz, sollten dazu erzählen, wie sie es machen. Und weil Geld bekanntermaßen der größte Abhängigkeitsfaktor ist, ging es darum, wie man es schafft, sich zu behaupten, ohne abhängig zu sein von Anzeigekunden oder staatlichen Mitteln. Die Lösungen sind bekannt: Genossenschaftsprinzip, freiwilliges Bezahlen, etc. Der taz-Leser weiß das alles. Auch die Probleme, die sich aus dieser finanziellen Unabhängigkeit ergeben, sind nichts Neues: Die jungen Redakteure wandern ab in besser bezahlte Jobs, ständig müssen die Zeitungen und Rundfunksender um ihr Überleben kämpfen, Vieles kann nicht umgesetzt werden, weil es an den Mitteln mangelt. Trotzdem ist es möglich, Idealismus sei dank!
Die finanzielle Abhängigkeit von Medien ist ein großes Problem, das Ausmaße annehmen kann, die wir uns selten bewusst machen. In Ungarn beispielsweise gibt es kaum noch Medien, die kritisch über die Regierung berichten, und zwar nicht einmal wegen des neuen Mediengesetzes, sondern weil ihnen schlicht das Geld fehlt. Das Problem ist bekannt, aber die Maßnahmen dagegen eben auch schon seit langem.
Arten von Abhängigkeiten gibt es viele. Neben dem Geld sind das vor allem die Kanäle, über die die Medien ihre Informationen beziehen – ein Problem, das die Diskussionsteilnehmer leider links liegen ließen. In Uruguay zum Beispiel berichten die Medien mehr über die USA als über ihr eigenes Land, weil sie die Dienste großer Nachrichtenagenturen in Anspruch nehmen, die sich kaum für dieses kleine, unbedeutende Land in Lateinamerika interessieren.
Und selbst in der deutschen, ach so vielfältigen Presselandschaft beziehen die Zeitungen 90 Prozent ihrer Nachrichten von den vier größten internationalen Nachrichtenagenturen – auch die taz. Deswegen sollte gerade ein von der taz ausgerichteter Medienkongress diese Art von Abhängigkeit hinterfragen. Zumal, wenn sie Diskussionsteilnehmer einlädt, die schon Lösungen praktizieren: Die Genossenschaftszeitung La Diaria in Montevideo hat keinen einzigen Nachrichtendienst abonniert, sondern nutzt die neuen Möglichkeiten des Internets, um ein Netzwerk aus Informanten und Korrespondenten zu bilden. Eine ziemlich schwierige Angelegenheit, vor allem, wenn die anderen alternativen Medien zu großen Teilen munter weiter dieselben alten Informationskanäle nutzen. Wenn sich aber alle Gleichgesinnten zusammen täten, um ein eigenes Netzwerk von Informanten und Korrespondenten weltweit aufzubauen, dann wäre man gar nicht mehr angewiesen auf AFP, AP, Reuters und wie sie alle heißen. Anstatt sich also gegenseitig die allseits bekannten Finanzierungsmaßnahmen wiederzukäuen, hätte man seine Energie besser auf die Frage verwendet, wie man das Monopol der Agenturen brechen kann.
GEGEN DEN WIND
Joachim Gauck sagte neulich in einem Interview sinngemäß, er sehe momentan weniger ein Defizit an Transparenz in Meien und Gesellschaft, sondern vielmehr ein Defizit an Kompetenz.
Ganz in diesem Sinne möchte ich selbstverständlich auch am Bruch mit dem Informationsmonopol mitwirken, jedoch mit klarem Verweis auf die Problempunkte Kompetenz und Rezipient. Nicht nur, dass in den tausenden von Blogs und Netzpolitik-Seiten – bei denen man oft schon nicht mehr erkennen kann ob öffentliche Institutionen daran mitwirken – vieles dabei ist wo man sich wirklich nach dem „Mehrwert“ jenseits von Anzeigen und Provokationen fragen kann…
Der Rezipient, traditionell gesagt: die Leserschaft bestimmt mit, was in der Medienwelt „geht“ und was nicht. Das ein Phänomen wie Guttenplag geradezu perfekt funktioniert, sagt einiges über den Ist-Zustand der Empfängerseite bzw. Umsetzer von Informationen in Deutschland aus. Doch wie steht es um die wirklich fundamentalen Themen und Konflikte ???
In etwa drei Wochen steht die Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes für Arbeitnehmer aus acht osteuropäischen Ländern ab 1. Mai bevor. Obwohl viele Experten den „großen Run“ von osteuropäischen Arbeitskräften nach Deutschland nicht erwarten, so ist dies doch eine einschneidende Neuerung der europäischen Ordnung. Meines Erachtens spielt dabei in der ersten Phase dieses neuen Abschnitts die kulturhistorische Situation eine viel größere Rolle als nur die Wirtschaft. Unverarbeitetes aus der Geschichte bestimmt trotz langjähriger Versöhnungsarbeit immer wieder das Verhältnis zwischen West-/Mittel- und Osteuropa.
Was Stuttgart21 damit zu tun hat und was es für neuartige Lösungen geben könnte, erfahren Sie unter der oben genannten Seite.