Der ehemalige FAZ-Herausgeber Müller-Vogg hatte gegen die taz geklagt, das OLG Hamburg gab ihm recht, das Bundesverfassungsgericht hat das Urteil jetzt aufgehoben.
Von Jony Eisenberg
Am 21. Dezember 2011 stand in der taz:
„Bundespräsident Wulff unter Beschuss: Abseits des Geheuls – Wulff wankt. Muss er zurücktreten? Gründe dafür gibt es, jeden Tag ein paar mehr. Aber Journalisten sollten in dieser Frage nicht der Maßstab sein. Ein Plädoyer.
Auch Christian Wulff steht zu Christian Wulff….. Anders die Medien, viele haben ihr Urteil über den Bundespräsidenten gefällt. Zu beobachten ist ein bemerkenswerter Schulterschluss vom Boulevard zum Feuilleton, ein seltenes Medienereignis. Das letzte Mal zu bestaunen, als Joachim Gauck ins Schloss Bellevue einziehen sollte. Es hat nicht geklappt.
Sollen Schlagzeilen Wulff stürzen?
…. Die Bild collagiert eine Auswahl eindeutiger Überschriften („Wulffs heikle Urlaubs-Liste“, „Wulff wartet auf Weihnachtswunder“, „Ein Präsident auf Abruf“) und fragt, scheinbar besorgt, ernsthaft scheinheilig: „Wie lange hält das Amt solche Schlagzeilen aus?“
Eine interessante Frage, die viel über ihren Urheber im Speziellen und die Debatte im Allgemeinen aussagt…. Interessant ist diese Frage vor allem dann, wenn sie die Bild stellt. Das Boulevardblatt ist in der Causa Wulff nicht Beobachter. Sondern Akteur. Bild-Autor Hugo Müller-Vogg schrieb das umstrittene Wulff-Buch „Besser die Wahrheit“, für das der Millionär Carsten Maschmeyer Werbeanzeigen im Wert von rund 50.000 Euro schaltete. In der heutigen Ausgabe des Boulevardblatts behauptet Müller-Vogg, er habe von nichts gewusst: „Ich habe erst heute erfahren, dass die Rechnung vom Verlag an Herrn Maschmeyer weitergegeben wurde“.
Ob Müller-Vogg die Wahrheit sagt oder lügt, ob er vom Wulff-Maschmeyer-Sumpf wusste (oder womöglich selbst darin schwamm), ist kaum herauszufinden. In der großen Affäre um den Bundespräsidenten bleibt diese Frage allenfalls eine Randnotiz. Hugo Müller-Vogg muss, anders als der Bundespräsident, kaum fürchten, dass seine Verstrickungen enthüllt und seine Abhängigkeiten öffentlich werden. Er ist Journalist, nicht Politiker. Das ist, in diesem Fall, sein Glück…“
Auf die Klage von Müller-Vogg, ehemaliger Herausgeber der FAZ und später ein vergessener Kolumnist und Lohnschreiber gebot das Hamburger OLG mit Urteil vom 20. 5. 2014 der taz es
„zu unterlassen, durch die Passage „Bild-Autor Hugo Müller-Vogg schrieb das umstrittene Wulff-Buch ‚Besser die Wahrheit‘, für das der Millionär Carsten Maschmeyer Werbeanzeigen im Wert von rund 50.000,- € schaltete. In der heutigen (sc. am 20. Dezember 2011) erschienenen Ausgabe des Boulevardblatts behauptet Müller-Vogg, er habe davon nichts gewusst: ‚Ich habe erst heute erfahren, dass die Rechnung vom Verlag an Herrn Maschmeyer weitergegeben wurde/ Ob Müller-Vogg die Wahrheit sagt oder lügt, ob er vom Wulff-Maschmeyer-Sumpf wusste (oder womöglich selbst darin schwamm), ist kaum herauszufinden. (…) Hugo Müller-Vogg (…) muss kaum fürchten, dass seine Verstrickungen enthüllt und seine Abhängigkeiten öffentlich werden. (Er ist Journalist, nicht Politiker) Das ist, in diesem Fall, sein Glück.“, den Verdacht zu erwecken bzw. erwecken zu lassen, Dr. Hugo Müller-Vogg habe bereits vor dem 19. Dezember 2011 gewusst, dass Carsten Maschmeyer Werbeanzeigen für das Buch „Besser die Wahrheit“ finanziert hat.“
Die taz wehrte sich mit einer Verfassungsbeschwerde. Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt das Urteil aufgehoben( BvR 3085/1 5) und festgestellt, daß die Verurteilung die Pressegrundrechte der taz verletzte. Es handelt sich um ein Werturteil. Die kritische Bewertung der Äußerung des Müller-Vogg und die als bloße Vermutung ausgewiesenen Zweifel an der Wahrheit dieser Aussage seien von Elementen der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt. Das Bundesverfassungsgericht hat die Sache zurückverwiesen an das OLG in Hamburg, das vermutlich erneut unter dem selben Vorsitzenden Richter Buske zu Gerichte sitzen wird. Damit der seinen Fehler nicht wiederholt, hat das Bundesverfassungsgericht ihm eine roadmap geschrieben: „Im Rahmen der vorzunehmenden .. Abwägung ist der Gesamtzusammenhang .. der Äußerung zu beachten, die in eine Kritik am medialen Umfang mit dem Bundespräsidenten eingebettet war und an die Tätigkeit des Müller-Vogg als Autor des Buchs anknüpft. … wird weiter einzustellen sein, daß sich Müller-Vogg mit seinem Artikel selbst in die Öffentlichkeit begeben hat.“ Die taz ist guter Zuversicht, dass sich Buske an die Weisungen bei seinem nächsten Urteil in der Sache halten wird.
Jony Eisenberg ist Rechtsanwalt der taz
(Foto:dpa)
„Dass Oberlandesgericht verneint zunächst das Vorliegen einer
Meinungsäußerung mit der Begründung, dass die Beschwerdeführerin eine Bewertung vornehme. Diese Begründung ist nicht schlüssig, da eine Bewertung gerade keine dem Beweis zugängliche Tatsachenbehauptung ist.“
Das OLG würde keinen kleinen Schein an keiner deutschen Universität erhalten. Das ist ja lächerlich – wenn es nicht so traurig wäre.