Brisantes Thema beim taz-Kongress: Was machen wir mit dem Gymnasium, dem deutschen Heiligtum? Der Saal K3 im Haus der Kulturen ist voll, 150 Leute.
Ein ziemlich kluge Lehrerin sagt, nachdem sie gezeigt hat, wie viel Widerstand es gegen individuelles Lernen gibt: „Wir sind bildungspolitisch und demokratisch ein Entwicklungsland, das müssen wir uns mal eingestehen.“
Cordula Heckmann, Leiterin des Berliner Campus Rütli: „Ich kann ohne Gymnasium leben“. Und auch der Rektor des Schiller-Gymnasiums in Marbach, immerhin dem Schulpreisträger und besten deutschen Gymnasium, meint: „Wir brauchen das Gymnasium – noch 5 Jahre.“
Hamburgs Bildungssenatorin Christa Goetsch von den Grünen sagt: „Wir werden in Hamburg keine grundständigen Gymnasien haben. Das ist der Strukturfehler der Berliner Schule.“ (Grundständige G. sind Gymnasien, die ab der fünften Klasse laufen – obwohl die Grundschule in Berlin bis zur sechsten Klasse dauert.)
André Schindler, Landeselternvetreter: „Ich weiß gar nicht, warum alle so viel Angst vor dem Gymnasium haben.“ Er problematisiert, dass laut Berliner Schulinspektion die innere Differenzierung nicht funktioniert. „Wie sollen wir sehr unterschiedliche Schüler in einem Klassenzimmer individuell fördern?“
Günter Offerman beschreibt die Umgestaltung seiner Schule: Als wir in Marbach angefangen haben, merkten wir: „Wir müssen den Unterricht verändern. Alle müssen ans Ziel kommen.“ Wir brauchen für jeden Schüler ein eigenes Angebot. Und wir brauchen es besonders in der Pubertät – denn da setzt sich das Ich des Schülers neue zusammen. Also braucht eine Schule Unterstützungssysteme, nicht für jeden eines, aber in bestimmten Klassifikationen.
„Es hat sich – auch durch den deutschen Schulpreis – einiges geändert in den Köpfen der Rektoren: Es ist einfach schick, niemanden abzuschulen.“ (Höhö – jetzt macht er aber ganz schön Propaganda!)
Es taucht die Frage auf, wie viele Schüler die Gymnasien eigentlich abschulen: André Schindler sagt, es seien keine zehn Prozent. Christa Goetsch zeigt: in Hamburg gehen – zunächst – 52 Prozent der Schüler aufs Gymnasium – aber dann verlassen die Schüler Schritt für Schritt die Pennne. „Am Ende machen 30 Prozent das Abitur.“
„Kann man die Lehrer innerhalb von eineinhalb Jahren auf individuelles Lernen umstellen?“, will die taz-Redakteurin Anna Lehmann wissen. André Schindler widerspricht massiv. „Nein, man kann nicht in diese Roulettespiel hineingehen. Die Lehrer können das nicht – individuelle Förderung. Es macht keinen Sinn, Schüler zu zwingen, einen bestimmten Weg zu gehen.“ einzuschlagen.
Günter Offermann sagt, „ich mache unangemeldete Unterrichtsbesuche bei meinen Kollegen.“ Beim Unterricht hat sich inzwischen schon so viel geändert, dass es nicht mehr mit dem vergleichbar ist, was wir im Kopf haben.
[…] Das Gymnasium – ein Auslaufmodell at 30 Jahre taz – tazkongress vom 17. bis 19. April 2009 […]